Tom Høyem

Ein dänisch-deutscher FDP-Politiker: „Merkel ist nicht ausgebrannt“

Ein dänisch-deutscher FDP-Politiker: „Merkel ist nicht ausgebrannt“

Ein dänisch-deutscher FDP-Politiker: „Merkel ist nicht ausgebrannt“

DN
Berlin
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Der frühere dänische Grönlandminister und heutige FDP-Fraktionsvorsitzende Tom Høyem bei DK4: Keine Angst mehr vor Deutschland!

Der frühere dänische Grönlandminister und heutige FDP-Fraktionsvorsitzende Tom Høyem bei DK4: Keine Angst mehr vor Deutschland!

„Deutschland ist reif für mehr internationale Verantwortung, und Deutschland ist auch dazu gezwungen, mehr Verantwortung zu übernehmen. Dennoch fürchte ich keine neuen Ängste vor Deutschland in Europa. Es gibt heute keinen  Deutschenhass wie früher, weder in Dänemark noch in anderen ehmals besetzten Ländern.“ Das sagt der frühere dänische Grönlandminister Tom Høyem in einem Fernsehinterview mit DK4 in der Sendereihe „Tysklands valg – Europas skæbne“ vor der deutschen Bundestagswahl am 24. September. Der heute 75-Jährige ist ein deutsch-dänisches Unikat: Er hat die dänische und die deutsche  Staatsbürgerschaft und Parteibücher in beiden Ländern – in Deutschland bei der FDP und in Dänemark bei Venstre.

Tom Høyem war von 1982 bis 1987 der letzte dänische Grönlandminister in der Regierung Schlüter, er war zusammen mit Erhard Jacobsen Mitbegründer der Partei der Zentrums-Demokraten (CD). Seit 1994 lebt er in Deutschland,  war von 2000 bis 2015 anerkannter Rektor der „Europäischen Schule“ in Karlsruhe und ist  heute Fraktionsvorsitzender der FDP im Stadtrat von Karlsruhe.

Von der deutschen Angst vor Koalitionen

Natürlich ist er davon überzeugt, dass die FDP, die bei der jüngsten Bundestagswahl mit 4,9 Prozent knapp an der Fünf-Prozent-Sperrklausel scheiterte, das historische Kunststück vollbringen wird, wieder in den Bundestag zurückzukehren, aber ob er eine Koalition wie früher mit Merkels CDU/CSU oder mit der SPD unter der Leitung von Martin Schulz (Vorbild Rheinland-Pfalz mit SPD, Grünen und FDP?)  befürwortet, lässt Høyem offen. „Die große Koalition ist ziemlich langweilig. Das Problem besteht darin, dass kleine Parteien in Koalitionen oft in Stimmennot geraten, ja wir wären letztes Mal fast daran gestorben. Selbst war ich Mitglied einer Minderheitenregierung in Dänemark mit vier Parteien, die dennoch im Folketing immer eine Mehrheit suchen musste. In Deutschland hat man eher Angst, Koalitionen einzugehen“, so Høyem, der „weniger Staat, aber keinen Minimalstaat wünscht“.

„Viele Dänen glauben, dass Deutschland nur aus großen Automobilfirmen besteht. Aber das Rückgrat der deutschen Wirtschaft sind vielmehr die mittelständischen Familienunternehmen. Beispielsweise  Lego und Danfoss in Dänemark, nur gibt es davon sehr viele in Deutschland, und deren Rahmenbedingungen will die FDP verbessern, um mehr Innovation und Wachstum zu sichern.“

Dass Angela Merkel – wie manche meinen – nach mehr als zehn Jahren Kanzlerschaft ausgebrannt wirkt, sei falsch, meint Høyem.
„Sie ist noch immer solide, pragmatisch und  keine Ideologin,  aber natürlich gibt es irgendwann auch einen Verschleiß bei Politikern. Merkel hat keine Kronprinzen. Sie ist allein, aber weiterhin stark. Für uns ist es nicht wichtig, ob Merkel oder Schulz Kanzler wird, wir suchen Einfluss für die FDP. Schulz ist charismatisch und hat in der SPD, die fast am Boden lag, eine euphorische Stimmung entfacht, aber mehr Gerechtigkeit fordern wir doch alle. Er muss in den nächsten Monaten klar Farbe bekennen, ob er die Schröder-Agenda 2010 zurückrollen will.“ 

Politik beider Länder schwer vergleichbar

Nach seinen Worten ist die dänische und deutsche Politik schwer vergleichbar. Es sei „etwas hysterisch, wenn man die Alternative für Deutschland als große Gefahr für die deutsche Demokratie bezeichnet“. „Wir hatten in Dänemark Glistrups Fortschrittspartei, und aus ihr ist dann Dansk Folkeparti entstanden. Einen solchen Wandel halte ich auch bei der AfD für möglich“, so Høyem.

Im Interview äußert sich Dänemarks letzter Grönlandminister auch zu Grönland. „Dänemark ist eine arktische Großmacht. Deshalb haben wir 1988 im Streit mit Kanada die dänische Flagge auf der Hans-Insel gesetzt. Grönland wird im kommenden Jahrzehnt  zu einer der wichtigsten Fragen – auch für die dänische Reichsgemeinschaft, die für beide Seiten von größter Bedeutung ist.“

Grönland – eine der wichtigsten Fragen

Høyem hofft, dass die Nato für eine stabile Lage sorgen wird – auch wegen der sich neu bietenden Transportmöglichkeiten westlich von Grönland.  „Erst als Grönland aus der EU austrat, hat man auch in Deutschland die Bedeutung dieses arktischen Fensters erkannt. Grönland kann sich nach meiner Meinung infrastrukturell nicht allein behaupten. Entweder fallen die Entscheidungen über die Insel im Nordatlantik künftig in Dänemark gemeinsam mit den Grönländern, oder das Schicksal wird in den USA entschieden“, glaubt Høyem.

Das Interview mit Tom Høyem in voller Länge. 

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