Menschenrechte

Koalition streicht Lieferkettengesetz von Tagesordnung

Koalition streicht Lieferkettengesetz von Tagesordnung

Koalition streicht Lieferkettengesetz von Tagesordnung

dpa
Berlin
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Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales (SPD) spricht am Rednerpult im Bundestag. Der Bundestag debattiert über die unternehmerische Sorgfaltspflicht von Lieferketten. Foto: Magdalena Tröndle/dpa

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Keine Kinderarbeit bei globalen Zulieferern deutscher Unternehmen: Dafür will die Koalition mit einem neuen Gesetz sorgen. Doch bei Abgeordneten regt sich kurz vor dem geplanten Beschluss Widerstand.

Die Koalition hat das geplante Gesetz zur Einhaltung von Menschenrechten in internationalen Lieferketten quasi in letzter Minute von der Tagesordnung des Bundestags gestrichen.

In der Anhörung zu dem Gesetzentwurf seien noch Fragen der Unternehmenshaftung aufgeworfen worden, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt am Dienstag in Berlin. «Die werden jetzt noch inhaltlich bewertet und diskutiert.»

Wie es in Koalitionskreisen hieß, sahen Unionsabgeordnete noch Diskussionsbedarf. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte: «Wir haben lange verhandelt in der Bundesregierung und Lösungen gefunden.» Er sagte: «Wenn der Koalitionspartner noch zwei, drei Tage länger braucht, ist das nicht dramatisch, das kommt vor.» Bei den Verhandlungen zwischen Arbeits-, Entwicklungs- und Wirtschaftsministerium seien auch die Regierungsfraktionen eingebunden gewesen. Das Gesetz müsse kommen. «Alles andere wäre nicht redlich.»

Kinderarbeit, Ausbeutung und Naturzerstörung bei der globalen Produktion von Waren sollen durch das Gesetz eingedämmt werden. Laut der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Dienstag) hieß es in Unionskreisen, dass eine zivilrechtliche Haftung ausgeschlossen werden müsse.

Nach dieser Woche sind noch zwei weitere Sitzungswochen des Bundestags geplant, in der das Gesetz nach jetzigem Plan verabschiedet werden könnte. Dann folgen die Sommerpause, die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs und das Ende der Legislaturperiode.

Von 2023 an sollen Firmen mit mindestens 3000 Beschäftigten ihre gesamte Lieferkette im Blick haben, aber abgestuft verantwortlich sein. Ab dem Jahr 2024 kommen alle Unternehmen mit mindestens 1000 Beschäftigten dazu. Wird einer Firma ein Missstand in der Lieferkette bekannt, soll sie verpflichtet werden, für Abhilfe zu sorgen.

Zudem sollen Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften die Möglichkeit bekommen, Betroffene vor deutschen Gerichten zu vertreten, wenn es Verstöße gegen Standards in Lieferketten gibt und der Betroffene zustimmt. Bisher konnten Geschädigte selbst klagen, was aber in der Praxis an den Lebensumständen scheiterte.

Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Rainer Dulger, sprach angesichts der geplanten Verpflichtung der Unternehmen, Verantwortung für die Lieferketten zu übernehmen, von einer «objektiven Unmöglichkeit». BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter erläuterte, den Unternehmen werde mehr zugetraut als staatlichen Stellen. Es drohe eine Rückgang von Investitionen im Ausland.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte: «Man kann nur an die Union appellieren, dass sie aufhören soll, sich dem lobbyistischen Druck zu beugen.» Der Obmann der Linken im Ausschuss für Menschenrechte, Michel Brandt, sagte: «Um Unternehmen vor jeglicher Haftung durch das Lieferkettengesetz zu schützen, stellt die Koalition das gesamte Vorhaben kurz vor Ende der Legislaturperiode in Frage.»

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