Wirtschaft

EU-Kommission will kleine Cent-Münzen abschaffen

EU-Kommission will kleine Cent-Münzen abschaffen

EU-Kommission will kleine Cent-Münzen abschaffen

Jana Henschen/Nina Kallmeier/shz
Brüssel
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Foto: shz

Die Mehrheit der EU-Bürger will die kleinen Ein- und Zwei-Cent-Münzen nicht mehr haben. Die Europakommission plant diese abzuschaffen.

Chips für 1,99 oder die Jeans für 69,99? Geht es nach der Europäischen Kommission, könnten solche Preise bald der Vergangenheit angehören. Die Kommission plant einem Medienbericht zufolge, Ein- und Zwei-Cent-Münzen abzuschaffen.

In den Niederlanden ist es schon seit Jahren üblich: Wer krumme Cent-Beträge an der Supermarktkasse bar bezahlt, bei dem wird auf volle fünf Cent auf- oder abgerundet. Italien, Irland und Finnland prägen selbst keine Ein- und Zwei-Cent-Münzen mehr. Die Geldstücke sind aber weiterhin in der ganzen Eurozone als gesetzliches Zahlungsmittel verwendbar.

In Deutschland machte vor Kurzem die Insel Wangerooge Schlagzeilen, die in einem Pilotprojekt nicht nur auf Ein- und Zwei-Cent-Münzen verzichten will, sondern auf sämtliche Kupfermünze. Einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge plant die EU-Kommission nun, europaweit zumindest die Ein- und Zwei-Cent-Münzen abzuschaffen.

Zum Arbeitsprogramm der Kommission, das am Mittwoch vorgestellt wird, gehöre der „Vorschlag für einheitliche Rundungsregeln“. Ein Grund sei dass die Mehrheit der EU-Bürger die kleinen Geldstücke nicht mehr haben will. Das Aufrunden auf volle fünf Cent-Beträge spare die Herstellungskosten für die Kleinstmünzen, die Mühe beim Zählen sowie den Transport. Laut der „Süddeutschen“ verweist die Kommission bei ihrem Vorstoß auf einen eigenen Bericht von 2018, wonach immer mehr Euro-Staaten dazu übergegangen seien, Beträge beim Einkaufen auf volle fünf Cent runden zu lassen.

Hohe Kosten

Kritiker des Kupfergeldes weisen seit Langem auf die hohen Kosten hin. Nach Angaben der Europäischen Zentralbank (EZB) sind bis Dezember 2019 rund 36,7 Milliarden Ein-Cent-Münzen und etwa 28,2 Milliarden Zwei-Cent-Münzen in der Eurozone in Umlauf gebracht worden. Zum Vergleich: Sie machen damit fast die Hälfte aller in Umlauf befindlichen Euro-Münzen im Wert von einem Cent bis zu zwei Euro aus.

Von 2016 bis 2018 wurden allein 1,44 Milliarden deutsche Ein-Cent-Münzen und 1,35 Milliarden deutsche Zwei-Cent-Münzen hergestellt, wie aus Angaben des Bundesfinanzministeriums auf Anfragen der Grünen-Fraktion hervorgeht. Dafür seien insgesamt gut 7000 Tonnen Stahl und gut 415 Tonnen Kupfer verwendet worden.  
Den Angaben des Bundesfinanzministeriums zufolge ist eine Ein-Cent-Münze in der Herstellung teurer als ihr Nennwert. Genauere Angaben machte sie in den Angaben für die Grünen nicht und verwies auf das Geschäftsgeheimnis der Prägeanstalten. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer schätzte die Kosten für die Herstellung einer Ein-Cent-Münze auf 1,65 Cent.

Münzen werden nur ungern benutzt

Wie die EU-Kommission bereits in einem Bericht aus dem Jahr 2013 feststellte, benutzen viele Verbraucher die kleinen Münzen nur ungern zum Bezahlen. Stattdessen würden die Münzen „gehortet“.   Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer bezeichnete die Abschaffung der Kleinstmünzen als „überfällig“. „Die Ein- und Zwei-Cent-Münzen sind eine riesige Ressourcenverschwendung an wertvollen Metallen“, erklärte er in Berlin. „Jedes Jahr prägt die Bundesbank rund eine Milliarde dieser kleinen Cent-Münzen, die dann wieder nach und nach in den Schubladen verschwinden.“ Jährliche Umfragen der Kommission hätten zudem gezeigt, „dass es heute in keinem Land mehr eine Mehrheit für die Beibehaltung dieser beiden Stückelungen gibt“.

„Die Abschaffung der Ein- und Zwei-Cent-Münzen würde der Wirtschaft nicht weh tun. Das ist eine rein emotionale Frage“, sagt Frank Horst vom Kölner Handelsforschungsinstitut EHI unserer Redaktion. „Unsere Studie zu Rundungseffekten bei Bonsummen zeigt, dass es keinen Einfluss auf das Preisniveau gibt und auch keine Preisveränderungen nach sich zieht“, so Horst mit Blick auf eine Studie, die das EHI im Auftrag der Bundesbank durchgeführt hatte.

Aufwendiges Vorhaben

Anders sieht das der Hauptgeschäftsführer des Handelsverband Deutschland (HDE), Stefan Genth, gegenüber unserer Redaktion: „Ein- und Zwei-Cent-Münzen abzuschaffen, ist ein für den Handel durchaus aufwendiges und kompliziertes Vorhaben.“ Hier müsste der Gesamtbetrag gerundet  sowie steuerliche Aspekte und  Preisbindungen berücksichtigt werden. „Das führt insbesondere bei Aufrundungen zu Erklärungsbedarf bei den Kunden“, meint Genth.

„Ein Verzicht auf die Signalpreise würde wichtige Differenzierungsmöglichkeiten nehmen. “ „Für den Handel ist entscheidend, dass eine solche Abschaffung im Fall der Fälle gut und transparent vorbereitet wird und nicht gegen den Willen der Kunden durchgesetzt wird. Zudem muss es zwingend eine europaweite Vorgabe sein.“

Laut dem Forscher für Handelspsychologie Prof. Dr. Joachim Hurth von der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften lesen Menschen bei einem Preis von 9,99 Euro nur die 9, sodass eher ein Preis von 9 Euro als von 10 Euro wahrgenommen werde. als Beispiel nennt er den Preis für einen Liter Benzin an der Tankstelle von 1,499. „Man beachte auch die Optik, die letzte 9 ist so klein, dass man sie im Vorbeifahren eigentlich nicht erkennt. Wenn meine Frau mich fragen würde, was kostet das Benzin heute, würde ich wohl 1,49 sagen, obwohl mathematisch eher 1,50 richtig wäre“, erklärt Hurth.

Der Forscher sieht „keine großen Auswirkungen auf uns Verbraucher. Viele werden zu Beginn darauf achten, ob der Händler nicht nur auf-, sondern auch abrundet. Dabei werden sicher auch die Verbraucherorganisationen helfen“, meint der Experte für Handelspsychologie.

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