2020-Auftakt

Autor Knud Romer läutet deutsch-dänisches 2020-Schulprojekt ein

Autor Knud Romer läutet deutsch-dänisches 2020-Schulprojekt ein

Deutsch-dänisches 2020-Schulprojekt eingeläutet

Tondern/Tønder
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Der bekannte dänische Schriftsteller Knud Romer sprach vor Schülerinnen und Schülern aus Niebüll und Tondern über seine deutsch-dänische Biographie. Foto: Volker Heesch

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Das Tønder Gymnasium und die Friedrich-Paulsen-Schule in Niebüll arbeiten die gemeinsame Geschichte der Grenzziehung 1920 auf. Beide Schulen sind ein Ergebnis der Teilung des Kreises Tondern.

Im Jubiläumsjahr der Volksabstimmungen und der Grenzziehung 1920 beginnen das dänische Gymnasium Tønder Gymnasium und ihr Partnergymnasium in Niebüll, die Friedrich-Paulsen-Schule, ein neues Gemeinschaftsprojekt. Im Geschichtsunterricht werden die Ereignisse beleuchtet, die im Bereich der Westküste besonders einschneidend waren, da Tondern mit der Teilung des Kreises durch die Abstimmungszonen und durch die Eingliederung des nördlichen Kreisgebietes ins dänische Königreich die Wiedaustadt einen Großteil ihres traditionellen Hinterlandes einbüßte.

Schriftsteller mit spitzer Zunge

Zum Auftakt des Vorhabens war der bekannte dänische Schriftsteller Knud Romer am Montag nach Tondern ins Gymnasium zu kommen, um vor dem Hintergrund seiner Herkunft als Sohn einer deutschen Mutter und eines dänischen Vaters deutsch-dänische Gegensätze und Gemeinsamkeiten mit spitzer Zunge aufs Korn zu nehmen.
Die in Dänemark als Wiedervereinigung gefeierte Grenzziehung werden die beteiligten Schülerinnen und Schüler aus beiden Schulen auch im Rahmen des Kunstunterrichts bearbeiten.

Neue Plakate im Erinnrungsjahr

Es ist eine Plakataktion geplant. Anknüpfend an die bis heute in vielen Ausstellungen und Büchern zur Illustration des „Abstimmungskampfes“ 1920 verwendeten Plakate. Als Propagandamittel in beiden nationalen Lagern appellierten die teilweise künstlerisch sehr gekonnten Bilder und Texte oftmals an die Gefühle der Grenzlandbewohner. Vorgesehen ist, dass die Schülerinnen und Schüler aus Niebüll und Tondern, die im Unterricht auch die Sprache der 100 Jahre alten Werbeplakate analysieren, eigene Werke schaffen.

Ausstellung im Februar 2020

Die Ergebnisse werden 2020 am 7. Februar, drei Tage vor dem Jubiläum in der Abstimmungszone, in Tondern vorgestellt. Interessant ist auch, dass sowohl die 1925 gegründete Friedrich-Paulsen-Schule, die am neuen Sitz des Kreises Südtondern entstand, ebenso wie das Tønder Gymnasium, das 1920 als neue Staatsschule in die Räume der 1909/1910 erbauten Realschule einzog, ihre Entstehung der neuen Grenze und Teilung Schleswigs verdankt.

Vortrag im Wechsel von deutsch und dänisch

Knud Romer, der vor rund 120 Schülerinnen und Schülern aus den Partnerschulen sprach, wechselte in seinem Vortrag zwischen deutsch und dänisch. Deutschlehrer Michael Longerich hatte Romer vorgestellt, dessen  autobiografisch gefärbter Roman „Den som blinker er bange for døden“, auf deutsch mit dem Titel „Wer blinzelt hat Angst vor dem Tod“, mit dänischen Literaturpreisen ausgezeichnet wurde. Romer gab in lebhafter Vortragsart seine eigene Geschichte zum Besten. Dass er mit seiner deutschen Mutter, die zum Kreis der deutschen antifaschistischen Widerstandsgruppe Rote Kapelle zählte, und dem dänischen Vater, im Ort seiner Kindheit Nykøbing auf Falster, „alles doppelt gekriegt“ habe.

Deutsche Mutter verunglimpft

Er habe auf der Insel Falster in ländlicher Wildnis die eigene Kindheit „überlebt“. Draußen als dänischer Junge, im Haus „war ich ein Deutscher, bei Mutti“, erzählte er und berichtete von bitteren Erlebnissen, als Schulanfänger mit Schultüte als Deutscher beschimpft worden zu sein, und wie er Beleidigungen der Mutter als Nazi erleben musste, obwohl deren Freunde dem Naziterror zum Opfer gefallen waren.

Gegen Nationalismus 

Romer erklärte, dass „blöde“ Politiker und Journalisten in Dänemark stereotype Bilder vom deutschen Nachbarland in die Köpfe der Menschen gepflanzt hätten. Er habe darauf mit der Haltung reagiert, „die Arschlöcher können mich mal“. „Es gibt Deutschland das Land der Dichter und Denker, und es ist auch das Land der Richter und Henker“, so Romer, der sich anschließend den seiner Meinung nach schlimmen dänischen Nationalismus vorknöpfte.

Neue Zielscheiben

Typisch sei, dass heute weniger Deutsche dessen Zielscheibe seien, sondern Syrer und andere Einwanderernationalitäten.Bissig zählte Romer Beispiele dänischen Nationalstolzes wie den Weihnachtsbaum oder die Adventskalender auf, alles Importe aus Deutschland. Und er fügte hinzu, dass glatt 20 Prozent aller dänischen Wörter direkt aus der deutschen Sprache übernommen worden seien.

Deutschland heute exotisch

 Doch er vermerkte auch Positives. So habe man sich in Dänemark über den Siegestaumel nach dem Sieg bei der Fußballeuropameisterschaft über Deutschland „den Hass von 1864 und 1940 weggetrunken“. Inzwischen sei Deutschland nach Jahrzehnten der Nichtbeachtung für Dänen exotisch-interessant. Schlimm nur, dass kaum noch jemand Deutsch sprechen könne. Selbst wenn man es in der dänischen Schule lernen wolle, fehlten die Deutschlehrer. „Die einzigen, die es noch können, seid ihr hier Tondern“, fügte Romer an und rief dazu auf, im deutsch-dänischen Verhältnis voreinander zu lernen, die Deutschen von den frechen Dänen und die Dänen vom kulturellen Reichtum Deutschlands. Und als Quelle neuer beschränkter Weltbilder nahm sich Romer die sozialen Medien auf Korn. „Die solltet ihr als Klo benutzen“, so sein Rat.

Unterschiedliche Schulen

Witzig auch sein Bericht über die deutsche und dänische Schule in Kopenhagen, die seine Kinder besuchten. Während an der einen die Kinder der deutschen Eltern mit Birkenstocksandahlen zwar viel lernten, aber immer stiller wurden, wurde an der anderen pädagogisch supertollen Schule nichts gelernt. „Ihr könntet freche Sprüche und Lernen miteinander verbinden“, so Romers Schlussworte.

 

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