Vor 100 und vor 50 Jahren

Chronik: Hochzeiten und Hilfsaktionen

Chronik: Hochzeiten und Hilfsaktionen

Chronik: Hochzeiten und Hilfsaktionen

Jürgen Ostwald
Jürgen Ostwald Freier Mitarbeiter
Nordschleswig
Zuletzt aktualisiert um:
Sonderburger Zeitung 30. November 1922 Foto: kb.dk

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Was hat im November vor 100 und vor 50 Jahren für Schlagzeilen gesorgt? Jürgen Ostwald hat im Archiv die Zeitungen durchforstet und aufgelistet, was die Menschen 1922 und 1972 bewegt hat.

Mittwoch, 1. November 1922
Die Hochzeit am Königshofe
Die Hochzeit der Prinzessin Dagmar, der Schwester des Königs, mit dem Kammerjunker Jørgen Castenskjold soll am 22. November auf Schloss Fredensborg stattfinden.
Das Ereignis wurde mehrfach angekündigt, eine größere Meldung findet sich unter dem 25. November.

 

Donnerstag, 2. November 1922
Dänische Hilfe für Göttingen
In der dänischen Zeitung „Nationaltidende“ forderte kürzlich Dr. Frederik Poulsen zu einer groß angelegten Hilfsaktion für den deutschen Mittelstand auf. Er schlug vor, dass jede dänische Stadt eine deutsche Stadt adoptieren und durch monatliche Beiträge dazu helfen solle, der bitteren Not zu steuern. Dr. Frederik Poulsen teilt nun mit, dass er auf seinen Aufruf hin von verschiedenen Seiten bereits 250.000 Mark erhalten habe. Diesen Betrag habe er an die Mittelstandshilfe in Göttingen überwiesen. Außerdem seien ihm für eine notleidende Professorenfamilie 100.000 Mark zugegangen. (…) Da die bisher geleistete Hilfe ausschließlich nach Göttingen geht, wiederholt er seine Aufforderung an dänische Provinzstädte, dass jede von ihnen eine deutsche Stadt in ihre besondere Fürsorge übernehmen solle. In Dragør-Amager sei eine solche Hilfsaktion bereits im Gange.

Sollte dieses menschenfreundliche Werk zur Ausführung kommen, so würde es in Deutschland mit Dankbarkeit begrüßt werden. Es würde sich als echte Wohltätigkeit scharf abheben von der politischen Wohltätigkeit, die von den dänischen Chauvinisten im schleswigschen Grenzgebiet betrieben wird.

Jeder deutsche Bericht in Nordschleswig über dänische Deutschlandhilfe wurde von den deutschen Grenzrevisionisten sogleich mit dem Hinweis auf die dänischen Eiferer verbunden und so in ihrem Wert verringert. So auch hier. Im Bericht vom 21. November wiederholt sich dieses Ritual bereits.  – Frederik Poulsen (1876-1950) war einer der bedeutendsten Intellektuellen seiner Zeit in Dänemark. Er war Chef der Carlsberg Glyptotek – von Haus aus war er Altphilologe und Klassischer Archäologe, in Deutschland Schüler von Wilamowitz-Moellendorff und Adolf Furtwängler. Seine Beziehungen nach Deutschland – er publizierte viel auf Deutsch – hat er zeitlebens gepflegt. Er schrieb nicht nur über Hellas und Rom, sondern auch Erzählungen, Reiseberichte, eine zweibändige Geschichte der Möbelkunst usw.

 

Sonnabend, 4. November 1922
Apenrade
Die Ausschreibung des Denkmals für die Kriegsopfer hatte 81 Entwürfe ergeben. Dem Ausschuss zur Beurteilung der Entwürfe gehörten Professor Seek-Berlin, Direktor Sauermann-Kiel, Bildhauer Jakobsen-Veien, Bauinspektor Magdahl-Nielsen-Kopenhagen, Frau Amtmann Thomsen und Dr. Kähler an. Man einigte sich vor der Öffnung der Kennworte, dass man den mit dem 1. Preis ausgezeichneten Entwurf ausführen lassen wolle. Die Preise entfielen wie folgt: 1. Johannes Bjerg-Kopenhagen, 2. Karl Ottermann-Hamburg, 3. M. Rönneburg-Remscheid. Ferner wurden 3 Trostpreise von je 100 Kronen verteilt an Heinrich Bomhof-Hamburg, Karl Andresen-Flensburg, Otto Vogler und Wilhelm Hansen in Kiel.

Das Apenrader Gefallenendenkmal von Johannes Bjerg Foto: Institut for Sønderjysk Lokalhistorie

Das Denkmal von Johannes Bjerg wurde im folgenden Jahr verwirklicht und steht  noch heute vor der Apenrader Stadtpfarrkirche. Es ist wohl mit dem (verlorenen) Kieler Denkmal der Schmerzensmutter Ernst Barlachs das bedeutendste Gefallenendenkmal im gesamten schleswig-holsteinischen und nordschleswigschen Bereich. Von Anfang an wurde auf eine hohe Kompetenz der Jury geachtet. Das unterscheidet das Apenrader Vorhaben von dem Haderslebener, das im  Streit endete und zu zwei sehr konventionellen Denkmälern führte (wir berichteten im vorigen Monat).

Auf die Zusammenstellung der Apenrader Jury hatte im Hintergrund Marcus Bade geachtet, der vor wie nach der Abstimmung Pastor in Apenrade war. Die eingesandten Entwürfe gingen nach der Ausstellung wieder an die Einsender zurück, sodass wir – außer dem Denkmal Bjergs – keine Anschauung der Arbeiten haben. Auch liegen keine Akten vor. Für die Gefallenendenkmäler in Nordschleswig gibt es die eingehende Untersuchung von Lars N. Henningsen: Kampen om de faldnes minde. 100 års strid om mindesmærker og mindekultur i Sønderjylland efter Første Verdenskrig. Aabenraa 2019. Henningsen übernimmt aus Mangel an Quellen die Berichterstattung der zeitgenössischen Zeitungen (Hejmdal, Dannevirke) und liest wie diese bei dem zweiten Preisträger Karl Otsermann. Unsere Zeitung hat Ottermann. Es handelt sich bei dem Zweitplazierten um Karl Opfermann, geboren 1891 im nordschleswigschen Rödding (Rødding). Er war damals einer der wichtigsten Bildhauer und Holzschneider der hamburgischen Sezession. Wir werden auf das Denkmal Bjergs zu gegebener Zeit mit einem selbstständigen Beitrag zurückkommen.

 

Freitag, 17. November 1922
Tondern
Der Abbruch der Luftschiffhalle schreitet nunmehr stark fort, sodass schon über ein Drittel des Riesengebäudes verschwunden ist. Die einzelnen Binderbogen werden jetzt nicht, wie ursprünglich geplant worden, abgebaut, sondern einfach umgeworfen. Dadurch geht viel Nutzeisen verloren, jedoch kann andererseits der Abbruch schneller beendet werden. Trotzdem werden noch große Mengen an T-Trägern, U-Eisen, Winkeleisen, Rundeisen usw. gewonnen, die in der näheren und weiteren Umgegend Tonderns guten Absatz finden.

Über die ehemalige Luftschiffhalle und das heutige Luftschiffmuseum in Tondern wurde im „Nordschleswiger“ wie in der Druckausgabe der Zeitung schon öfter berichtet.

 

Sonnabend, 19. November 1922
Leo Blech in Kopenhagen
Aus Kopenhagen wird gemeldet: In dem zweiten Konzert des Kopenhagener Philharmonischen Orchesters im Odd-Fellow-Palast dirigierte Leo Blech, der Leiter der Berliner Staatsoper. Seine Leistungen wurden mit spontaner Begeisterung und mit zahlreichen Hervorrufen aufgenommen. Die gesamte dänische Presse rühmt die Pracht und Schönheit der erzielten Wirkungen und die selbstlose Beherrschung des fremden Orchesters. Das Programm brachte Mozarts Sinfonie in C-dur und seine Serenade in D-dur. Diese beiden Werke wurden zum ersten Mal in Kopenhagen gehört. Ferner Webers Euryanthe-Ouverture und Schuberts Unvollendete Sinfonie.

Leo Blech (1871-1958) war einer der berühmtesten Dirigenten seiner Zeit. 1913-1923 war er Generalmusikdirektor an der Königlichen Oper (dann Staatsoper). In dieser Eigenschaft war er bereits vor 1922 in Kopenhagen und hatte das Kopenhagener Orchester dirigiert, das ihn also bereits als Dirigenten kannte und schätzte. Als Jude entging Leo Blech nach 1933 der Verfolgung durch Emigration nach Riga, dann nach Stockholm, wo er, einer der berühmtesten Dirigenten und Komponisten seiner Zeit, Hofkapellmeister an der Königlichen Oper wurde. Als er Mozarts Sinfonie Nr. 34 (Köchel-Verz. 338) in Kopenhagen 1922 gab, wusste er, der sehr belesen war, dass nur wenig entfernt hundert Jahre zuvor die Witwe Mozarts, Constanze, (in gedrückten Verhältnissen) gewohnt hatte (1810 bis 1820) und ihr Ehemann, Georg Nikolaus Nissen, aus Hadersleben gebürtig, dort an der ersten Mozart-Biografie schrieb. Und zwar in der damals sehr lauten Store Købmagergade 9, heute Købmagergade 38, im ersten Stock, genau gegenüber der damaligen Post, wo Nissen in seiner Jugendzeit gearbeitet hatte. Das Haus ist noch erhalten.

 

Dienstag, 21. November 1922
Dänische Hilfe für Deutschland
Ein Komitee von bekannten Persönlichkeiten Kopenhagens hat in der dänischen Presse einen Aufruf veröffentlicht, in dem die Aufforderung enthalten ist, eine Hilfsaktion für das notleidende Deutschland, besonders für den schwer bedrängten Mittelstand einzuleiten. In dem Aufruf heißt es: „Deutschland hat gegenüber Dänemark zwei Gesichter; das eine, das national-politische, ist unfreundlich, und es fehlt uns die Sicherheit dafür, dass die deutsche Nation in Zukunft eine wahre Freundschaft mit uns wünscht. Deutschland hat aber auch ein anderes Gesicht; nur wenige Dänen haben es gesehen, aber doch genug, dass wir uns vereinigen können. Die deutschen Universitäten, die technischen Hochschulen und Krankenhäuser haben seit einer langen Reihe von Jahren unseren Studenten und Gelehrten die Tore geöffnet. Dänische Literatur und Kunst sind in Deutschland bereitwillig aufgenommen worden. Die Beziehungen der dänischen Kaufleute zu der deutschen Industrie und dem deutschen Handel waren auf weitgehendes gegenseitiges Vertrauen gegründet. Durch deutsche Bücher und deutsche Musik stehen andere Tausende von Dänen in Dankesschuld zum deutschen Geistesleben. Die Hilfe Dänemarks muss dem großen Deutschland gering erscheinen, die Gabe jedoch, die wir geben können, kann infolge der Kaufkraft unserer Valuta vielen über den Winter hinweghelfen. Wir haben uns gedacht, durch die Mittelstandshilfe in den alten Kulturzentren wie Weimar, Göttingen, Jena, Tübingen, Heidelberg und Lübeck zu helfen, wo Frauen und Kinder Not leiden.“

Es ist erfreulich, dass Dänemark bereit ist, Deutschland zu helfen, und das deutsche Volk wird dem dänischen für seine selbstlose Hilfe großen Dank wissen. Dass die politische Einstellung weiter Kreise in Deutschland Dänemark gegenüber eine unfreundliche ist, liegt daran, dass Dänemark nach dem deutschen Zusammenbruch sich dazu verleiten ließ, Nordschleswig aus der Hand der Entente entgegenzunehmen, obgleich es nicht am Kriege teilgenommen hatte, anstatt im Einvernehmen mit Deutschland unter Berücksichtigung der deutschen Wünsche zu einer friedlichen Einigung, zu einer gerechten Grenzentscheidung zu kommen.

Die Hilfsaktion aus Kopenhagen reiht sich ein in eine ganze Reihe ähnlicher Aktivitäten (vgl. oben 2. November). Besonders zu erwähnen ist hier die Unterstützung notleidender Kinder aus Deutschland und Österreich, über die wir in den vorigen Monaten gelegentlich berichtet haben. Über diese Unternehmen gibt es bereits gute neuere Untersuchungen wie z. B. Susanne H. Knudsen: Wienerbørn. Barndom i krigens skygge. Kopenhagen 2012, das auch auf Deutsch erschienen ist: Wiener Kinder. Kindheit im Schatten des Krieges. Odense 2014.

 

Sonnabend, 25. November 1922
Die Hochzeit am dänischen Hofe wurde am Donnerstag in der Schlosskirche zu   Fredensborg vollzogen. Die Schwester des Königs, Prinzessin Dagmar, hat wegen ihrer Verbindung mit dem Gutsbesitzer Jørgen Castenskiold auf alle Rechte verzichten müssen, die sie als Prinzessin von Dänemark besaß. Der Ehemann ist von seinem königlichen Schwager zum Hofjägermeister ernannt worden.

Die Neuvermählten machen eine Hochzeitsreise nach der Schweiz. Später werden sie auf Kongstedlund in der Nähe von Aalborg Wohnung nehmen. Dieses Gut hat ein Onkel des Bräutigams diesem zum Geschenk gemacht, damit er Gutsbesitzer werde, was der König zur Voraussetzung für seine Einwilligung zur Eheschließung gemacht hatte.

Castenskiold entstammte zwar einer alten dänischen Offiziersfamilie, war aber gleichwohl nicht ebenbürtig, was vor hundert Jahren bei einer Einheirat in die königliche Familie noch mehrfache Komplikationen nach sich zog. Dagmar verzichtete so auf Titel und Rang, der Ehemann wurde zur Hoffähigkeit mit Titelverleihungen emporgehoben. Dagmar wurde im Mai 1890 geboren und starb am 10. November 1961. Da das Ehepaar sehr zurückgezogen gelebt hatte, wurde im „Nordschleswiger“ die Nachricht ihres Todes nur mit vier Zeilen vermerkt. Ihr Ehemann war drei Jahre jünger als Dagmar, überlebte sie um 16 Jahre und starb 1978.

 

Mittwoch, 29. November 1922
Literarisches
Die Macht der Drei. Roman aus dem Jahre 1955, von Dominik, ist im Verlag von Ernst Keil Nachfolger (August Scherl) GmbH in Leipzig erschienen. In phantasievoller Erzählung beschäftigt sich der Verfasser im Stile Jules Vernes mit Wundern der Technik, welche die Zukunft uns nach seiner Meinung bringen wird. Dabei spielen auch politische Vorgänge eine Rolle: der kommende Zusammenstoß zwischen England und Amerika, der nach Meinung des Verfassers den Zerfall des englischen Kolonialreiches und das Ende der britischen Weltherrschaft mit sich führen dürfte. Das Ganze ist in der Form einer fesselnden Erzählung gekleidet, die den Leser nicht wieder loslässt, wenn er einmal im Buch zu lesen begonnen hat.

Seit 1922 war das Buch von Dominik fast ohne Unterbrechung im deutschen Buchhandel lieferbar. Hier einige Umschlagbilder verschiedener Auflagen. Foto: ZVAB

Hans Dominik (1872-1945) war ein deutscher Science-Fiction-Autor, dessen Bücher im deutschen Sprachraum in Millionen-Auflage verbreitet waren. Die heutigen Leser und Verehrer können am 15. November auf den 150. Geburtstag ihres Autors zurückblicken. Zahlreiche seiner Titel sind noch heute im deutschen Buchhandel greifbar. Auch sein Buch „Die Macht der Drei“, das 2016 mit einem Vorwort des Dominik-Forschers Andreas Brandtner neu herausgegeben wurde. Da das Buch von 1922 großen Erfolg hatte und in der damals viel gelesenen Illustrierten „Die Woche“ 1921/22 als Fortsetzungsroman erschienen war, wurde es auch ins Dänische übersetzt und erschien 1927 unter dem Titel „Verdens Herskerne. En Roman fra Aar 1955“. Übersetzt wurde der Roman von dem dänischen Journalisten, Essayisten, Übersetzer, Theatermann und Drehbuchschreiber  Niels Th. Thomsen (1879-1933).

 
Foto: DN

Dienstag, 14. November 1972
Tod und Verwüstung über weiten Teilen Europas
Tod und Verwüstung brachte ein Orkan mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 200 km/h am Montag über weite Teile West- und Mitteleuropas.  Bis zum Abend waren mindestens 54 Menschenleben zu beklagen, davon 29 in der Bundesrepublik und elf in der DDR, sieben in Holland, drei in England, zwei in Frankreich, je eins in Belgien und in Dänemark.

 

Montag, 20. November 1972
Brandt und Scheel errangen überraschend großen Erfolg
SPD und FDP haben bei der Wahl zum siebenten deutschen Bundestag am Sonntag einen überraschend großen Sieg errungen. Mit zusammen mehr als 54 Prozent der Stimmen (SPD rund 46,2, FDP etwa 8,0) können sie die von vorneherein angestrebte neue sozialliberale Regierungskoalition im neuen Bundestag auf die solide Mehrheit von etwa 45 Mandaten stützen.

 

Mittwoch, 22. November 1972
Bert-Brecht-Gedenkabend im deutschen Fernsehen
Einen Bert-Brecht-Gedenkabend mit internationaler Besetzung überträgt das deutsche Fernsehen am 10. Februar nächsten Jahres live aus dem Frankfurter Schauspielhaus. An diesem Tag wäre Brecht 75 Jahre alt geworden. Die künstlerische Leitung des von den Städtischen Bühnen Frankfurt in Zusammenarbeit mit dem Suhrkamp-Verlag veranstalteten Abends liegt bei Regisseur Peter Palitzsch. Präsentator ist Georgio Strehler vom Piccolo-Teatro in Mailand. Auszüge aus dem Werk Brechts werden nach Angaben der ARD von Pia Colombo, Therese Giese, Nuria Espert, Max Frisch, Lotte Lenya, Gisela May, Milva, Vanessa Redgrave und Anja Silja interpretiert.

 

Freitag, 24. November 1972
Normann verlor Mandat durch Folketingbeschluss
In einer spannungsgeladenen halbstündigen Debatte über den weiteren Verbleib oder Ausschluss des Abgeordneten und ehemaligen Ministers A. C. Normann aus dem Folketing wurden alle erdenklichen juristischen, kriminalpolitischen, staatsrechtlichen und sogar biblische Argumente herangezogen. Für die Aufhebung von Normanns Mandat stimmten schließlich 88 Folketingsmitglieder, 70 sprachen sich für seinen Verbleib im Folketing aus, während sich fünf Stimmen enthielten. 16 Abgeordnete waren nicht zugegen, darunter der ehemalige Staatsminister Jens Otto Krag, Arbeitsminister Erling Dinesen und Marktminister Ivar Nørgaard.

A. C. Normanns „Ulykke“ Foto: Lindhardt og Ringhof

A. C. Normann saß schon 22 Jahre im Folketing, als er daraus ausgeschlossen wurde. Er hatte im Jahr zuvor einen Verkehrsunfall verursacht, bei dem zwei Menschen ums Leben kamen, andere schwer verletzt und für immer auf den Rollstuhl angewiesen blieben. Normann war nicht irgendwer. Er war lange Jahre Minister in verschiedenen Kabinetten – bis seine Laufbahn jäh unterbrochen bzw. beendet wurde. Monatelang wurde der Fall in der Presse und in der Öffentlichkeit debattiert. Er selbst sah seinen Ausschluss aus dem Folketing nicht ein und konnte die Gründe nicht verstehen. In seinem Buch „Erindringsbilleder. Politiske og litterære“ von 1975 erklärt er seinen Standpunkt. Damit hatte die Sache aber nicht sein Bewenden. Zum Geschehen erschien ebenfalls 1975 die knapp 80-seitige Schrift von Erik Nørgaard (1929-2013), einem seinerzeit bekannten und vielbeschäftigten Journalisten: A. C. Normanns ulykke. En studie i pressens magtmisbrug og Folketingets holdingsløshed. Die Schrift wurde wegen anhaltenden Interesses 2017 neu aufgelegt (vgl. Abb.). Über  die politische Tätigkeit Normanns unterrichtet Helge Larsen: Det radikale venstre i medvind og modvind 1955-1980. Kopenhagen 1980.

 

Mittwoch, 29. November 1972
Genau 97.000 Mal hat sich im Londoner Westend heater Ambassador der Vorhang gehoben und gesenkt, seit vor 20 Jahren Agatha Christies Erfolgskrimi „Mousetrap“ (Die Mausefalle) zum ersten male aufgeführt wurde. Das Ensemble feierte am letzten Wochenende den 20. Geburtstag des Stückes, ein Rekord in der britischen Theatergeschichte.
Seit dem 25. November 1952 wird im New Ambassadors Theatre Agatha Christies Stück Tag für Tag bis heute gegeben – nur etwas über ein Jahr unterbrochen von der Corona-Pandemie vom 16. März 2020 bis zum 17. Mai 2021. Wie viele Aufführungen bislang gezählt werden, muss der Leser dieser Zeilen selbst nachrechnen, denn es werden ja jeden Tag mehr.

 

Donnerstag, 30. November 1972
Prinzessin Sibylla ist im Stockholmer Schloss im Alter von fast 65 Jahren gestorben. Die in Deutschland geborene Prinzessin war die Mutter des schwedischen Kronprinzen Carl Gustav. Ihr Gatte, Erbprinz Adolf, kam 1947 bei einem Flugzeugbrand auf dem Flugplatz Kastrup ums Leben. Sie war die Mutter von fünf Kindern. Erst in letzter Zeit gewann sie in der schwedischen Öffentlichkeit Anerkennung. Sie selbst sagte einmal: „Ich weiß, dass ich vom schwedischen Volk nie geliebt worden bin, weil ich eine deutsche Prinzessin bin.“
Noch bis zuletzt sah die Prinzessin den eigentlichen Grund der Abneigung nicht ein: Nicht weil sie eine deutsche Prinzessin war, sondern weil das Haus Sachsen-Coburg-Gotha seit den 1920er Jahren betont nationalsozialistisch gesinnt war und das auch öffentlich deutlich bekannte, war sie einer distanzierenden Haltung in Schweden begegnet. Die Tochter des letzten regierenden Coburger Herzogs (ihre Mutter war eine Glücksburger Herzogin)  heiratete 1932 den schwedischen Erbprinzen Gustav Adolf von Bernadotte. Der Hochzeit wohnte der schwedische König Gustav V. wegen des Bekenntnisses des Herzogshauses und der Braut zum Nationalsozialismus nicht bei. Ihr erstes Kind wurde 1934 geboren. Ihr fünftes, erstmals ein Sohn, 1946. Es war der heutige König Carl XVI. Gustav, dessen Thronbesteigung 1973 sie nicht  mehr erleben sollte. Die Nachricht vom Ableben der Prinzessin wurde mit Porträtfoto auf der ersten Seite unserer Zeitung gebracht, die NS-Vergangenheit nicht benannt.

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