Umwelt-Skandal am Wikingeck

Die Zeit drängt: Hochgiftige Altlasten sickern weiter in die Schlei

Die Zeit drängt: Hochgiftige Altlasten sickern weiter in die Schlei

Hochgiftige Altlasten sickern weiter in die Schlei

SHZ
Schleswig
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Mit einem Bootshaken stochert Johannes Thaysen unter den Augen von Anwohnern und Umweltschützern im Schlick der Schlei und zeigt, wie leicht die giftigen Teerrückstände freigesetzt werden können. Foto: Stephan Schaar/shz.de

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Seit den 1980er-Jahren ist bekannt, dass die Schleswiger Wiking-Halbinsel verseucht ist. Hochgiftige Schadstoffe sickern in die Schlei und ins Grundwasser – es kann aber noch Jahre dauern, bis die Sanierung beginnt.

„Wie kann das sein, dass es dermaßen lange dauert, bis mit der Sanierung der Wiking-Halbinsel überhaupt erst einmal begonnen wird?“ Anwohner und interessierte Schleswiger sind fassungslos, als ihnen Ratsherr Johannes Thaysen (Grüne) bei einem Ortstermin der Interessengemeinschaft Umweltschutz Schleswig und Umgebung (IGU) die Verseuchung und den aktuellen Stand der Sanierungspläne erklärt.

Hochgiftige Stoffe sickern in Schlei und Grundwasser

„Im Boden schlummern seit 70 Jahren die Rückstände des alten Gaswerks und vor allem der ehemaligen Teerpappenfabrik“, erklärt Thaysen. „Das sind hochgiftige Stoffe in hohen Konzentrationen, wie etwa Cyanide, Phenole und vor allem polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). Das ist gefährlich für Mensch und Natur, und dass die hier seit Jahrzehnten in die Schlei und auch ins Grundwasser sickern, ist durch Bohrungen längst bewiesen“, so Thaysen. „Es muss endlich etwas passieren.“

An Land soll nach Angaben des Kreises eine Fläche von 7.355 Quadratmetern und eine Wasserfläche von 4.375 Quadratmetern saniert werden. „Dabei sollen verschiedene Verfahren zum Einsatz kommen“, erklärt Thaysen, „vom Greifer bis zum Saugbagger“. Die Gesamtkosten der Sanierung werden derzeit auf 28,4 Millionen Euro geschätzt.

Gasblasen und Ölteppich auf dem Wasser

Wie dramatisch die Lage ist und wie nah die hochgiftigen Stoffe an der Oberfläche sind, verdeutlicht Thaysen auf einem Steg am Schleiufer. Er stochert kurz mit einem Bootshaken im Schleigrund, schon steigen Gasblasen auf, und es bildet sich ein schillernder Ölteppich auf dem Wasser. „Es gibt hier an der Uferkante auch Stellen, wo der Teer-Dreck direkt aus dem Erdreich sickert“, sagt Thaysen.


„Wir tun alles, damit es möglichst bald losgehen kann“, sagt Thorsten Roos, Fachbereichsleiter Kreisentwicklung, Bau und Umwelt beim Kreis. „Auch wenn man die Ergebnisse so noch nicht sieht, aber die behördlichen Arbeiten laufen schon lange. Hier sind bis zu fünf Vollzeitkräfte mit dem Projekt beschäftigt.“ Das bestätigt auch Johannes Thaysen, der im engen Kontakt mit Roos steht: „Jetzt wird das Problem wenigstens angegangen, und das dauert leider seine Zeit. Die Fehler und Versäumnisse liegen in der Vergangenheit, als sich niemand zuständig fühlte.“

Umweltschutz und Altlasten waren früher kein Thema

Die meisten Anwohner der Wikinghalbinsel haben wahrscheinlich schon in den 1950er-Jahren gewusst, dass im Boden und am Schleifufer öliger Teer-Abfall der ehemaligen Dachpappenfabrik Erichsen & Menge zu finden ist. Doch Umweltschäden durch Altlasten der 1951 geschlossenen Fabrik waren damals kein Thema. Man schüttete Erde über den verseuchten Boden und baute auf dem ehemaligen Werksgelände Wohnhäuser und Bootsschuppen.

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Erst 38 Jahre nach der Schließung der Fabrik kam es 1989 durch die Umweltbehörde des Kreises zu einer ersten offiziellen Erwähnung der Boden-Kontaminierung. Darüber hinaus passierte erst einmal wenig.

Immer wieder wurde das Problem vertagt, zumal die Frage, wer für die Sanierung zahlen muss, lange ungeklärt blieb. Es folgten immer neue Probenentnahmen, Gutachten, Stellungnahmen, Anhörungen, Besprechungen – aber keine konkreten Sanierungspläne oder eine Klärung der Kostenübernahme.

Plan steht, aber Sanierung startet erst 2023

Nach 32 Jahren des Zauderns gibt es nun endlich einen Sanierungsplan, die Verantwortlichkeiten und die Verteilung der Kosten scheinen weitgehend geklärt. Zudem hat der Kreis jetzt angekündigt, trotz noch fehlender schriftlicher Zusagen der Kostenübernahme von Bund und Land, im kommenden Jahr die Ausschreibung der Sanierung zu starten. Dennoch wird es noch bis 2023 dauern, bis die rund zwei Jahre dauernde Sanierung starten kann – und so lange sickern die Gifte weiter ungehindert in Schlei und Grundwasser.

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