99.402 Einwohner

Wird Flensburg noch in diesem Jahr offiziell zur Großstadt?

Wird Flensburg noch in diesem Jahr offiziell zur Großstadt?

Wird Flensburg noch in diesem Jahr offiziell zur Großstadt?

Ove Jensen/shz.de
Flensburg
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Wie viele sind wir? Um die Einwohnerzahl der Stadt Flensburg gibt es einen Streit, der sogar vor Gericht ausgefochten wird. Vielleicht wird im Jahr 2023 die Zahl 100.000 erreicht. Foto: Marcus Dewanger/shz.de

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Die magische Marke von 100.000 Einwohnern ist in Sichtweite – jedenfalls, wenn man den Daten der Stadt Flensburg glaubt. Das Statistikamt Nord sieht das völlig anders. Am Ende könnten Gerichte entscheiden.

Wie groß ist Flensburg? Fragt man bei Landvermessern nach, erhält man eine klare Antwort: 56,73 Quadratkilometer. Die Größe einer Stadt wird aber meist nicht nach ihrer Fläche beurteilt, sondern nach der Zahl der Menschen, die in ihr leben.

Und da ist es auf einmal gar nicht mehr so klar. Dabei weiß man im Rathaus ganz genau, wie viele Personen hier gemeldet sind: Es sind 99.402. Demnach fehlen nur noch 598 Neubürger, um die magische Grenze von 100.000 Einwohnern zu erreichen.

Damit dürfte Flensburg sich offiziell Großstadt nennen. So legt es jedenfalls eine bis heute gängige Definition der Internationalen Statistikkonferenz von 1887 fest.

Ausgerechnet aber die Statistiker könnten Flensburg nun einen Strich durch die Rechnung machen. Sie glauben nämlich nicht an die Zahlen aus dem Einwohnermeldeamt.

Das Statistikamt Nord gibt die Einwohnerzahl der Stadt Flensburg mit 91.113 an. Diese Zahl stammt zwar noch aus dem Jahr 2021. Die aktualisierten Daten für das vergangene Jahr dürften aber nur unwesentlich höher liegen, wenn sie veröffentlicht werden.

Flensburg klagt gegen das Ergebnis des Zensus 2011

Wie kommt diese gewaltige Diskrepanz zustande? Es liegt am Zensus 2011. Aus den Daten der ersten gemeinsamen Volkszählung in der Europäischen Union hatten die Statistiker abgeleitet, dass Flensburg rund 6500 Einwohner weniger haben soll als bis dahin angenommen.

Die offizielle Einwohnerzahl sank von 96.000 auf 89.500. Freilich, ohne dass 6500 Menschen aus den Listen im Einwohnermeldeamt gestrichen wurden. Niemand weiß also, wer diese Personen sind, die in Flensburg gemeldet sein sollen, obwohl sie in Wahrheit gar nicht hier wohnen.

Diese Differenz ist im Großen und Ganzen bis heute fortgeschrieben worden.

Für die Stadt Flensburg geht es im Streit um die Einwohnerzahl um mehr als nur das Prestige, sich bald Großstadt nennen zu dürfen. Es geht auch um viel Geld. Im kommunalen Finanzausgleich bringt jeder Einwohner ungefähr 1000 Euro Steuergelder pro Jahr. Das summiert sich auf jährlich 6,5 Millionen Euro.

Deshalb hat die Stadt Flensburg schon vor Jahren vor dem Verwaltungsgericht eine Klage gegen das Zensus-Ergebnis eingereicht. Der Rechtsstreit ist noch immer nicht entschieden – und könnte schon bald von den Ergebnissen des Zensus 2022, die noch nicht vorliegen, überholt werden.

Häuser in Hinterhöfen übersehen?

In ganz Deutschland mussten Städte und Gemeinden nach dem Zensus 2011 einen Rückgang ihrer Einwohnerzahlen hinnehmen. In Flensburg war das jedoch besonders extrem. Bundesweit sank die offizielle Einwohnerzahl um 1,8 Prozent. In Flensburg waren es 6,8 Prozent. Im Rathaus vermutet man, vereinfacht gesagt, dass unter anderem zahlreiche Hinterhof-Häuser mitsamt ihrer Bewohner nicht mitgezählt wurden.

Dass Flensburg wächst, daran gibt es indes keinen Zweifel. Das besagen auch die Daten aus dem Statistikamt Nord. In den vergangenen Jahren betrug der Zuwachs stets mehr als 1000 Einwohner. Wenn es so weitergeht, wird die Marke von 100.000 Einwohnern also noch im Jahr 2023 erreicht – jedenfalls, wenn man dem Einwohnermeldeamt traut.

100.000 Einwohner zuletzt nach dem Zweiten Weltkrieg

Es wäre nicht das erste Mal, dass Flensburg zur Großstadt wird. Vor fast 80 Jahren geschah das schon einmal. Als 1945 mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs viele Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten über die Ostsee nach Schleswig-Holstein gelangten, stieg Flensburgs Einwohnerzahl sprunghaft von 67.500 auf 101.000. Die Spitze war 1949 mit 105.500 Einwohnern erreicht.

Viele Neubürger aus Pommern und Ostpreußen zogen in den folgenden Jahren wieder fort, unter anderem nach Nordrhein-Westfalen, wo es mehr Arbeit gab. 1952 fiel die Einwohnerzahl wieder unter 100.000. Der Tiefpunkt war im Jahr 2000 mit 84.200 Einwohnern erreicht. Seitdem werden die Flensburgerinnen und Flensburger wieder kontinuierlich mehr. Neue Wohngebiete trugen in den vergangenen Jahren ebenso dazu bei wie zuletzt der Zuzug von Geflüchteten aus Ländern wie Syrien oder der Ukraine.

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