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Wie die Deutsche Bahn in SH mehr Frauen auf die Lok bekommen will

Wie die Deutsche Bahn in SH mehr Frauen auf die Lok bekommen will

Wie die Bahn in SH mehr Frauen auf die Lok bekommen will

SHZ
Kiel
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Mittendrin im schweren Gerät: Celina Peters (l.) und Nicola Jentsch zwischen den Radsätzen, die die Züge in Schleswig-Holstein rollen lassen. Foto: Michael Staudt

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Es ist noch immer ein Männerjob: Lokführerinnen und Elektronikerinnen bei der Bahn kann man mit der Lupe suchen. Zwei weibliche Azubis erzählen, warum das trotzdem ein Traumjob für sie ist.

Der Scheinwerfer macht Schwierigkeiten. Immer wieder versucht Nicola Jentsch eine Mutter im Triebwagen zu lösen, doch es will der Auszubildenden einfach nicht gelingen. Neben ihr in der Werkhalle der Deutschen Bahn (DB) in Kiel steht Ausbilder Björn Baumgardt. Der 45-Jährige könnte jetzt etwas sagen, über Frauen und Technik oder warum sie überhaupt versucht, so eine große Maschine zu warten – aber nein: Er erklärt in aller Ruhe, was die junge Frau besser machen kann.

Denn die DB braucht Frauen. Der Staatskonzern hat sogar eine eigene Kampagne aufgelegt, mit der sich die DB bei 26 Millionen Frauen in Deutschland bewirbt. Vorbei sind die Zeiten als Arbeitgeber sich aussuchen konnten, welche Azubis sie einstellen – heute müssen sie sich anstrengen, wenn sie die Lehrstellen besetzt bekommen wollen.

In Schleswig-Holstein sind von den 430 Lokführern gerade mal 5,6 Prozent Frauen. Bei den Elektrotechnikern sieht es noch schlechter aus: Von 120 sind drei weiblich – also 2,5 Prozent. Weniger sind es in kaum einem anderen Ausbildungsberuf in Schleswig-Holstein.

Insgesamt ist nicht mal ein Viertel der Stellen bei der DB mit Frauen besetzt. „Unser Ziel ist es, bis 2024 den Anteil der Frauen in Führungspositionen auf 30 Prozent zu steigern“, sagt Fabian Wylenzek, Leiter Personalgewinnung der Region Nord der DB. „Und natürlich wollen wir auch bei allen anderen Jobs in den nächsten Jahren diese Quote erreichen. Wir können es uns schlicht nicht leisten, das Potenzial von 50 Prozent der Bevölkerung zu verschenken.“

Die Deutsche Bahn steht vor einem Generationswechsel

Doch vor allem in den technischen Berufen gibt es zu wenig Bewerberinnen. „Viele haben diese Jobs bei uns gar nicht auf dem Zettel“, sagt Wylenzek. „Das kann für die DB zum Problem werden, denn in den nächsten Jahren gehen viele Mitarbeiter in Rente. Deshalb will der Konzern in diesem Jahr 21.000 neue Mitarbeiter einstellen. Doch die Pandemie habe Auswirkungen auf die Bewerbersituation“, sagt Wylenzek. Zwar bekomme er die Stellen noch besetzt, aber es hapere manchmal an der Qualifikation der Bewerber.

Deshalb qualifiziert die DB auch selbst, es gebe verschiedene Trainingsangebote, sogar Nachhilfeunterricht gebe es für die Azubis. „Manche lernen bei uns das Lernen neu“, sagt Wylenzek dazu.

Rund die Hälfte der 60 Plätze für eine Ausbildung oder ein duales Studium in technischen Berufen in Schleswig-Holstein hat er schon besetzt, bis zum Ende des Sommers sollen es alle sein. Dafür wirbt der Konzern gezielt um Frauen. „Wir versuchen gerade, die körperlich anstrengenden Tätigkeiten, die früher vor allem Männer gemacht haben, so zu verändern, dass sie auch für Frauen ohne Probleme machbar sind“, sagt Wylenzek: „Niemand muss die Gleise mehr per Hand durch die Gegend schleppen.“

Dass es als Frau dennoch nicht leicht sein kann, weiß Katja Doose. Sie war über Jahre die einzige hauptberufliche Lokführerin auf dem Hamburger Hauptbahnhof. „Das muss man sich schon mal einen derben Spruch von Kollegen anhören“, sagt die Frau, die heute als Ausbilderin tätig ist. „Damit muss man umgehen können.“ Sie habe wegen ihrer lackierten Fingernägel immer mal wieder hören müssen, dass sie damit ja die Züge gar nicht aneinander koppeln könne. „Aber die männlichen Kollegen haben dann gesehen, dass ich das mit den Händen mache und nicht mit den Nägeln – und dann war auch Ruhe. Selbst ist die Frau.“

Weiblicher Nachwuchs auf der Lokomotive

Doose versucht ihren Auszubildenden zu vermitteln, dass es kein Problem ist als Frau in einer Männerdomäne zu arbeiten. „Für mich ist das jedenfalls kein Problem“, sagt die 22-jährige Celina Peters, die seit 1. August eine Ausbildung zur Lokführerin macht. Erst hat die Schleswigerin eine Lehre als Arzthelferin abgeschlossen, bevor sie in den Job gewechselt ist, den sie eigentlich von Kindesbeinen an machen wollte. „Es ist nicht untypisch, dass Mädchen erstmal einen eher weiblichen Beruf lernen“, sagt Katja Doose, die froh ist, dass Celina Peters sich am Ende doch für die Lok entschieden hat. Denn gemischte Teams seien immer vorteilhaft – und nur zur Info: in medizinischen Fachberufen ist der Anteil der Männer noch geringer als der der Frauen in den technischen Berufen bei der DB.

Nicola Jentsch hat es jedenfalls nicht bereut, dort anzufangen. „Der Job ist abwechslungsreich und man kann eine Menge lernen.“ Und vielleicht macht sie nach der Lehre auch noch ein Studium und wird Ingenieurin. Noch will sie darüber aber nicht nachdenken, denn schließlich hat sie noch eine Menge zu tun, damit ihre Kollegin Celina Peters auch mit funktionierenden Scheinwerfern durch Schleswig-Holstein fahren kann. Denn die kann die Auszubildende jetzt selbst ein- und ausbauen – ganz ohne Hilfe ihres männlichen Ausbilders.

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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