Energiekrise

Weniger ist mehr: Wie zwei Kappelner durch Verzicht bares Geld sparen

Weniger ist mehr: Wie zwei Kappelner durch Verzicht bares Geld sparen

Energie: Wie zwei Kappelner durch Verzicht bares Geld sparen

Stephan Schaar/shz.de
Kappeln
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Der „Seegras-Mann“ Kristian Dittmann hat Heidschnucken anstelle eines Rasenmähers und genießt das einfache Leben mit wenig Technik und Stromfressern. Foto: Stephan Schaar

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Muss es immer noch ein großes Auto mit Verbrennermotor sein? Brauchen wir für alles Elektronik und Strom? Geht Komfort auch ohne viel Konsum? Claus Bätke und Kristian Dittmann zeigen, wie man unabhängiger und günstiger leben kann.

In Zeiten steigender Energiepreise und Lebenshaltungskosten stellen sich viele Menschen die Frage, was sie ändern können, um zumindest ein wenig unabhängiger zu leben. Dabei hat sicher nicht jeder die Möglichkeit, auf einem Selbstversorgerhof ein komplett unabhängiges Leben zu führen. Aber ein Umdenken oder wenigstens ein Hinterfragen des eigenen Konsumverhaltens und der Komfortgewohnheiten könnte schon ein Schritt in die richtige Richtung sein. Das meinen zumindest zwei Menschen aus Kappeln, die auf sehr unterschiedliche Weise versuchen, dem unabhängigen Leben ein Stück näher zu kommen.

Umstieg auf Solarstrom und E-Mobilität hat sich gelohnt

Claus Bätke hatte sich bereits Anfang 2021 entschieden, auf Solarenergie zu setzen und sich ein E-Auto anzuschaffen. „Das hat sich auf jeden Fall gelohnt“, sagt er. Rund 30 Quadratmeter Dachfläche hat er mit einer Photovoltaik-Anlage bestückt und erzeugt damit rund 7000 Kilowattstunden Strom im Jahr. „Damit kann ich zwei Häuser und mein E-Auto locker versorgen“, sagt er.

Natürlich sei es erst einmal eine große Investition gewesen. Damals hatte er ausgerechnet, dass sich die Solaranlage erst nach etwa 16 Jahren amortisieren würde. „Doch angesichts der Preissteigerungen beim Strom rechnet sich das vermutlich schon deutlich früher, weil ich jetzt keine überhöhten Stromrechnungen zahlen muss“, so Bätke. Bei seinem E-Auto hat er sich bewusst für einen Kleinwagen entschieden.

„Das ist doch Energieverschwendung, ein solches Gewicht in Bewegung zu setzen. Ich begreife mein Auto auch nicht als Statussymbol, sondern als Fortbewegungsmittel“, sagt er. Auch die Reichweite sei kein Problem für ihn: „Ich komme damit 230 Kilometer weit und längere Strecken kann ich auch mit der Bahn fahren“, so Bätke.

Auf das Wesentliche reduzieren

„Hätte ich das Geld, würde ich mir auch eine Photovoltaikanlage aufs Dach bauen“, sagt Kristian Dittmann. Der als „Seegras-Mann“ bekannte Dittmann lebt mit seiner Lebensgefährtin in einer alten Scheune in Loitmark bei Kappeln. In seiner „Strandmanufaktur“ bestreitet er seinen Lebensunterhalt mit dem Sammeln, Verarbeiten und Verkaufen von Seegras. Das Strandgut kann unter anderem als Füllmaterial für Matratzen und Kissen verwendet werden.

„Früher war ich bloß ein Öko, das war eher ein Hobby. Heute bin ich eine Art Berufs-Öko und versuche in allen Bereichen meines Lebens sehr auf Nachhaltigkeit und Einfachheit zu achten“, sagt Dittmann, der bereits vier Bücher zu dem Thema verfasst hat und seine Erfahrungen bei Lesungen teilt. Die nächste findet am 23. September in der Kunstbar im Ostseeressort Olpenitz statt.

Gewohnheiten und Routinen ändern

Dittmann hat in der ehemaligen Scheune nur den alten Kälberstall zu einer behaglichen Ein-Zimmer-Wohnung mit 40 Quadratmetern ausgebaut, beheizt von einem zentralen Holzofen. „Meine Heizkosten halten sich sehr in Grenzen. Ich habe gute Kontakte, bekomme immer irgendwo Holz her und habe auch viel gelagert. Holzhacken ist ein super Fitnesstraining und macht im Winter auch warm“, sagt Dittmann lachend.

„Aber im Ernst: Ich bin auch ein Heizungskind und musste mich auch daran gewöhnen, dass so ein Ofen morgens erst einmal angeheizt werden muss. Aber man muss nur seine Morgenroutine entsprechend anpassen. Erst kommt der Ofen und warmes Wasser, dann der Rest“, erklärt er.

Weniger Geräte brauchen weniger Strom

Seinen Stromverbrauch hat Dittmann minimiert, indem er nur LED-Leuchten verwendet und so wenig elektrische Geräte wie möglich benutzt. „Ich versuche, kaum Stromfresser zu nutzen. Ich hatte nie einen Fernseher, ich habe keine Tiefkühltruhe und schalte den Warmwasserboiler oder den Computer nur an, wenn ich ihn brauche“, so Dittmann.

Zum Waschen des Seegrases benutzt er Regenwasser, das er in einer großen Zisterne sammelt, und das Waschwasser nutzt er wiederum zum Düngen und Wässern seiner Gemüsebeete. Er hat auch zwei Heidschnucken, die den Rasen und die Brombeeren im Zaum halten, sowie einige Hühner. „Aber die Tiere werden nicht gegessen, die dürfen bei mir alt werden.“

Weiterverwenden statt wegwerfen

Wichtig ist für ihn auch die Weiterverwendung von scheinbaren Abfällen. Dittmann hat in einer Ecke seiner Scheune ein richtiges Lager mit Holz, Metall und Kunststoff, in dem er sich bedient, wenn er etwas bauen will. So hat er etwa aus kaputten Gummistiefeln kurzerhand Halbschuhe gemacht und aus einer LKW-Plane eine Badewanne gebaut.

„Die Menschen haben früher noch praktisch gedacht und sparsam gelebt“, meint er.

Die größte Hürde auf dem Weg zu einem einfachen Leben sei in unserem Kopf. „Wir haben uns so an unseren Komfort und Wohlstand gewöhnt, dass wir Angst vor dessen Verlust oder auch nur vor etwas Verzicht haben“, meint Dittmann. Dabei erhöhe weniger Besitz und Komfort sogar die Lebensqualität. „Man genießt die scheinbar kleinen Dinge viel mehr. Und es befreit, Ballast abzuwerfen und auch weniger neuen Kram anzuschaffen. Ich habe ein echtes Gefühl von Freiheit, wenn ich im Supermarkt an den meisten Regalen vorbeilaufen kann, weil ich so vieles nicht mehr brauche“, sagt er.

Dabei lebe er keineswegs als Asket und das müsse man auch nicht. Es gebe aber bestimmt bei jedem ein paar Dinge, die verzichtbar sind. „Seinen Besitz auf das runterzufahren, was man wirklich braucht, würde schon viel bringen. Man muss sich einfach mal fragen, ob es nicht auch ohne das eine oder andere geht“, so Dittmann.

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