Bundestagswahl 2021

Was die nächste Bundesregierung in Schleswig-Holstein entscheidet

Was die nächste Bundesregierung in Schleswig-Holstein entscheidet

Was die nächste Bundesregierung in Schleswig-Holstein entscheidet

SHZ
Kiel/Berlin
Zuletzt aktualisiert um:
Viele Entscheidungen für Schleswig-Holstein werden nicht vom Land, sondern vom Bund getroffen. Foto: M. Staudt Foto: 90037

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Die Koalitionsbildung nach der Bundestagswahl wirkt sich auch im Norden aus – denn in vielen zentralen Fragen bestimmt Berlin. Welche Politikfelder im Land die wichtigsten für die neue Regierung sind.

Mehr Geld vom Bund für Forschung, Bildung, Klimaschutz, Gesundheit und Digitalisierung, schnellere Planung von Projekten – das sind die wesentlichen Forderungen der schleswig-holsteinischen Spitzenpolitiker an die nächste Bundesregierung. Doch auch in vielen anderen Bereichen besteht im Norden Handlungsbedarf für Berlin. Hier die wichtigsten Baustellen aus schleswig-holsteinischer Sicht:


Küstenautobahn A20


Fünf Milliarden Euro würde der 200 Kilometer lange Weiterbau der A 20 von Bad Segeberg bis nach Westerstede in Niedersachsen kosten. Während viele Menschen und Betriebe an Schleswig-Holsteins Westküste die Autobahn herbeisehnen, lehnen Natur- und Klimaschützer sie ab, weil sie wertvolle Flächen wie Moore und Wälder zerstört und jährlich 90.000 Tonnen Kohlendioxid zusätzlich durch Bau und Verkehr verursachen würde. Daher wollen die Grünen die A 20 auf den Prüfstand stellen – und womöglich kippen, wenn sie im Bund mitregieren. Das Schicksal der A 20 entscheidet sich also nach der Wahl in Berlin.


Bahnelektrifizierung


Bahnelektrifizierung: Nirgends haben so wenig Gleise eine Oberleitung wie in Schleswig-Holstein – gerade mal 29 Prozent. Zwar hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer eine Elektrifizierungsoffensive angekündigt. Doch inwieweit der Norden davon profitiert, ist offen. Die wichtigste Strecke, die einen Fahrdraht braucht, ist die Marschbahn zwischen Itzehoe und Sylt. Hier will das Land selber elektrifizieren, erwartet aber einen 90-prozentigen Zuschuss aus Berlin. Ob der Bund dabei mitspielt und ob er noch für andere interessante Strecken wie Neumünster-Bad Oldesloe eine Oberleitung plant, wird sich nach der Wahl zeigen.

Weiterlesen: Schneller als geplant: Marschbahn soll in wenigen Jahren elektrisch fahren


Munition im Meer


Rund 1,6 Millionen Tonnen Munition liegen auf dem Grund von Nord- und Ostsee, hinzu kommen 5000 Tonnen chemischer Kampfstoffe. Gift aus den Sprengmitteln ist schon in Pflanzen und Tieren festgestellt worden – höchste Zeit also, die Munition zu bergen, ehe die Schadstoffe auf den Tellern der Verbraucher landen. Der grüne Kieler Umweltminister Jan Philipp Albrecht will unter anderem eine schwimmende Plattform bauen lassen, die alte Munition industriell bergen könnte. An den Kosten von 100 Millionen Euro müsse sich aber der Bund beteiligen, sagt er. Inwieweit sich Berlin wirklich engagiert, entscheidet die nächste Regierung.

Weiterlesen: Munition im Meer: Landesregierung sieht dringenden Handlungsbedarf


Windkraft


Schleswig-Holstein will die Windkraftleistung an Land bis 2025 von heute sieben Gigawatt auf zehn erhöhen – und so seinen Teil zur Energiewende beisteuern. Ob das klappt, hängt nicht zuletzt vom Bund ab: Er muss dazu nach der Wahl die Ausbauziele erhöhen und die Genehmigung von Windparks erleichtern. Auch ob neue Windräder im Land dann überhaupt laufen könnten oder oft abgeregelt werden müssten, beeinflusst die nächste Bundesregierung: Sie muss den Bau großer Leitungen nach Süden beschleunigen. Und sie kann dafür sorgen, dass es leichter und lohnender wird, mit überschüssigem Windstrom direkt vor Ort Wasserstoff zu erzeugen.


Energiekosten


Im Flächenland Schleswig-Holstein pendeln viele Menschen weit zur Arbeit – daher ist für den Norden besonders wichtig, inwieweit die wegen der CO2-Abgabe stetig steigenden Preise für Benzin und Diesel, aber auch fürs Heizen ausgeglichen werden. Viele Parteien wollen dafür die Stromsteuer senken und die EEG-Umlage künftig aus Steuermitteln finanzieren. Die Union möchte die Pendler zudem durch ein Erhöhen der Pendlerpauschale entlasten. SPD, Grüne und Linke wollen Vermieter zur Hälfte an höheren Heizkosten beteiligen. Ferner wollen die Grünen und die FDP den Menschen ein jährliches Klimageld auszahlen.


Landeshaushalt


Schleswig-Holstein ist stark verschuldet – wegen der Pandemie, aber auch wegen Altlasten der HSH Nordbank. Zugleich will die Landeregierung kräftig in Forschung, Bildung und Klimaschutz investieren. Umso wichtiger wären für sie wirksame Schritte zu mehr Steuereinnahmen. Ob das Schließen von Schlupflöchern, die geplante Mindeststeuer für Digitalkonzerne oder eine Finanztransaktionssteuer – all das käme dem Land zugute, kann aber nur der Bund regeln. Das gilt auch für die von SPD, Grünen und Linken gewollte Wiedereinführung der umstrittenen Vermögensteuer. Sie stünde sogar komplett dem Land zu.


Immobilienkauf


Wer in Schleswig-Holstein ein Haus oder eine Wohnung kauft, zahlt besonders hohe Steuern: Mit 6,5 Prozent ist der Grunderwerbsteuersatz der höchste in Deutschland. Allerdings ist sich die Kieler Jamaika-Koalition darin einig, dass künftig zumindest Familien beim ersten Kauf einer Immobilie entlastet werden sollen. Während CDU und Grüne dazu eine Art Landeseigenheimzulage schaffen wollen, plädiert die FDP für einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer, wie er im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Ob der FDP-Vorschlag möglich wird, bestimmt die nächste Regierung in Berlin: Nur der Bund kann den Ländern solche Freibeträge erlauben.

Weiterlesen: Finanzielle Erleichterung beim Hauskauf: FDP unterstützt Midyatli-Vorstoß


Gesundheitswesen


Die Corona-Pandemie hat auch in Schleswig-Holstein technischen Nachholbedarf in Gesundheitsämtern offenbart und die personellen Lücken in den Kliniken einmal mehr verdeutlicht. Landesgesundheitsminister Heiner Garg fordert daher eine große Kraftanstrengung zur dauerhaften Sicherung einer leistungsfähigen Krankenversorgung. Auch für die Pflege verlangt er eine Offensive. Organisieren und wohl auch zumindest teilweise bezahlen müsste all das die nächste Bundesregierung – denn der Bund ist zusammen mit den Krankenkassen für die wesentlichen Fragen der Gesundheitspolitik und deren Finanzierung zuständig.

Mehr lesen