Analyse zur Ampelkoalition

Warum Grünen-Chef Robert Habeck Bundesfinanzminister wird

Warum Grünen-Chef Robert Habeck Bundesfinanzminister wird

Warum Grünen-Chef Robert Habeck Bundesfinanzminister wird

SHZ
Berlin/Flensburg
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Er will Vizekanzler und Finanzminister werden: Robert Habeck. Foto: Bernd Von Jutrczenka Foto: 90037

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Wenn der Grünen-Chef das wichtigste Einzelressort im Bundeskabinett haben will, kann es ihm niemand verwehren. Auch mögliche Drohungen der FDP würden nichts nützen.

Es ist die wichtigste Personalie bei den Verhandlungen für eine rot-grün-gelbe Bundesregierung: Wer wird im Finanzressort Nachfolger des voraussichtlich neuen Bundeskanzlers Olaf Scholz?

„Wir möchten gern das Finanzministerium besetzen, die FDP auch, aber das müssen wir jetzt gemeinsam besprechen“, fasste Grünen-Chefin Annalena Baerbock die Lage am Donnerstag abend in einer Talkshow zusammen – nicht ohne anzumerken, dass aus ihrer Sicht „natürlich logisch“ ihr Co-Vorsitzender Robert Habeck der bessere Finanzminister wäre als FDP-Chef Christian Lindner.

Habeck lässt intern keinen Zweifel: Er will den Job unbedingt

Um es kurz zu machen: Habeck wird Finanzminister. Alles andere könnten er und die Grünen nicht akzeptieren.

Zwar hält sich der Flensburger bisher mit einer öffentlichen Bewerbung zurück. Vielmehr sagt er nur, dass das Finanzressort nicht zuletzt für den Klimaschutz „wichtig ist“, und nennt es „nicht hilfreich“, dass sein früherer Kieler Mitstreiter Wolfgang Kubicki und der FDP-Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann das Amt schon vor Beginn der Koalitionsgespräche für ihren Chef Lindner reklamiert haben.

Doch intern lässt Habeck gegenüber Vertrauten bei den Grünen keinen Zweifel daran, dass er den Job des Finanzministers unbedingt haben will.

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Seit zwei Jahren befasst sich Habeck ausgiebig mit der Finanz- und Steuerpolitik. Fiel er zuvor schon mal mit Wissenslücken über die Pendlerpauschale auf, hat er sich inzwischen tief in die Materie des Ressorts eingearbeitet. Nicht zuletzt trägt das im grünen Wahlprogramm entworfene Konzept einer gelockerten Schuldenbremse, die mehr Investitionen als bisher ermöglichen soll, seine Handschrift.

Die Grünen wollen jährlich 50 Milliarden Euro zusätzlich investieren

Zwar hat die FDP bei den Sondierungsgesprächen für die Ampelkoalition schon durchgesetzt, dass aus diesem Plan von Habeck nichts wird, sondern die Schuldenbremse bleibt, wie sie ist. Auch wird es wegen des Widerstands der FDP keine Steuererhöhungen geben. Doch umso dringlicher wollen die Grünen nun einen Finanzminister, der entschlossen nach anderen Quellen sucht, um die jährlich 50 Milliarden Euro zusätzlich aufzutreiben, die sie für den Klimaschutz, den sozialen Ausgleich, die Bildung und die Digitalisierung für nötig halten.

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Zudem ist das Finanzressort auch schon deshalb für jede Partei interessant, weil sein Chef bei allen Gesetzen, die Geld kosten, mitredet – und notfalls ein Veto einlegen kann. Der Finanzminister ist damit im Kabinett das zweitmächtigste Mitglied.

Der zweitstärkste Koalitionspartner stellt den Vizekanzler

Dass nun alles auf Habeck als Finanzminister zuläuft, liegt zunächst an den reinen Größenverhältnissen in der sich anbahnenden Ampelkoalition: Die Grünen sind der zweitstärkste Partner nach der SPD und vor der FDP – und haben daher nicht nur den Anspruch auf den Vizekanzler-Posten, sondern auch auf den zweiten Zugriff bei den Kabinettsämtern – nach dem Kanzlerjob. Und weil man sich in der Grünen-Spitze um Baerbock und Habeck einig ist, dass erstens er Vizekanzler werden soll und zweitens das Finanzressort das wichtigste ist, kann und wird der 52-Jährige beide Ämter für sich beanspruchen.

Eine weitere Niederlage können die Grünen nicht hinnehmen

Zudem haben die Grünen der FDP schon in den Sondierungsgesprächen in so vielen wichtigen Punkten den Sieg überlassen, dass sie eine weitere empfindliche Niederlage gegen die Liberalen schon aus Selbstachtung nicht hinnehmen können. Sie haben ja nicht nur in der Finanzpolitik wesentliche Forderungen auf Druck der FDP fallen lassen, sondern auch das symbolträchtige Tempolimit von 130.

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Viel Konkretes haben sie selber daher noch nicht erreicht. Sogar die besonders von den Grünen gewollte Senkung des Wahlalters auf 16 steht in den Sternen, weil für die dazu nötige Zwei-Drittel-Mehrheit zum Ändern des Grundgesetzes auch viele Stimmen aus der Union erforderlich wären – die aber schon Ablehnung signalisiert hat.

Umgekehrt hat die FDP bereits in den Sondierungen so viel erreicht, dass ihre Verhandlungsposition in Sachen Finanzressort nun eher schwach ist. Natürlich werden die Liberalen in den seit gestern laufenden Koalitionsverhandlungen noch versuchen, ihren Chef Lindner ins Amt zu hieven. Doch sind ihre Mittel begrenzt, um den Grünen und Habeck den Job streitig zu machen.

Mögliche Drohungen der FDP würden nicht verfangen

So würde etwa die bereits kolportierte Drohung, im Gegenzug ein neues Klimaministerium für die FDP zu beanspruchen, nicht verfangen. Zwar hätten auch die Grünen ein solches Ressort durchaus gern unter ihrer Leitung. Doch könnten sie womöglich sogar besser als die FDP damit leben, wenn ein Freidemokrat es führen würde. Denn auch für den würden die vereinbarten Klimaschutzziele gelten. Dafür aber müsste er sich dann mit der Herkulesaufgabe des raschen und massiven Ausbaus von Wind- und Solarkraft herumschlagen.

Schon gar nicht könnte der FDP diesmal die ultimative Drohung eines Verhandlungsabbruchs wie bei den Jamaika-Gesprächen vor vier Jahren helfen. Denn die Liberalen um Lindner haben schon jetzt so viel durchgesetzt, dass sie sich lächerlich machen würden, wenn sie die Ampel-Verhandlungen wegen eines Streits ums Finanzressort platzen ließen.

Olaf Scholz müsste Interesse an grünem Finanzminister haben

Nicht zuletzt müsste auch der designierte neue Kanzler Scholz Interesse an einem grünen Finanzminister haben, der dem Klimaschutz klaren Vorrang einräumt. Zwar ist der SPD-Mann in der Vergangenheit nicht als großer Klimakämpfer aufgefallen – doch hat er sich im Wahlkampf nun als „Kanzler für Klimaschutz“ präsentiert. „Wenn er die Klimakrise wirklich so ernsthaft bekämpfen will, wie er es im Wahlkampf überzeugend erklärt hat, führt eigentlich kein Weg an einem grünen Finanzminister vorbei“, analysierte die „Zeit“ daher in dieser Woche treffend.

Wenn Habeck sagen würde, ich mache es, dann hat er es

Habeck hat mal im Frühjahr über das Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur der Grünen gesagt: „Wenn Annalena Baerbock sagen würde, ich mache es, dann hat sie es, natürlich.“ Dabei verwies er darauf, dass Baerbock als Frau in der feministisch geprägten Partei das Vorrecht habe – und von dem machte seine Mitstreiterin dann ja auch Gebrauch.

Nun gilt für ihn und das Finanzministerium: Wenn Robert Habeck sagen würde, ich mache es, dann hat er es, natürlich. Er muss nur genauso machtbewusst handeln wie seine Ko-Vorsitzende im April. Und alles spricht dafür, dass er es tut.

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