20.000 Euro für Aufenthaltstitel?

Vorwurf der Bestechlichkeit – Ex-Fachgruppenleiter der Ausländerbehörde Nordfriesland vor Gericht

Ex-Fachgruppenleiter der Ausländerbehörde Nordfriesland vor Gericht

Ex-Fachgruppenleiter der Ausländerbehörde vor Gericht

SHZ
Husum / Flensburg
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Durchsuchungs-Aktion im Kreishaus von Nordfriesland: Ein langjähriger Sachbearbeiter der Ausländerbehörde steht weiter unter Verdacht. Foto: Jörg von Berg/shz.de

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Der Ex-Fachgruppenleiter der Ausländerbehörde Nordfriesland muss sich vor Gericht verantworten: Er soll über vier Jahre Aufenthaltserlaubnisse an Asylsuchende verkauft haben. Öffentlich wurde der Fall durch eine spektakuläre Razzia im Kreisha...

Am 24. März 2010 um 8.15 Uhr stürmten 90 Polizisten von Bundespolizei und Landeskriminalamt (LKA) die Ausländerbehörde im Kreishaus von Husum. Über Monate, wenn nicht sogar Jahre, soll es dort illegale Machenschaften gegeben haben, berichteten die Husumer Nachrichten: Der Verdacht: „Ausgerechnet der Leiter der Behörde soll Ausländern gegen Bezahlung Aufenthaltsgenehmigungen erteilt haben.

Vorwurf: Bestechlichkeit in besonders schwerem Fall

Die Staatsanwaltschaft Kiel hat zu diesem Zeitpunkt ein Ermittlungsverfahren wegen Bestechlichkeit in besonders schwerem Fall eingeleitet: Der Tatverdächtige soll das Geschäft mit den falschen Papieren gewerblich betrieben haben.

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Hinter der abgeklebten Glastür sichteten die Beamte vor gut zwölf Jahren hunderte von Akten, Experten des Landeskriminalamts kopierten Festplatten-Daten. Kein Mitarbeiter der Behörde durfte mehr an seinen Schreibtisch oder seine Tastatur. Der verdächtigte Fachgruppenleiter selbst war im Urlaub. Damals erklärte der Sprecher der Bundespolizei, es sei nicht klar, ob der Verdächtige allein gearbeitet habe.

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Nun stehen ab Dienstag, 24. Mai, zwei Männer vor Gericht. Einmal muss der damalige, heute 54 Jahre alte Fachgruppenleiter der Ausländerbehörde vor dem Landgericht Flensburg erscheinen. Und ein 52-Jähriger, der ihm Kontakte zu zahlungswilligen kosovarischen Staatsangehörigen vermittelt haben soll. Der Tatvorwurf: Bestechung, Bestechlichkeit, Amtsanmaßung, Einschleusen von Ausländern. Der Tatzeitraum: 2005 bis 2009.

Erfolglose Asylanträge

Dem Fachgruppenleiter wird vorgeworfen, das Ziel verfolgt zu haben, Menschen aus dem Kosovo, die mit ihren Asylanträgen teilweise keinen Erfolg hatten, „gegen Entgelt Aufenthaltserlaubnisse im Inland zu verschaffen, um sich selbst eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen“, heißt es vom Landgericht. Dazu habe er in 14 Fällen Einreisehistorien und angeblich zuvor erteilte Aufenthaltstitel fingiert. Die gesetzliche Voraussetzung für die Erteilung der Aufenthaltstitel hätte jeweils nicht vorgelegen, so das Landgericht Flensburg.

20.000 Euro für eine Aufenthaltsgenehmigung?

Neben dem zweiten Angeklagten sollen auch weitere, unbekannte Vermittler Menschen aus dem Kosovo an den Fachgruppenleiter vermittelt haben. Die Kontaktpersonen, so auch der jüngere Angeklagte, sollen die Bezahlung in Empfang genommen haben. Aufenthaltstitel sollen sie gegen Bezahlung von je rund 20.000 Euro in Aussicht gestellt, die volle Summe aber nicht immer erhalten haben. Das Geld soll anteilig an den Fachgruppenleiter weitergeleitet worden sein, der später die Aufenthaltstitel in Ausweisdokumente übertragen haben soll. Zudem seien die Menschen aus dem Kosovo aufgefordert worden, ihren Wohnsitz in Nordfriesland anzumelden, um die Zuständigkeit der Behörde vorzutäuschen.

Ein riesiges Netzwerk?

Wie sind die Beamten dem Mann damals auf die Spur gekommen? Ein Polizeisprecher sagte 2010 gegenüber der Husumer Nachrichten: „Bei Routinekontrollen fielen uns Ausländer auf, die erst eine Woche in Deutschland waren, aber schon eine Aufenthaltsgenehmigung hatten.“ Mit dem Anfangsverdacht durchforsteten Ermittler die Datenbank des Ausländerzentralregisters. Auffällig viele Unstimmigkeiten gab es im Kreis Nordfriesland.

Nach dem Prozessauftakt am kommenden Dienstag soll der Prozess an mehreren Tagen im Juni fortgesetzt werden. Warum der Prozess jetzt erst – zwölf Jahre später – stattfindet, war vom Landgericht bisher nicht zu erfahren.

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