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Tourismus in SH: Drei Schatten über der Zukunft

Tourismus in SH: Drei Schatten über der Zukunft

Tourismus in SH: Drei Schatten über der Zukunft

Frank Jung/shz.de
Flensburg
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Wie viel vom touristischen Erfolg lässt die Krise in Folge des Ukraine-Kriegs übrig? Vor dieser Frage steht nicht nur St. Peter-Ording (Foto), sondern die Tourismus-Branche überall im Land Foto: Boris Pfau/shz.de

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Trotz glänzender Übernachtungszahlen im ersten Halbjahr: Touristiker aus Schleswig-Holstein sehen ihre Branche vor großen Herausforderungen. Das hat nicht allein mit Energiekosten und weniger Geld im Portemonnaie von Gästen zu tun, sondern auch mit Kritik aus der einheimischen Bevölkerung.

Noch nie hat es in einem ersten Halbjahr in Schleswig-Holstein so viele Übernachtungen gegeben wie 2022 mit 15,2 Millionen. Kein anderes Bundesland verzeichnet so große Zuwächse. Und trotzdem: In dieser für Schleswig-Holstein so wichtigen Leit-Branche herrscht bei Weitem nicht nur eitel Sonnenschein.

Das hat der 20. schleswig-holsteinische Tourismustag mit gut 200 Teilnehmern gestern im Deutschen Haus in Flensburg deutlich gemacht. Massive Unwägbarkeiten für Nachfrage und Kostenkalkulation durch die Folgen des Ukraine-Kriegs. Akuter Arbeitskräftemangel. Sinkende Tourismus-Akzeptanz durch Einheimische. Diese drei Schatten legen sich über das Erholungsgewerbe.

„Der Schleswig-Holstein-Tourismus ist kein Selbstläufer“, betonte Gastgeber Björn Ipsen, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer SH. „Der Wettbewerb im In- und Ausland ist groß. Herausforderungen wie der Fachkräftemangel, die es schon vor der Pandemie gab, spitzen sich zu; die aktuelle Krise stellt die Branche zusätzlich auf eine harte Probe.“

Verzehnfachte Energiepreise machen ratlos

Ipsen verwies auf um teils verzehnfachte Energiepreise im Gastgewerbe. Die Steigerungen ließen sich nicht komplett an die Kunden weitergeben. „Geschäftsmodelle kommen in diesem Winter ins Wanken“, befürchtet Ipsen. Ein angekündigtes neues Darlehensprogramm des Landes werde kaum reichen.

„Pflicht für die Politik“: Anwerbekampagnen im Ausland

Als „Pflicht für die Politik“ sieht der IHK-Chef, „Schleswig-Holstein für Zuzügler attraktiver zu machen“. Ihm schweben Anwerbe-Kampagnen im Ausland vor, um den Arbeitskräftemangel abzumildern. Diesen betrachten die Betriebe laut touristischem IHK-Branchenbaromerter als größtes Risiko.

Unsicherheit sprach aus den Worten von Catrin Homp, Geschäftsführerin des Tourismusverbands SH: „Die Rahmenbedingungen erweisen sich durch die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine so ungewiss wie nie. Da die Bevölkerung weniger frei verfügbares Einkommen besitzen wird, ist zudem unklar, in welchem Umfang sich das auf den Tourismus bei uns im Land auswirkt.“

Dennoch versuchte es der frisch gebackene Tourismusminister Claus Ruhe Madsen mit Optimismus. „Wir müssen Spaß haben an dem, was wir tun“, predigte der parteilose, aus Dänemark stammende Politiker. Er glaube an das Sprichwort: „Wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, ist das Schlechteste, das man tun kann, den Kopf hängen zu lassen.“

Minister setzt auf Migranten und Langzeitarbeitslose

Mehr Beschäftigte für den Tourismus möchte der Minister vordringlich durch Migranten erschließen, die bereits da sind, durch Frauen, die nach Familienphasen ins Erwerbsleben zurückkehren und durch Aktivierung von Langzeitarbeitslosen. Letzteres setze Geduld voraus: Wenn es mit der Arbeitsdisziplin vielleicht anfangs nicht so gut klappe, dürften Arbeitgeber „nicht gleich gefrustet sein“.

Um Betrieben in der Energiekrise zu helfen, „müssen wir ein simpleres System finden“, ist Madsen überzeugt – und setzt dabei auf eine spontane Wirtschaftsministerkonferenz von Bund und Ländern an diesem Freitag.

Madsen warnt vor Nichtwillkommens-Diskussion

Ein Schwerpunkt des Tourismustages galt der Konflikt-Minimierung zwischen Gästen und Einwohnern. Die im Mai verabschiedete neue Landes-Tourismusstrategie rückt das Thema in den Fokus. Madsen warnte gleichwohl davor, „eine Nichtwillkommens-Diskussion zuzulassen“. Er setzt eher auf intelligentes Management, um Überfüllungs-Tendenzen an einzelnen Orten zu begegnen.

„Teilweise haben wir einen gefährlichen Mix“, beobachtet Frank Simoneit, Tourismusforscher an der Fachhochschule Westküste in Heide. „Es nimmt zu, dass einzelne Gruppen in Orten mit dem Finger aufeinander zeigen. Wir brauchen wieder mehr Miteinander.“ Wege für mehr Akzeptanz sieht er darin, nicht alle Einheimischen über einen Kamm zu scheren. Man müsse sie nach einzelnen Gruppen mit verschiedenen Interessen analysieren, so wie touristische Zielgruppen seit je. Noch gebe es „ein großes Ungleichgewicht in den Kenntnissen über diejenigen, die uns besuchen und denjenigen, die besucht werden.“

Internationaler Trend hin zur lokalen Bevölkerung

International wird der Trend stärker, dass sich Touristiker intensiver der lokalen Bevölkerung zuwenden. Das verdeutlichte die dänische Tourismus-Beraterin Signe Jungersted. Einst als Entwicklungsdirektorin bei der Fremdenverkehrs-Organisation „Wonderful Copenhagen“ tätig, begleitet sie aktuell 20 Tourismusorte in Europa und Amerika bei Demokratie-Projekte, die Einwohner an der touristischen Entwicklung teilhaben lässt. Ausgangspunkt sei die Frage, was Tourismus für die Bevölkerung tun könne und nicht umgekehrt – Leitgedanke: „Tourismus als lokale Ressource“.

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