Grüne und SPD

Spitzenkandidaturen: Die neue Macht der Frauen in den Parteien

Spitzenkandidaturen: Die neue Macht der Frauen in den Parteien

Die neue Macht der Frauen in den Parteien

SHZ
Kiel
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Gilt als äußerst machtbewusst: Monika Heinold ist seit Jahren die führende Frau bei den Grünen im Norden. Foto: Foto: Frank Molter / SHZ

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Bei Grünen und SPD in Schleswig-Holstein entscheiden Frauen über Führungspositionen.

Die Ansage ist klar. „Wir möchten am liebsten diese Regierung anführen“, sagt die Grünen-Politikerin, die gerade den starken Mann ausgebootet hat, der jahrelang das Landwirtschafts- und Umweltministerium in Schleswig-Holstein geführt hat und dabei für Atomfragen und Digitalisierung zuständig war. Den Mann, dem es einige Menschen im Land eher als ihr zugetraut hätten, die Grünen an die Spitze der Regierung zu führen. Doch am Ende bestätigt die Partei, die Entscheidung der starken Frau an der Spitze.

Tun wir einen Moment so als wäre hier nicht von Annalena Baerbock und Robert Habeck die Rede. Denn faktisch zeigen auch die Parteien im Norden, dass starke Frauen an der Spitze über die Spitzenkandidaturen entscheiden – sowohl bei der SPD als auch bei den Grünen. Gerade bei Parteien, die sehr auf Basisdemokratie setzen, ist das ein erstaunlicher Trend.

Heinold und Midyatli treffen Entscheidungen

Grünen-Chef Steffen Regis und seine Co-Vorsitzende Ann-Kathrin Tranziska führen viele Gespräche mit den Spitzen von Partei und Fraktion, in die auch Monika Heinold und Umweltminister Jan Philipp Albrecht einbezogen sind, sagt der Parteichef. „Vermutlich werden wir in der ersten Novemberwoche einen Vorschlag für die Listenplätze 1 und 2 machen“, erklärt Regis. Es werde also eine Doppelspitze geben, aber: „Wir werden klar benennen, wer SpitzenkandidatIn wird.“ Formal entscheidet darüber ein Parteitag im Dezember, auf dem auch die übrigen Listenplätze vergeben werden.

Doch auch wenn die Parteispitze die Entscheidungsgewalt bei sich sieht, hat faktisch Finanzministerin Monika Heinold den größten Einfluss auf die Spitzenkandidatur. „Wenn Sie es machen will, wird ihr das keiner streitig machen“, sagt eine Politikerin, die sie lange kennt. Denn in der Grünen Partei gilt die Frau, die Ende Dezember 63 Jahre alt wird, als die mit Abstand erfahrenste Politikerin. Die ausgebildete Erzieherin ist seit 1984 Mitglied bei den Grünen. 1996 zog sie schon mit der ersten Fraktion in den Landtag ein, hat sich unter anderem als Parlamentarische Geschäftsführerin profiliert. Mehrfach war sie Spitzenkandidatin ihrer Partei. Nach bald zehn Jahren im Amt der Finanzministerin wäre das Amt der Ministerpräsidentin die Krönung ihrer Laufbahn.


In der Vergangenheit hat sich Heinold jedoch stets bedeckt gehalten, wenn es um die Spitzenkandidatur ging. „Dazu werde ich mich äußern, wenn es soweit ist.“ So oder so ähnlich antwortet die Ministerin seit Jahren auf die Frage, ob sie antritt.

Fragt man Menschen, die mit ihr zu tun haben, bekommt man kein eindeutiges Urteil. „Ich hatte den Eindruck, dass es ihr nach vielen erfolgreichen Jahren in der Landespolitik reicht“, sagt einer. Ein anderer meint: „Wenn sie die Chance auf den Chefsessel sieht, wird sie wohl kaum widerstehen können.“

Das geben die Umfragen im Moment nicht her, aber bis zur Wahl im Mai ist ja noch viel Zeit, in der die Grünen wieder an alte Umfragewerte anknüpfen könnten. Zudem hat Heinold mit Jan Philipp Albrecht einen mit 38 Jahren noch vergleichsweise jungen Kabinettskollegen, der nicht unbedingt bei dieser Wahl als Spitzenkandidat ins Rennen gehen muss. Das gilt auch für andere Nachwuchshoffnungen wie die 28 Jahre alte Landtagsvizepräsidentin Aminata Touré.

Gespräche vor den Vorschlägen

Für Regis ist die Kandidatenkür allerdings keine alleinige Entscheidung von Monika Heinold. „Wir als Landesvorstand machen uns in verschiedenen Parteigliederungen ein Stimmungsbild und erarbeiten einen Vorschlag für die Partei – dafür sind wir gewählt.“ Die Vorauswahl widerspreche nicht dem basisdemokratischen Prinzip der Partei.

Auch bei der SPD im Norden wird faktisch ein Parteitag darüber entscheiden, wer am Ende die Liste zur Landtagswahl anführen wird. Seit sich im August der Landesvorstand einstimmig für Thomas Losse-Müller ausgesprochen hat, wird an dieser Entscheidung nicht mehr zu rütteln sein. Die hat Partei- und Fraktionschefin Serpil Midyatli allein getroffen – „nach vielen intensiven Gesprächen“, wie sie mehrfach betont hat – aber eben doch allein. Midyatli war der Meinung, dass der Ex-Grüne mehr Chancen als sie hat, Ministerpräsident zu werden. Unklar bleibt, ob das eine Mehrheit bei einer Mitgliederbefragung, wie es sie vor der Landtagswahl 2012 in der SPD gegeben hat, auch so gesehen hätte.


Letztlich zeigt aber auch dieses Beispiel, dass die Frauen in den Parteien eine andere Rolle spielen. Bei den Grünen im Bund hat Robert Habeck mehrfach signalisiert, dass eine weibliche Kandidatin Vorteile habe – ohne das allein als Kriterium zu erklären. So sagte Habeck nach Baerbocks Kandidatur in einer TV-Sendung: „Die Frage von Gleichberechtigung, von Emanzipation, also der Frauenkarte, ist ein und auch ein entscheidendes Kriterium gewesen“ – wobei der Parteichef das Wort „Frauenkarte“ mit den Fingern in Anführungszeichen setzte.

Allerdings zeigt Midyatlis Entscheidung, dass Frauen dabei nicht nur ihr eigenes politisches Fortkommen im Blick behalten, sondern sich auch für einen anderen Kandidaten entscheiden können. Bald werden wir wissen, welche Entscheidung Monika Heinold getroffen hat. Parteichef Steffen Regis sagt, dass es mehrere interessante Kandidaten gibt. Am Ende komme es darauf an, wer die größten Chancen habe und am geeignetsten für den Job des Ministerpräsidenten sei. Und eins hat die Bundestagswahl laut Regis gezeigt: „Das ist kein Einsteigerjob.“

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