Ungeklärte Morde in Schleswig-Holstein

So arbeitet die Cold Case Unit

So arbeitet die Cold Case Unit

So arbeitet die Cold Case Unit

SHZ
Kiel
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Die Cold Case Unit sichtet alte Akten, sucht neue Ansatzpunkte (Symbolfoto). Foto: dpa/Eisele

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Sie suchen nach Anhaltspunkten, die Generationen von Beamten vielleicht übersehen haben: Die Cold Case Unit ermittelt alte Fälle wie den Mord an der Lübeckerin Bärbel K. komplett neu durch.

Im Oktober 2015 richtete das Kieler Landeskriminalamt (LKA) seine Cold Case Unit ein. Wie LKA-Sprecher Uwe Keller berichtet, war das eine konsequente Umsetzung der Empfehlungen aus den Erfahrungen im Rahmen des NSU-Verfahrens.

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Bei der Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) waren weder Verfassungsschutz noch Polizei in der Lage, in den Tötungen von Kleinunternehmern mit Migrationshintergrund die Taten rechter Terroristen zu erkennen – und das obwohl zwei Münchener Profiler 2006 darauf hinwiesen, die Täter könnten aus Ausländerhass handeln und seien „entweder Brüder oder Brüder im Geiste“. Solche Irrwege bei den über zehn Jahre andauernden Ermittlungen sollte es nicht wieder geben.

Sieben Ermittler arbeiten in der Cold Case Unit

Anfangs arbeiteten zwei Beamte, die zuvor in Mordkommissionen des Landes tätig waren, bei der Cold Case Unit, mittlerweile sind es sieben. Leiter ist Fallanalytiker Jens Vullgraf.

Bevor es die Cold Case Unit gab, nahmen sich die Ermittler der vier Mordkommissionen in Schleswig-Holstein die alten Fälle, wann immer möglich, wieder vor. Doch oft war die Zeit dafür knapp – wegen aktueller Taten. Uwe Keller: „Der entscheidende Vorteil der Cold Case Unit ist, dass aktuelle Fälle keinen Einfluss auf die Bearbeitung haben und dadurch die Ermittlungen in dem Altfall kontinuierlich geführt werden können.“

Die älteste Fallakte stammt aus den 60er Jahren

Die Cold Case Unit hat die Akten auf 180 Fälle auf ihrer Liste, neben Tötungsdelikten sind es 30 Vermisstensachen, bei denen Anhaltspunkte für eine dahinterliegende Gewalttat gesehen werden. Wie wichtig es ist, auch Vermisstenfälle konsequent nachzugehen hat zuletzt der Mord an der Gessthachter Prostituierten Sebat A. (26) gezeigt. Ihre Leiche lag zwei Jahre unentdeckt auf dem Dachboden des Rendsburger Möbelpackers Timo M. (41), die Landespolizei gab Pannen bei der Suche nach Sebat A. zu.

„Ein Schwerpunkt der Fälle der Cold Case Unit liegt zeitlich in den 80er und 90er Jahren“, sagt Keller. Die ältesten Fallakten stammten aus dem Ende der 60er Jahre.

Grundsätzlich bestehe der Anspruch, eine möglichst hohe Zahl von erfassten Fällen zu betrachten. Doch alles kann eben nicht bearbeitet werden, weshalb die vier Mordkommissionen neben ihren aktuellen Fällen auch weiterhin ältere Verfahren bearbeitet. Keller: „Dieses System wird grundsätzlich so weitergeführt.“

Wo gibt es noch Anfasser wie im Fall von Bärbel K. aus Lübeck?

Aber wie entscheidet die Cold Case Unit, welchen der zahlreichen Fälle sie nun genauer unter die Lupe nimmt? „Die Entscheidung erfolgt in Abhängigkeit und nach Vorprüfung des Einzelfalls in enger Absprache mit den Mordkommissionen und Staatsanwaltschaften“, erklärt Keller.

Ferner wird geprüft: Wo gibt es noch Anfasser, welche Fälle haben Asservate mit möglichen Spuren, die den Ermittlern weiterhelfen können. Im Fall der erdrosselten Lübeckerin Bärbel K. (31) waren das neue DNA-Spuren, weshalb sich der aktuelle Fokus der Cold Case Unit primär auf dieses Tötungsdelikt richtet.

Es wird von Anfang an neu durchermittelt

„Das jeweilige Tötungsdelikt wird von Anfang an neu durchermittelt“, berichtet Keller. Das Ziel bestehe darin, neue Ansätze für Ermittlungen herauszuarbeiten oder kriminaltechnische Untersuchungen auf der Grundlage der jetzt bestehenden Möglichkeiten zu initiieren.

Die Beamten suchen dabei mit dem Blick des Außenstehenden auch nach Anhaltspunkten, die Generationen von Beamten vielleicht übersehen haben. Leiter Vullgraf: „Damit übernimmt die Cold Case Unit auch die Rolle einer Qualitätssicherung.“ Und: „Eine Aufklärung ist für die Angehörigen der Opfer nach Jahren der Ungewissheit von großer Bedeutung.“

Noch konnte die Cold Case Unit kein ungeklärtes Tötungsdelikt lösen. LKA-Sprecherin Carola Jeschke: „Es konnten aber Langzeitvermisstenfälle aufgeklärt werden. Die Personen waren noch am Leben, seinerzeit einfach untergetaucht.“

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