Diskussion um Zentralklinikum

Schwangerschaftsabbrüche – Angebot in Flensburg langfristig bedroht

Schwangerschaftsabbrüche – Angebot in Flensburg langfristig bedroht

Angebot in Flensburg langfristig bedroht

SHZ
Flensburg
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Für ungewollt schwangere Flensburgerinnen könnte es in Zukunft schwieriger werden, eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Foto: Mascha Brichta/shz.de

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Pro Familia berichtet von bereits bestehenden Lücken in der Versorgung. Ein Experte sieht die Angebote für ungewollt Schwangere im Raum Flensburg noch ausreichend, aber langfristig bedroht.

Die Pläne für das neue Zentralklinikum haben einige Fragen zum Thema Schwangerschaftsabbrüche aufgeworfen. Denn spätestens mit der Ansage der neuen Krankenhausgesellschaft, diese aus religiösen Gründen nicht mehr vorzunehmen, wurde klar: Wer ungewollt schwanger wird, hat auch in Flensburg mit mehr Hürden zu kämpfen, als es sie gesetzlich ohnehin schon gibt.

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Doch das liegt nicht nur am Klinikum. Es fängt schon damit an, dass das Thema wenig transparent ist. Nicht nur wegen des noch geltenden Paragrafen 219a Strafgesetzbuch, der „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche verbietet. Dieser soll laut Koalitionsvertrag abgeschafft werden. Doch auch die gesellschaftliche Debatte stockt. Schwangerschaftsabbrüche sind und bleiben ein Tabuthema.

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Patientin abgewiesen

So schlug unlängst Pro Familia Alarm: Im Kreis Nordfriesland gibt es aktuell keine Möglichkeit für einen medikamentösen Abbruch. Auch in Flensburg habe sich die Lage sehr verschärft. „Eine Klientin teilte uns mit, dass sie von einer der wenigen noch verbliebenen Flensburger Praxen, die Abbrüche vornehmen, abgewiesen wurde“, teilt Pro Familia mit. „Hintergrund ist eine hohe Nachfrage nach Abbrüchen, die von diesen Praxen nicht mehr zeitnah versorgt werden können.“ Da für einen Abbruch jedoch ein enger zeitlicher Rahmen gesetzt ist, verschärft sich die Situation ungewollt schwangerer Frauen schnell. Die Beratungsstelle erwartet einen Engpass bis Januar 2022.

Welche Frauenärzte Abbrüche vornehmen, geben Beratungsstellen wie Pro Familia direkt an die Schwangeren weiter, an die Öffentlichkeit kommen diese Listen nicht. In der Liste der Bundesärztekammer findet sich für den Bereich Flensburg keine eingetragene Praxis. Dort können Gynäkologen einen Selbsteintrag machen – der nächste ist aus Kappeln. Auf Presseanfragen an mehrere Flensburger Praxen antwortet nur ein Frauenarzt.

Probleme in Nordfriesland und Flensburg

Laut Gynäkologe Gert Kotter gibt es im Raum Flensburg derzeit noch fünf Praxen, die Abbrüche durchführen. Ein Angebot, das generell noch ausreiche, schätzt er. Doch er warnt auch: Langfristig könnten Frauen Probleme bekommen, wenn nicht gegengesteuert wird.

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An der Westküste sei diese Situation offensichtlich bereits eingetreten. „In der letzten Zeit hören wir immer wieder, dass medikamentöse Abbrüche in Nordfriesland nicht mehr angeboten werden und stattdessen überwiegend operativ vorgegangen wird“, so Kotter. „Natürlich finden diese Frauen andernorts Hilfe, aber auf Dauer ist das ein Problem. Mal ganz abgesehen von der zusätzlichen Belastung durch die Fahrerei quer durch das Land und teilweise von den Inseln.“

Behandlung nicht kostendeckend

Für einen medikamentösen Abbruch wird die Schwangere zweimal in der Praxis ärztlich gesehen. Beim zweiten Termin verbleibt die Patientin in der Regel zwei bis drei Stunden in der Praxis mit entsprechender personeller Aufsichtspflicht, wobei separierte Räume mit eigenem Zugang zu einem WC vorhanden sein sollten. „Im Zusammenhang mit einem solchen Thema über Geld zu reden, ist unschön, aber leider notwendig“, erklärt der Frauenarzt. „Nach Abzug der reinen Sachkosten dürften gerade 90 Euro überbleiben. Dass das nicht kostendeckend ist, kann man sich leicht denken. Faktisch dürften die Abbrüche aus anderen Praxisbereichen querfinanziert werden.“ Eine Anhebung des Honorars könnte hier also einer drohenden Unterversorgung entgegenwirken.

Ohnehin werden nach Zahlen von Pro Familia im europäischen Vergleich in Deutschland immer noch zu viele Abbrüche operativ durchgeführt. Dabei sei, so Kotter, wenn immer möglich die medikamentöse Vorgehensweise die bessere Variante. Operative, und damit zusätzlich traumatisierende Eingriffe sollten möglichst vermieden werden. Die Medikamente werden allerdings in einem „völlig überbürokratisierten“ Verfahren über einen Anbieter monopolisiert vertrieben. „Das erklärt die irrsinnigen Kosten von mehr als 90 Euro für Mifegyne und Zusatzmedikamente“, so Kotter. Der Vertreiber des Mittels machte auf Anfrage keine Angaben zu dessen Preisgestaltung.

Mangel entgegensteuern

Operative Abbrüche führen die Helios-Klinik in Schleswig und in kleinerem Umfang auch die Diako Flensburg durch. Pro Familia sieht hier aber, auch vor dem Start des Zentralklinikums, bereits Versorgungslücken.

Gert Kotter fordert, dass einem künftigen Mangel gegengesteuert werden müsse. Dazu brauche es bereits jetzt und abseits künftiger Ergebnisse der politischen Diskussion – eine Bestandsaufnahme der bisherigen Angebote. „Präventions- und Beratungsarbeit muss Teil der Bestandsaufnahme sein, ebenso die Frage der weiteren Verzahnung bereits bestehender sozialer, medizinischer und nicht-medizinischer Angebote“, so Kotter.

Als Beispiel nennt er die guten Beratungsangebote in Flensburg, die der betroffenen Frau, dem betroffenen Paar, helfen könnten, die für sie richtige Entscheidung zu treffen. Fiele nach hinreichender Bedenkzeit die Entscheidung gegen eine Fortführung der Schwangerschaft, dann könnte eine Verbesserung der Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten durchaus helfen, unnötige Terminsuche, Warteschleifen und letztlich Zeitverluste zu vermeiden. Das helfe dabei, unvermeidbare Abbrüche möglichst früh und damit so wenig traumatisierend wie möglich durchzuführen. Und wenn die Frau sich für das Kind entscheidet, ergänzt Kotter braucht sie auch dafür ein abgestimmtes Unterstützungs- und Beratungsangebot.

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