Sie vergessen sie ein Gesicht

Schleswig-Holstein: Polizei plant Einsatz von Super-Recognizern

Schleswig-Holstein: Polizei plant Einsatz von Super-Recognizern

SH: Polizei plant Einsatz von Super-Recognizern

SHZ
Kiel
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Sich Gesichter einzuprägen ist ein Talent der Super-Recognizer. Foto: University of Greenwich (2); Adobe Stock / Illustration: Martin Jahr/shz.de

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Nach Terroristen oder Schwerkriminellen sucht die Polizei mit Fahndungsfotos. Super-Recognizer können Gesuchte besonders gut identifizieren. Im Norden könnten sie bald im Einsatz sein.

Sie schlagen jede Gesichtserkennungssoftware: Super-Recognizer sind phänomenal gut darin, Menschen wiederzuerkennen. Das Kieler Landeskriminalamt (LKA) prüft jetzt, ob Schleswig-Holstein Beamte für diese spezielle Art der Fahndung einsetzt.

Ein wenig ist es wirklich wie eine Superkraft: Menschen mit der Super-Erkenner-Begabung sind in der Lage, sich an Gesichter zu erinnern, selbst wenn sie diese vor Jahren lediglich für wenige Sekunden, nur halb oder nur auf einem verwackelten Bild gesehen haben. Sie können diese Personen dann trotzdem identifizieren, sogar in großen Menschenmengen.

Erste Super-Recognizer-Einheit wurd bei Scotland Yard gegründet

Die erste Super-Recognizer-Einheit wurde vor zehn Jahren bei Scotland Yard in London gegründet. Sie hat unter anderem die Männer gefunden, die hinter der Vergiftung des Ex-Spions Skripal und seiner Tochter steckten. In Deutschland war die Münchner Polizei Vorreiter, sie forschte als erste in ihren Reihen nach Beamten mit dieser ganz besonderen Fähigkeit. Mittlerweile sind dort 25 Super-Recognizer im Einsatz.

Landeskriminalamt: „Wir haben das Potential erkannt“

„Wir haben das Potential erkannt und unser kriminaltechnisches Institut hat Mitarbeiter zum Polizeipräsidium München entsandt, um sich über Möglichkeiten und Grenzen beim Einsatz von Super-Recognizern zu informieren“, sagt LKA-Sprecher Uwe Keller. Ziel sei es, mit Hilfe der Erfahrungen aus München ein Konzept für Schleswig-Holstein zu entwickeln. Zeitgleich hätten sich die LKA-Experten mit der Kieler Christian-Albrecht-Universität in Verbindung gesetzt, die zu diesem Thema forscht. Keller: „Wir haben die Ergebnisse mehrerer Studien im Hinblick auf die polizeiliche Anwendbarkeit beobachtet und den Kontakt gesucht.“

Bevor das Landeskriminalamt auf Super-Recognizer setzt, will es Klarheit darüber, wie sich diese Methode evaluieren lässt, wie hoch die rechtliche Aussagekraft von Identifikationen ist und wie ein Testverfahren aussehen müsste, für das Polizisten sich dann bewerben können. „Der Einsatz von Super-Recognizern ist ja eine noch junge Methode, Fahndungsmaßnahmen zu verbessern“, erklärt Keller.

Gefährder und Terroristen erkennen

Bei der Verfolgung welcher Straftaten könnten Super-Recognizer sinnvoll sein? Keller: „Der Einsatz ist in nahezu allen Bereichen der Fahndung nach Personen denkbar.“ Also zum Beispiel bei Demonstrationen, bei Fußballspielen oder im dichtesten Getümmel der Kieler Woche. Es wäre etwa möglich, bekannte Gefährder oder Terroristen frühzeitig zu identifizieren.

Super-Recognizer können bereits etliche Erfolge vorweisen. Die Münchner Beamten fassten einen Sexualstraftäter, der in der S-Bahn einen Zwölfjährigen sexuell belästigt hatte, außerdem zwei Mitglieder einer Bande, der über 450 Handtaschendiebstähle in Supermärkten zur Last gelegt werden. Dem Polizeipräsidium Stuttgart, das bereits ebenfalls Super-Recognizer einsetzt, gelang es, nach der Stuttgarter Krawallnacht im Juni 2020 rund 70 Gewalttäter und Randalierer auf den verwackelten Aufnahmen dieser Stunden zu identifizieren.

Begabung ist vermutlich angeboren

Was macht Menschen zu Super-Erkennern? Die Psychologin Lara Aylin Petersen von der Christian-Albrechts-Universität, die zum Thema Gesichtserkennungsfähigkeiten promoviert, hält diese Begabung für angeboren. Warum einige Menschen darin so außergewöhnlich gut seien, wisse man noch nicht. Es spreche aber viel dafür, dass bei Super-Recognizern gleich mehrere Prozesse im Gehirn etwas anders ablaufen könnten.

Wann die ersten Super-Recognizer-Polizisten in Schleswig-Holstein mit der Fahndung beginnen könnten, ist noch offen. „Das Thema wird in verschiedene Gremien der Landespolizei Schleswig-Holstein bearbeitet“, sagt LKA-Sprecher Keller. „Gegenwärtig ist es noch zu früh, über den Zeitpunkt des Einsatzes Aussagen zu treffen.“


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