Mit dem Autozug nach Sylt

„Der Rückstau in Westerland wird sich im nächsten Jahr deutlich verringern“

„Der Rückstau in Westerland wird sich im nächsten Jahr deutlich verringern“

„Der Rückstau in Westerland wird sich im nächsten Jahr deutlich verringern“

SHZ
Sylt
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Syltshuttle Autoverladung Westerland: Mehrere Stunden Wartezeit auf Sylt Foto: syltpicture Foto: 90037

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Der blaue Autozug rollt am 18. Oktober genau fünf Jahre zwischen Niebüll und Westerland. Die beiden Geschäftsführer, Markus Hunkel und Torge Nielsen, blicken zurück und sagen, was besser wird.

Am Montag, 18. Oktober, ist es genau fünf Jahre her, dass Syltreisende zum ersten Mal wählen konnten, mit welcher Zugfarbe sie die Insel erreichen möchten: Um 9.25 Uhr schickte der private Bahnbetreiber RDC damals zum ersten Mal ab Westerland einen blau lackierten Autozug mit Fahrgästen an Bord auf die Strecke.

Elf Fahrzeuge rollten auf den zunächst nur 300 Meter langen Kurzzug. Wegen umfangreicher Gleisbauarbeiten an der Syltstrecke und im Bahnhof Westerland konnte der neue DB-Konkurrent zunächst nur mit einem eingeschränkten Angebot zwischen Festland und Insel pendeln. Mit Beginn des Winterfahrplans startete ab 11. Dezember 2016 der reguläre Betrieb mit zunächst 14 Fahrten täglich über den Hindenburgdamm. Tickets wurden noch aus Papier von Abreißblöcken verkauft.

Seitdem hat sich viel getan. Zum Jubiläum blicken die beiden Geschäftsführer der RDC Autozug Sylt GmbH, Markus Hunkel und Torge Nielsen, auf die Entwicklung der vergangenen fünf Jahre zurück und verraten, was es in Zukunft Neues gibt.

Wie fällt Ihre Bilanz nach fünf Jahren aus?

Hunkel: Wir haben für die Region 104 neue Arbeitsplätze und unseren Mitarbeitern ein Zuhause in der RDC Familie geschaffen. Ob Lokführer, Einweiser und Verladeschaffner, die Mitarbeiter auf den Terminals, in Vertrieb, Marketing, Planung oder in der Verwaltung – wir machen mit unseren engagierten Teams alles selbst aus einer Hand. So konnten und können wir Innovationen agil einführen und auf Fahrgastwünsche und Herausforderungen stets fix reagieren. Dies ist zusammen mit unserem konsequent freundlichen Umgang mit Fahrgästen ein wesentlicher Grund für unseren Erfolg.


Was waren wichtige Meilensteine?

Nielsen: Ein Meilenstein war sicherlich, als wir im Februar 2018 als Eisenbahnverkehrsunternehmen mit eigenen Sicherheitsbescheinigungen anerkannt wurden. Damit wurden wir unabhängig von externen Partnern.


Hunkel: Mich macht stolz, dass wir für unsere Kunden erfolgreich Innovationen entwickelt haben, die einst als „unmöglich“ galten und heute zum Standard zählen. Dazu gehört zum Beispiel die Einführung der Online-Ticketbuchung inklusive Reservierung, die wir schon seit Sommer 2017 anbieten – übrigens zum unveränderten Online-Sparpreis ab 19,90 Euro. Mit diesem Instrument sind wir Vorreiter bei der Steuerung der Anreise, erfreulicherweise hat der DB Sylt Shuttle nun nachgezogen. Ebenfalls ein Meilenstein war der Start der Mitnahme von Lkw und Wohnwagen im Juli 2019 – seitdem befördern wir Fahrzeuge aller Größen. Wenn eine Idee möglich ist, dann gilt „Geht nicht, gibt’s nicht“ – und im Interesse von Inseln und Fahrgästen haben wir mancher Widerstände zum Trotz unser Angebot und unsere Services kontinuierlich ausgebaut. Wir treten ja nicht zuletzt an, zu zeigen, dass Wettbewerb auf der Schiene gute Lösungen bringt und den Fahrgästen nützt. Es gibt doch kaum ein größeres Kompliment, als wenn der große Wettbewerber unsere guten Ideen übernimmt.

Nielsen: Ein weiterer Meilenstein ist auch unser stabiler Fahrplan. Seit 2018 können wir bis zu 24 Abfahrten täglich anbieten, unsere Kunden können alle 60 bis 90 Minuten bei uns an Bord auf die Insel oder aufs Festland fahren. Der blaue Autozug Sylt befördert aktuell etwa 35 Prozent aller Fahrzeuge, die auf Autozügen zwischen Niebüll und Westerland täglich unterwegs sind.


Wie zufrieden sind Sie mit dem bisherigen Jahr in puncto Staus?

Hunkel: Von wenigen Ausreißern an extremen Anreisetagen abgesehen, ist es beiden Autozuganbietern in diesem Jahr durchaus gelungen, den Verkehr besser als in den Vorjahren zu steuern. Wir dokumentieren jeden Stau vor den Terminals in Niebüll und Westerland – 2021 betrug die maximale Länge ca. zwei Kilometer, in den Jahren zuvor waren es vereinzelt bis zu neun Kilometer.


Da werden einige Autozugnutzer eine andere Wahrnehmung haben...

Hunkel: Niemand steht gern im Stau, und ich kann absolut nachempfinden, dass man bei Wartezeiten verärgert ist und die Dinge subjektiv wahrnimmt. Fakt ist aber, dass Häufigkeit und Länge von Staus vor allem dank der Reservierungen abgenommen haben und wir dieses Thema ein ganzes Stück besser in den Griff bekommen haben als in den Vorjahren. Das ist messbar. 80 Prozent der Reservierungskapazitäten von uns und vom DB Sylt Shuttle waren an starken Anreisetagen ausgebucht. Außerdem können die Fahrgäste online in Echtzeit sehen, zu welchen Zeiten überhaupt noch Tickets verfügbar sind. Klar ist dennoch: Wer an solchen Peaktagen nicht reserviert, Hinweise zu ausgebuchten Zügen ignoriert und aufs Geratewohl losfährt, riskiert längere Wartezeiten.

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Nielsen: Und Staus sind ja nicht allein ein Thema der Autozuganbieter. Wenn wir dauerhaft verhindern wollen, dass zu viele Fahrzeuge zur selben Zeit auf die Autozüge drängen und dadurch Staus entstehen, geht das am besten gemeinsam mit der Insel. Wir brauchen da die Unterstützung der Hotels und Ferienunterkunftsanbieter. Wenn sie ihren Gästen, die an Peaktagen anreisen, die frühzeitige Reservierung des Autozugs ans Herz legen, alternativ die Anreise zu Randzeiten empfehlen und sich selbst bestmöglich flexibel für die Anreise zeigen, hilft das sehr. Da sollten wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen.

Aber was nützt es, wenn ich reserviert habe und dann trotzdem im Stau stehe?

Hunkel: Mehr als 90 Prozent unserer Reisenden mit Reservierung erreichen genau den Zug, den sie gebucht haben. Es funktioniert also. Für alle anderen Fälle haben wir vor Ort kulante und kundenfreundliche Lösungen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir das Instrument der Reservierungen zur Verkehrssteuerung ja im ersten Jahr mit der DB zusammen nutzen können. Das muss sich noch einspielen in Abläufen und im Buchungsverhalten der Reisenden. Dennoch: Ich finde einen Tenor allgemeiner Empörung nicht angemessen. Uns ärgert auch jeder Stau und wir arbeiten an Verbesserungen. Die Erwartung aber, dass es zu Ferienbeginn in touristischen Gebieten – ob auf Sylt oder am Brenner in Italien – zu keiner Zeit Stau geben wird, halte ich für unrealistisch.

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Kunden wünschen sich die Anerkennung der Fahrkarten für beide Autozüge. Ist das realistisch?

Hunkel: Es hat dazu schon vor Jahren Gespräche gegeben und wir sind nicht diejenigen, die sich verwehren. Aber es gibt wohl juristische und wettbewerbsrechtliche Einwände.


Wie klappt die Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn?

Hunkel: Es ist inzwischen ein respektvolles und vertrauensvolles Miteinander. Das war nicht von Anfang an so, das haben wir uns erarbeitet. Es gibt einen festen, regelmäßigen Dialog mit den Kollegen des DB Sylt Shuttle. In kritischen Transportsituationen verstehen wir uns als Schicksalsgemeinschaft und versuchen gemeinsam, die beste Lösung für die Kunden zu finden. Das hat sich bewährt. Die Legende, dass man sich bekämpft, entspricht längst nicht mehr der Realität. Wir bleiben natürlich trotzdem Wettbewerber und jeder setzt sich für die beste Idee ein – dies passiert aber niemals auf dem Rücken der Kunden.

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Was läuft aus Ihrer Sicht nicht gut?

Hunkel: Was die Infrastruktur der DB Netz betrifft, ist dieses Jahr das Schwierigste, das ich seit 2018 erlebt habe. Wenn auf einer viel befahrenen und aufgrund der teilweisen Eingleisigkeit sehr sensiblen Strecke in der Hauptsaison zeitweise alle zwei Tage ein Bahnübergang gestört ist, ein Stellwerk ausfällt oder eine Weiche nicht funktioniert ist, ist das nicht akzeptabel. Auch hier ist der Dialog mit DB Netz ehrlich und respektvoll, aber man muss Probleme ja trotzdem beim Namen nennen. Jeder Akteur auf der Strecke ist gefordert, hier seinen Beitrag zu leisten.

Was sind die nächsten Ziele?

Hunkel: Wir werden unsere Flotte von derzeit 60 um acht neue, breitere Lkw-Transportwagen aufstocken. Dadurch können wir unsere Fahrzeugkapazität schon im kommenden Jahr um zehn Prozent pro Zug erhöhen. Ansonsten liegt uns das Thema Nachhaltigkeit weiter am Herzen. Wir bieten ja schon jetzt mit unseren blauen Siemensloks „Anne“ und „Debbie“ die verbrauchsärmsten und leisesten dieselelektrischen Lokomotiven auf dem Hindenburgdamm. Wir achten auf zertifiziertes Umweltpapier bei unseren Flyern und engagieren uns sozial, haben beispielsweise in diesem Jahr den Trimm-dich-Pfad in Westerland unterstützt. Mit unserem Personennachtzug Alpen-Sylt-Nachtexpress bieten wir zudem eine umweltfreundliche Anreisealternative auf der Langstrecke per Zug. Und Syltern die Möglichkeit, bequem über Nacht nach Süddeutschland, Österreich und die Schweiz zu kommen.


Nielsen: Außerdem wird in diesem Herbst der Terminal in Westerland umgebaut, wodurch beide Autozuganbieter zusätzlich Stellfläche für etwa 300 Fahrzeuge auf dem Terminal gewinnen. Das wird Rückstau in Westerland zu Peakzeiten deutlich verringern. Im Zuge des Umbaus wird der blaue Ticketcontainer an Spur 6 auf der Zufahrt abgebaut und wir ziehen mit unserer Abfertigung künftig auf die Spuren 1 und 2 nach links, nutzen also künftig feste Verkaufshaus unter dem Dach. Der Sylt Shuttle rückt dafür weiter nach rechts.

Wie feiern Sie Ihr fünfjähriges Bestehen?

Nielsen: Wir haben alle Mitarbeiter der RDC-Familie für den 16. November zu einem Jubiläumsfest mit Abendprogramm und Live-Musik in unseren Betriebshof in Niebüll eingeladen. Es wird das erste Zusammentreffen von uns nach der Pandemie sein. Darauf freuen wir uns sehr – und das Fest ist ausdrücklich ein Dankeschön an unser Team, das den blauen Autozug Sylt in den vergangenen fünf Jahren gemeinsam zum Erfolg geführt hat.

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