Nationalpark in Nordfriesland

Die Pellwormer Hellmann-Brüder führen Gäste in die Schutzzone des Wattenmeers

Die Pellwormer Hellmann-Brüder führen Gäste in die Schutzzone des Wattenmeers

Pellwormer führen Gäste in die Schutzzone des Wattenmeers

SHZ
Nordfriesland
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Die Hellman-Brüder Johann und Andreas mit ihrem vor drei Jahren verstorbenen Vater. Foto: Frank Clausen/shz.de

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Sie haben Zugang zu den Sänden mit Betretungsverbot: Die Pellwormer Hellmann-Brüder dürfen Besucher in die Schutzzone 1 des Wattenmeers führen und wollen so das Bewusstsein schaffen für dessen einzigartige Natur.

Mitten im nordfriesischen Wattenmeer vor der schleswig-holsteinischen Küste liegt die Marscheninsel Pellworm, umgeben von einer einzigartigen Naturlandschaft, die im Jahr 2009 von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt wurde und in dieser Größe auf der Welt einmalig ist. Wegen der Vielfalt der in ihr lebenden Tiere und Pflanzen und ihrer Landschaftsform gilt das Wattenmeer für Einheimische und Touristen als Traumgebiet, das seit Jahrhunderten einem ständigen Wandel unterworfen ist und auch in Zukunft sein wird.

Bootstouren in die Verbotszone

Die Schönheit und Faszination dieser Landschaft hat schon vor Jahrzehnten der ehemalige Fischer und gebürtige Pellwormer Siegfried Hellmann erkannt und ihn dazu bewogen, diese sehenswürdige Region Urlaubsgästen zu zeigen und Bootstouren durch das nordfriesische Wattenmeer zu ermöglichen.

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Seit 1986 hat die Familie Hellmann vom Nationalparkamt die Genehmigung erhalten, einen Teil des großen Areals – nämlich die den Inseln und Halligen vorgelagerten Sände, für die sonst totales Betretungsverbot gilt – in der Schutzzone 1 des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer aufsuchen zu dürfen.


Als einziges Unternehmen in diesem Bereich hat die Familie eine Sondergenehmigung, mit limitierten Bootstouren und einer begrenzten Anzahl von Personen einen Sand anzusteuern und dort zu wandern.

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Ziel ist der etwa sieben Kilometer lange und zwei Kilometer breite Sand nahe der Vogelinsel Norderoog, der mittlere von den drei wie eine Kette von Nord nach Süd sich erstreckenden Sänden Japsand, Norderoogsand und Süderoogsand. Nachdem der Vater Siegfried Hellmann 2018 verstarb, übernahmen die beiden Söhne Andreas und Johann den Betrieb und bieten seitdem interessierten Naturliebhabern dieses einmalige Erlebnis.

Mit einem kleinen Holzschiff durchs flache Watt

Von der Nordspitze Pellworms, dem Anleger Hooger Fähre, führt die etwa 60-minütige Schiffstour mit dem eigens für das flache Wattenmeer auf der Husumer Werft gebauten kleinen Holzschiff, das den passenden Namen „Gebrüder“ trägt, vorbei an der Pellwormer Küste mit dem imposanten Kirchturm aus rotem Backstein durch verschiedene Priele zum Norderoogsand. Nach dem Ausbooten folgt eine etwa anderthalbstündige Wanderung von der Südspitze in westlicher Richtung zur offenen Nordsee, auf der Andreas Hellmann den Gästen vielerlei Informationen gibt, nachdem die Strecke vorher auf der Karte erläutert wurde.

Er weist nicht nur auf die verschiedenen Muschelarten hin, sondern lenkt den Blick auch auf die anderen Sehenswürdigkeiten in der Umgebung – wie beispielsweise auf die Vogelinsel Norderoog mit den beiden auf Pfählen stehenden Holzhütten als Unterkunft für die Vogelwärter, auf die vor vier Jahren versetzte Leuchtbake auf Süderoogsand sowie die kleine Hallig Süderoog, auf den weißen Strand der Insel Amrum und auf die mittlerweile gut erkennbare sogenannte „Neue Insel“ im Nordosten von Norderoogsand, die mit einer Größe von rund 14 Hektar und schon bis zu drei Meter hohen Dünen selbst bei höchsten Sturmfluten nicht mehr überspült wird und mehr als 100 Pflanzenarten, viele Brut- und Rastvogelarten sowie Robben beherbergt.


„Diese Insel ist für den Küstenschutz von sehr großer Bedeutung“, sagt Andreas Hellmann als versierter Kenner und aufmerksamer Beobachter des nordfriesischen Wattenmeeres. „Die von der offenen Nordsee heranrollenden Wellen werden so gebrochen, mindern dadurch nachhaltig die Gewalt der Sturmfluten und tragen damit maßgeblich zum Schutz der grünen Deiche von Pellworm bei.“

Auf der Suche nach goldenem Harz

Er führt seine Gäste auch zu den Stellen, wo kaffeesatzähnlicher „Grus“ sowie kleine, abgerundete schwarze Holzstückchen auf eventuelles Vorkommen von Bernstein hindeuten. Sobald der erste, auch noch so kleine Stein gefunden wird, beginnt bei den Gästen eine fieberhafte Suche nach dem wertvollen Gut – und ab dann laufen sie erfahrungsgemäß nur noch mit gesenktem Kopf über den Sand. Zu Hause besitzen die Hellmanns einige Schränke voll mit dem goldenen Harz der Bäume, auch faustgroße Brocken, die im Laufe eines halben Jahrhunderts bei den vielen Touren gefunden wurden.

Seine lebendigen Erzählungen berichten auch über die Funde von Schiffswracks wie der 1870 auf dem Süderoogsand gestrandeten spanischen Bark „Ulpiano“, die erst vor kurzem wieder sichtbar geworden ist. Immerhin sollen im Lauf der Zeit über 500 Schiffe rund um Pellworm gestrandet sein. Zu den Funden gehören auch dänisch-norwegische Silbermünzen aus dem 18. Jahrhundert oder 200 Jahre alte Weinflaschen.

In jüngster Zeit waren es im Jahr 2017 einige Hundert Überraschungseier, die an die Gästekinder verschenkt wurden, oder auch Apfelsinen, Surf-Bretter und -Zubehör oder auch Rettungsringe von Schiffen aus Dublin, Istanbul und sogar Petersburg. Aber es gibt auch eine Vielzahl von großen Teilen aus Plastik wie meterlange Kunststoffrohre, Plastikplanen und Fischernetze, die auch Arved Fuchs im Rahmen seiner vorjährigen Aktion „Ocean Change“ bei seiner Tour zum Norderoogsand mit den Hellmannbrüdern förmlich ausbuddeln musste.

Strände ökologisch sauber halten

Darüber hinaus betrachten es die Gebrüder Hellmann als ihre vornehmliche Aufgabe, die Sände ökologisch sauber zu halten und suchen so den Spülsaum nach jeglichen Schadstoffen wie Ölfässern und sonstigen Kanistern mit häufig giftigen Chemikalien ab, die dann entsorgt werden müssen.


Das zweite Highlight der Fahrt sind die vielen Robben, die zu Hunderten auf den Sänden liegen und sich in der Sonne räkeln. Sie kennen das blau-weiße Schiff mit den Gästen an Bord und nehmen kaum Notiz von ihm. Die Gäste wiederum zücken ihre Fotoapparate und machen ein Foto nach dem anderen für das Urlaubsalbum von den sonst so weit entfernten Seehunden und Kegelrobben.


Zwei unterschiedliche Charaktere

Der ältere Bruder, Johann Hellmann, ist der Schiffsführer, ein Nordfriese mit markantem Aussehen, durchaus freundlich und auskunftsbereit, aber dennoch etwas zurückhaltender als sein erzählfreudiger jüngerer Bruder – wahrscheinlich bedingt durch seine Aufgabe als Kapitän, der zwar mit einer gewissen Lässigkeit das Ruder hält, aber ständig in Fahrtrichtung und zwischendurch immer wieder kurz auf die Instrumente blickt.


Denn nur zu leicht besteht bei mangelnder Konzentration für den Schiffsführer die Gefahr, mit seinem Kutter irgendwo in den sich ständig verändernden kleineren und größeren Prielen aufzulaufen und bei ablaufendem Wasser stecken zu bleiben in der amphibischen Landschaft im Wechsel von Ebbe und Flut.

Klimawandel beschleunigt Strömung

„Wir sind froh, dass wir den Nationalpark haben“, lobt der umweltbewusste Andreas Hellmann diese einmalige Schutzzone im Wattenmeer. „Die Zusammenarbeit mit dem Nationalparkamt verläuft reibungslos, und es hat beim Betreten dieser hochsensiblen Zone durch die Gäste unter unserer Aufsicht noch nie Probleme gegeben. Die Abstände zu den Seehunden werden genau eingehalten, kein Müll auf dem Sand oder Wasser hinterlassen und in der anschaulichsten Form bei den aufgeschlossenen Gästen für Natur- und Umweltschutz geworben.“

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Auf ein ganz anderes Problem weisen die beiden Hellmannbrüder allerdings – wie sie sagen – schon seit Jahrzehnten hin: Sie haben beobachtet, dass durch den Klimawandel die Strömungsgeschwindigkeit im Wattenmeer insbesondere zwischen dem Norder- und dem Süderoogsand dramatisch zugenommen hat. „Die damit einhergehende Vertiefung der Priele und eine zunehmende Verstärkung der Wellen führen erfahrungsgemäß zu einer ernsten Gefahr für die grünen Deiche der Insel Pellworm“, so Andreas Hellmann.

Als ganz wesentlich sehen sie daher die Notwendigkeit an, die Deiche der ohnehin etwa 1,20 Meter unter dem Meeresspiegel liegenden Insel auf mindestens 9,50 Meter zu erhöhen. „Auch in Zukunft müssen unsere Kinder und nachfolgenden Generationen auf Pellworm sicher leben können“, fordern die beiden Naturschützer.

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