Urlaubsexperten und Politik warnen

Nord-Gastgeber überdrehen die Preisschraube

Nord-Gastgeber überdrehen die Preisschraube

Nord-Gastgeber überdrehen die Preisschraube

SHZ
Kiel
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Der Norden kann in diesem Jahr über Urlauber-Interesse nicht klagen. Foto: Christian Charisius Foto: 90037

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Schleswig-Holsteins Hotels 22 sind im Durchschnitt um Prozent teurer als vor zwei Jahren. Das lässt die Zufriedenheit von Urlaubern sinken. Fachleute sorgen sich um eine Bereitschaft zu erneuten Besuchen.

Urlaubsanbieter aus Schleswig-Holstein haben die Corona-bedingt boomende Inlandsnachfrage teils für überzogene Preissprünge genutzt. Zu diesem Ergebnis gelangt das „Tourismusbarometer“ 2021, das der Tourismusverband und der Sparkassen- und Giroverband Schleswig-Holstein vorgestellt haben.

Innerhalb von zwei Jahren 20 Prozent Aufschlag

Demnach sind Hotelzimmer zwischen Nord- und Ostsee sowohl 2020 als auch 2021 um jeweils elf Prozent teurer geworden. Eine Übernachtung kostet damit im Mittel 130 Euro und satte 45 Euro mehr als im Bundesdurchschnitt. Nur in Mecklenburg-Vorpommern müssen Hotelgäste noch mehr berappen.

SH fällt im Ranking von Platz 8 auf 12

Trotz der marktwirtschaftlichen Logik, dass knappe Güter teurer werden, warnt Karsten Heinsohn vom Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Institut für Fremdenverkehr (dwif) eindringlich vor der Beobachtung. Das Preis-Leistungs-Verhältnis müsse stimmig bleiben, wenn Gäste mehr zahlen sollen, sagte er. Das tut es aber offenbar nicht: Schleswig-Holstein ist in dieser Kategorie innerhalb eines Jahres von Platz acht auf Platz zwölf der Bundesländer gefallen. Dem liegt die Beurteilung durch repräsentativ ausgewählte Urlauber zu Grunde. Auch beim Service rutschte Schleswig-Holstein von Platz 3 auf Platz 7. „Diese Abstürze zeigen, wie sensibel die Urlauber reagieren“, stellte Heinsohn fest.

Daten für die Preispolitik von Ferienwohnungen und Camping hat er zwar nicht. Erfahrungsgemäß sei aber „generell für den Markt anzunehmen, was preislich für die Hotels gilt“.


Die Vorsitzende des Tourismusverbands, Stephanie Ladwig, und Tourismusminister Bernd Buchholz riefen ebenfalls dazu auf, „die Preisschraube nicht zu überdrehen“. Es sei „keineswegs sicher, dass die Gäste alle wieder nach Schleswig-Holstein kommen“, glaubt Buchholz. Auch wenn der „Echte Norden“ – wie bereits berichtet – durch die Corona-Pausen deutlich weniger Übernachtungen eingebüßt hat als das sonstige Deutschland, bewertet Buchholz die Herausforderungen für die Zukunft als „extrem groß“. Der Appell des FDP-Politikers: „Es geht jetzt um Verstetigung statt um Ausruhen auf Lorbeeren. Investitionsbereitschaft ist gefragt.“


Heinsohn verwies neben der Preisfrage auf große Marketing-Kampagnen Spaniens und anderer Auslands-Konkurrenten, die verlorenes Terrain wieder wettmachen wollen. „Die Anbieter im Norden müssen weiter Gas geben, um für das kommende Jahr gerüstet zu sein“, predigt der dwif-Forscher. „Dass der Boom anhält, ist kein Selbstläufer“.

Jeder sechste Betrieb hat kein Geld für Investitionen

Allerdings erklärten 60 Prozent der für das Tourismusbarometer befragten Betriebe, sie hätten keine Mittel für Investitionen. Zumindest gibt es erste Anzeichen, dass die befürchtete Insolvenzwelle ausbleiben könnte. Daten dazu werden erst Ende des Jahres erwartet. Immerhin erklärte jedoch die große Mehrzahl der Befragten, die staatlichen Coronahilfen seien ausreichend für ihr Überleben. Von 1,1 Milliarden Euro für Unternehmen in Schleswig-Holstein sind 486 Millionen ans Gastgewerbe geflossen.

Arbeitskräftemangel ist die größere Herausforderung

Eine größerer Herausforderung als das Kapital ist nach Überzeugung von „Tourismusbarometer“-Autor Heinsohn der nochmals eklatant verschärfte Arbeitskräftemangel der Branche. Auch wenn die Zahl der sozialversichungspflichtig Beschäftigten nur um 4,5 Prozent zurückgegangen ist, so ist doch jeder fünfte Ausbildungsplatz unbesetzt – mit Folgewirkung für die nächsten Jahre. Es brauche eine „konzertierte Aktion“ von Verbänden und Politik, um gegenzusteuern.

Gute Aussichten für den Herbst

Trotz aller offenen Baustellen: Für diesen Herbst und Winter sind die Vorzeichen günstig, wenn keine neuerlichen Corona-Bremsen dazwischenhauen: Die Quartiere verzeichnen eine für die Jahreszeit außergewöhnlich gute Buchungslgae. Sowohl Heinsohn als auch Buchholz sehen die Chance, das Vorkrisen-Niveau zu übertreffen.


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