Autorin Marlies Jensen-Leier

Neues Buch: Vorwärts und rückwärts durch Schleswig

Neues Buch: Vorwärts und rückwärts durch Schleswig

Neues Buch: Vorwärts und rückwärts durch Schleswig

SHZ
Schleswig
Zuletzt aktualisiert um:
Die Autorin Marlies Jensen-Leier hat einen Plan für Schleswig. Foto: Joachim Pohl/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Die streitbare Holm-Bewohnerin Marlies Jensen-Leier hat ein ganz besonderes Buch über ihre Heimatstadt geschrieben – mit einem nostalgischen Rückblick in die 1960er Jahre und einem kritischen Blick nach vorn.

Das Buch hat einen ganz praktischen Vorteil: Man kann es von beiden Seiten lesen oder durchblättern. Denn eigentlich hat Marlies Jensen-Leier, Fischer-Tochter vom Holm und engagierte Kämpferin für ein klimafreundliches Schleswig, zwei Bücher geschrieben – „Schleswig um 1960“ und „Ein Plan für Schleswig“.


Die Autorin war 1960 gerade mal zehn Jahre alt, aber Erinnerungen an die Kindheit sind oft die stärksten. Und so nimmt Marlies Jensen, die erst viel später den Ökelnamen ihres Vaters „Leier“ an ihren Nachnamen gehängt hat, ihre Leser an die Hand und führt sie Straße für Straße durch das Schleswig der 1960er Jahre – ein nostalgischer Stadtspaziergang in Schwarz-Weiß, garniert mit vielen Anekdoten und lustigen Randbemerkungen.


Natürlich geht es los auf dem Holm mit einem Foto der Ehrenpforte zur Holmer Beliebung, später sieht man die Schlachterei Brix und den Friseursalon von Hans und Hedi Nielsen, ein Lieferfahrzeug vom Typ Goliath und den Tante-Emma-Laden Schramm. Hausnummer für Hausnummer geht es durch die Altstadt, und dennoch ist es keine ermüdende enzyklopädische Stadtbeschreibung wie in einem offiziellen Stadtführer, sondern eine muntere, unterhaltsame, sehr informative Reise in das alte Schleswig, versehen und ergänzt mit emotionalen Randbemerkungen: „Wenn man vorbei kommt, hört man die Säge und es riecht nach frischem Holz“, steht bei der Adresse Lange Straße Nr. 1, wo die Tischlerei Brillert war.


Ein Foto, das offenbar vom Domturm aufgenommen wurde, zeigt den alten Kreisbahnhof mit einer schnaufenden Dampflok davor, der Zob ist offenbar gerade im Bau, im Vordergrund sind Beete einer Gärtnerei zu erkennen. Bei Frau Hamann an der Ecke Lange Straße, 7 Schlachterstraße gibt es Micki-Maus- und Fix-und-Foxi-Hefte. Dann ist da der „Konsum“ – „das Wort kennen wir damals nur für diese Ladenkette“, notiert die Autorin.

Im Grossen Baumhof war der Bär los.

„Noch in unserer Kindheit und bis in die 1970er Jahre war Schleswig eine aus der Region heraus lebende Stadt von großer Vielfalt, in der ungefähr 34.000 Menschen lebten“, schreibt die Autorin in ihrer Einführung. Ein Stadtplan der Innenstadt zeigt, was damals in Schleswig alles los war. Von der Musikbox in der „Schleimöwe“ auf dem Holm bis zum Hotel „Stampfmühle“, wo im Saal getanzt wurde, sind es 30 Orte des Vergnügens, an die sich viele ältere Schleswiger gewiss voller Wehmut erinnern werden. „Grosser Baumhof“ hieß die Gaststätte mit guter Küche, Ballsaal mit Bühne und Empore, kleinem Saal, Nachtbar und Kino. Heute erinnert nur noch ein Straßenname an diese glorreiche Zeit. Ausführlich und voller Nostalgie widmet sich die Autorin unter anderem dem Peermarkt und der Schleihalle, die 1968 abgerissen wurde.

Weiterlesen: „Schleswig hat keinen Plan“

Und dann geht's ab in die Zukunft. Dafür dreht man das Buch um und fängt von vorn an – mit dem Vorwort, das die Autorin der „Schleswigerin“, der fröhlichen Skulptur des Bildhauers Carl Constantin Weber, in den bronzenen Mund gelegt hat. „Was mich hier hält? Schleswig ist Potsdams kleine Schwester“, behauptet sie.


In diesem Teil ihres neuen Buchs spannt Marlies Jensen-Leier einen Bogen von Haithabu über das Bistum 947, Knut Laward, den Holm, das Kloster und die preußische Provinzhauptstadt bis in die Gegenwart mit dem Weltkulturerbe. Immer wieder beruft sie sich auf Experten wie den Architekten Richard Kulcke, zitiert aber auch Alexander Mitscherlich und Joachim Gauck. Sie entwirft sodann ihre persönliche Vision einer Schleswiger Zukunft mit einer Stadthalle für alle und einer klimafreundliche Verkehrspolitik: „Wir sind alle mitverantwortlich für unsere Zeit, für unsere Stadt!“

Hier knüpft sie – nicht überraschend – an ihre Aktionen im öffentlichen Raum zusammen mit der Ratsfrau Dorothee Tams, der sie eine Doppelseite für die „Gedanken einer Grünen Ratsfrau anno 2021“ einräumt. Auf mehreren Seiten erinnert die Künstlerin Birgit Dircks mit ihren „Nachdenkbildern“ an besondere Häuser in der Stadt, die zum Teil noch stehen, aber verbaut wurden, die zum Teil aber auch schon längst abgerissen sind.


Auf 130 Seiten entsteht so ein Schleswig-Porträt der besonderen Art, mit einer Vielzahl von Bilddokumenten einerseits und kontroversen Gedanken und Ideen andererseits. Das ist ebenso nostalgisch und informativ wie provokant und unterhaltsam – und es wird unter Schleswiger Tannenbäumen gewiss zu einigen auf- oder angeregten Diskussionen führen.

Mehr lesen

EU

EU überarbeitet Schengener Grenzkodex: Enttäuschung im Grenzland

Apenrade/Aabenraa Künftig soll bei der Einführung von Kontrollen an den Binnengrenzen unter anderem die Verhältnismäßigkeit geprüft werden, doch dafür dürfen Grenzkontrollen in Zukunft von den Staaten im Schengenraum noch länger aufrechterhalten werden. Die Parteisekretärin der Schleswigschen Partei, Ruth Candussi, und die Grenzlandpolitiker Rasmus Andresen und Stefan Seidler sind deshalb enttäuscht von dem Beschluss.