Dem Schicksal die Stirn geboten

Das macht Mut: Regina Harms freut sich nach dem Tod von drei Männern wieder am Leben

Schicksalsschläge: Regina Harms freut sich wieder am Leben

Schicksalsschläge: Regina Harms freut sich wieder am Leben

SHZ
Niebüll
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Regina Harms blickt auch nach dem Verlust von drei langjährigen Lebenspartnern mit Optimismus in die Zukunft. Foto: Anja Werner/shz.de

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So sehr vom Schicksal gebeutelt werden nur wenige. Doch dank der Trauerbegleitung des Wilhelminen-Hospizes in Niebüll kann die 77-Jährige das Leben wieder genießen. Die Sehnsucht nach der verlorenen große Liebe bleibt.

Mut haben zum Leben – das fällt immer mehr Menschen schwer. Wie außergewöhnlich wirkt da das Lächeln und die positive Ausstrahlung von Regina Harms. Den Abschied und Tod von drei Lebenspartnern musste die 77-Jährige verkraften – und jedes Mal wieder den Mut aufbringen, zurück ins Leben zu gehen.

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„Ohne die Trauerbegleitung des Wilhelminen-Hospizes hätte ich das beim letzten Mal nicht geschafft“, sagt die Niebüllerin.

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Bei einem Kaffee sitzt Regina Harms im Strandkorb im idyllischen Garten des Niebüller Hospizes, das in diesem Jahr seinen zehnten Geburtstag feiert, und spricht über ihre große Liebe Wilhelm, „mit dem ich die schönsten Jahre meines Lebens verbracht habe“.


Bevor die beiden sich kennen lernten, hatten beide schon jeweils zwei Ehepartner durch Tod verloren, waren doppelt verwitwet. Eine Lebenslage, in der man denkt, nun bleibst du wohl den Rest deines Lebens allein. „Doch ich kann nicht gut allein sein“, sagt Regina Harms.

Kurz vor dem Umzug von Itzehoe nach Niebüll, wo die Tochter lebt, stirbt der zweite Ehemann von Regina Harms. Dennoch zieht sie den Umzug in die Nähe ihrer Tochter samt Familie durch. „Das erste halbe Jahr habe ich gedacht, das schaffst du nicht. Auf einen Schlag hatte ich meinen Mann, mein Zuhause und meine Freunde verloren“, erinnert sich Regina Harms. Schon damals wäre die Unterstützung des Hospizes so wertvoll gewesen.

Erneuter Abschied nach elf glücklichen Jahren

Doch die zierliche Frau findet in Niebüll eine neue große Liebe. Doch nach elf glücklichen Jahren mit Wilhelm folgt der dritte Verlust. Regina Harms nimmt drei Monate nach dem Tod des so geliebten Partners wieder allen Mut zusammen und klingelt am 18. Juli 2016 beim Hospiz.

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Der erste und entscheidende Schritt für eine Unterstützung, die die 77-Jährige bis heute nicht missen möchte. Das erste Jahr wird sie in ihrer Trauer in Einzelgesprächen begleitet, dazu kommen die Treffen in der Trauergruppe.

„Mit einigen Mitgliedern treffe ich mich bis heute, diese Zusammenkünfte sind so wertvoll“, sagt Regina Harms, die auch noch regelmäßig das Trauer-Cafe des Wilhelminen-Hospizes besucht. „Einige fragen, warum ich da noch immer hingehe. Mir tut das einfach nur gut.“


Das allgemein anerkannte Trauerjahr reiche für viele nach dem Tod eines geliebten Menschen eben nicht aus, um so einen Schicksalsschlag zu verkraften, sagt Ute Matthiesen, eine der Trauerbegleiterinnen des Hospizes. In der ersten Zeit nach so einem Verlust würden viele Trauernde einfach nur funktionieren.

„Es gibt auch nach der Beerdigung meist viel zu regeln, klären, beantragen“, sagt sie. Zudem sei die Unterstützung des persönlichen Umfelds zunächst groß. „Doch die meisten meinen dann, nach ein paar Monaten müsste man schon wieder zurecht kommen, doch das ist oft nicht so“, erläutert die Trauerbegleiterin.


Gerade dann seien die Angebote des Hospizes so wertvoll. „Dort trifft man auf Menschen mit vergleichbaren Erfahrungen, es gibt ein Verständnis ohne Worte. Man kann sich zusammen erinnern, auch nochmal traurig sein. Wir blicken aber auch nach vorn und lachen viel“, berichtet Regina Harms. Sie bestätigt, die ersten ein zwei Jahre seien wie im Film abgelaufen. Die tatsächliche Realisierung des Verlustes kam erst später.

Corona trifft Trauerende besonders hart

Besonders in der akuten Trauerphase sei es Regina Harms einfacher gefallen, sich mit ihren Gedanken und Gefühlen, ihrer Verzweiflung und Ratlosigkeit den Trauerbegleiterinnen anstatt ihrer Familie zu öffnen. „Die eigenen Lieben will man schonen und nicht belasten", sagt Ute Matthiesen. Vielen Trauernden tue es zudem gut, mit Menschen zu sprechen, die mit fühlen, aber selbst nicht betroffen sind.

Die Corona-Zeit war und ist mit ihren Kontaktbeschränkungen für trauernde Menschen besonders hart. Doch für Regina Harms hatte sie auch einen großen Vorteil: „Ich bin zwangsweise zur Ruhe gekommen. Dadurch kann ich auch ohne meinen Wilhelm endlich wieder gerne und entspannt zuhause sein.“


Könnte sich die 77-Jährige, die in diesem Frühjahr auch noch ihre beste Freundin beerdigen musste, noch eine vierte Liebe vorstellen? „Nein, denn ich könnte nicht nochmal die Kraft und Nerven aufbringen, mich von einem geliebten Partner zu verabschieden“, sagt Regina Harms.

Gerne würde sie aber nochmal jemand kennen lernen, mit dem man gemeinsam etwas unternehmen kann. Zum Beispiel Ausflüge an das von ihr so geliebte Meer, ob an die Ostsee nach Glücksburg oder an die Nordsee nach Sylt. Dorthin fährt Regina Harms nun alleine mit ihrem Auto hin, um sich schöne Tage zu machen.

„Das Leben ist ein Geschenk. Ich freue mich über jeden Tag, an dem es mir gut geht und ich etwas Schönes erleben kann. Zu dieser Einstellung möchte ich gerne auch andere motivieren“, sagt die Frau, die in ihrem Leben schon so viel Leid und Trauer bewältigen musste.


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