Seehafenbetreiber in Sorge

Krieg in der Ukraine wirkt sich auf Häfen in Schleswig-Holstein aus

Krieg in der Ukraine wirkt sich auf Häfen in Schleswig-Holstein aus

Krieg in der Ukraine wirkt sich auf Häfen in SH aus

SHZ
Kiel/Berlin
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Lübecker Hafen: Alle drei Linien nach Russland sind eingestellt. Foto: Karl Erhard Vögele/LHG/shz.de

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Der Güterumschlag ist auf das Niveau vor der Coronakrise gestiegen – doch nun spüren die Häfen im Norden die Folgen von Russlands Invasion in die Ukraine. Welcher Hafen stark betroffen ist. Und welcher sogar profitiert.

Die schleswig-holsteinischen Häfen haben den Einbruch des Umschlags durch die Coronakrise wieder aufgeholt, bekommen aber zum Teil schon Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine zu spüren. Das berichteten am Donnerstag in Berlin Vertreter des Gesamtverbands schleswig-holsteinischer Häfen. kurz GvSH.

Demnach ist der Güterumschlag in den 23 Häfen des nördlichsten Bundeslandes im letzten Jahr um fast fünf Prozent gestiegen – auf 52,6 Millionen Tonnen. „Wir haben trotz Corona zugelegt und liegen jetzt auf dem gleichen Niveau wie vor der Krise“, freute sich der GvSH-Vorsitzende Frank Schnabel, der gleichzeitig Chef von Brunsbüttel Ports ist. Schleswig-Holstein bleibt damit hinter Hamburg und Bremen das drittgrößte Seehafen-Land in Deutschland, knapp vor Niedersachsen.

Weniger Kreuzfahrtgäste, mehr Fährpassagiere

Bei den Passagieren gab es sogar ein Plus von knapp 24 Prozent auf 8,6 Millionen. Allerdings liegt die Branche damit in diesem Bereich noch unter dem Niveau vor Corona. Der Grund ist vor allem, dass noch immer deutlich weniger Kreuzfahrten stattgefunden haben. „Dafür hatten wir bei den Fährverkehren zu den Inseln einen Zuwachs“, sagte Schnabel. Und für dieses Jahr rechnet er auch wieder mit einem deutlichen Anstieg bei den Kreuzfahrten.

In Kiel macht sich das bereits deshalb bemerkbar, weil Kreuzfahrtlinien das russische Sankt Petersburg inzwischen wegen des Kriegs von Putin gegen die Ukraine meiden und stattdessen weiter westlich gelegene Ostseehäfen ansteuern. „Wir erwarten um die 20 Anläufe mehr“, sagte Kiels Hafenchef Dirk Claus. Insgesamt rechnet er dieses Jahr mit 250 Kreuzfahrtschiffen – vor allem wegen der Corona-Lockerungen sind das fast doppelt so viel wie im vergangenen Jahr.

Negativ wirkt sich der Krieg in der Ukraine im Lübecker Hafen aus, dem führenden deutschen Hafen im Russlandverkehr. „Wir haben keine direkte Linie mehr nach Russland – alle drei sind weggefallen“, berichtete Lübecks Hafenchef Sebastian Jürgens. Das seien „schmerzhafte Verluste“. Auch ihr Büro in St.Petersburg hat die Lübecker Hafengesellschaft geschlossen. „Wir lassen unsere Geschäftsbeziehungen weitgehend ruhen“, sagte Jürgens.

Unklar ist zudem, inwieweit der Frachtverkehr auf den Linien von Lübeck in neun finnische Häfen leiden wird. „Da ist grundsätzlich natürlich auch Ladung nach Russland dabei“, sagte Jürgens. Wie viel an Umschlag künftig auf diesen Linien und auch auf den Linien in die baltischen Staaten wegfällt, lasse sich aber bisher „überhaupt noch nicht überblicken“.

In Brunsbüttel boomt auf einmal der Umschlag von Kohle

In Brunsbüttel ist die Sache zweischneidig: Zwar fallen jetzt die Einfuhren von Steinkohle aus Russland für die Kraftwerke in Wedel oder Hamburg-Moorburg weg, berichtete Brunsbüttel-Ports-Chef Schnabel. „Aber die Anfragen für Kohle aus anderen Ländern wie Südafrika, Australien oder den USA haben sich so schlagartig nach oben entwickelt, dass wir sogar einige ablehnen mussten, weil wir nicht genug Lagerfläche und Liegeplätze haben.“ Die starke Nachfrage nach Kohle liege auch daran, dass Deutschland jetzt seine strategische Kohlereserve ausbaue.

Brunsbüttel setzt in Zukunft zudem auf den Umschlag von Wasserstoffderivaten wie Ammoniak, Methanol oder synthetischem Erdgas. Dazu will Schnabel nicht zuletzt das vor Ort geplante Import-Terminal für verflüssigtes Erdgas, kurz LNG, nutzen. „Das LNG-Terminal ist langfristig auch für Ammoniak gedacht“, sagte er. Zudem gebe es in Brunsbüttel „viele weitere Projekte in der Pipeline, zu denen ich heute aber noch nichts sagen kann“, verkündete Schnabel.

Minister Buchholz fordert Baugesetz für LNG-Terminal

Um den Bau des LNG-Terminals voranzubringen, forderte Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Bernd Buchholz die Ampelkoalition in Berlin auf, ein Baugesetz für das Terminal zu beschließen. „Man würde sicher das Planungsverfahren beschleunigen, wenn der Bundestag ein klares Signal setzen würde, dass eine solche Infrastruktur von überragendem öffentlichem Interesse ist und das auch in Gesetzesform ausspricht“, sagte FDP-Politiker Buchholz. Nach bisherigen Plänen soll das Terminal frühestens 2026, eher 2027 fertig sein.

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