Neue Fischfang-Quoten

Kein Dorsch, kaum Hering: „Herr Ross, stehen die Holmer Schlei-Fischer vor dem Aus?“

Stehen Holmer Schlei-Fischer vor dem Aus?

Stehen Holmer Schlei-Fischer vor dem Aus?

SHZ
Schleswig
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Jörn Ross fischt seit bald 40 Jahren. Wie lange sein Familienbetrieb noch Bestand hat, weiß er nicht. Foto: Marle Liebelt/shz.de

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Die EU-Länder haben sich diese Woche darauf geeinigt, dass die Fischer in der westlichen Ostsee nächstes Jahr keinen Dorsch und kaum Hering fangen dürfen. Schleswigs Schlei-Fischer Jörn Ross redet Klartext.

Fischer sollen in der westlichen Ostsee 2022 keinen Dorsch mehr und Hering nur noch in Ausnahmen gezielt fangen. Jörn Ross betreibt gemeinsam mit seiner Frau und beiden Söhnen einen Schleswiger Fischereibetrieb. Sie fischen nicht nur in der Schlei, sondern auch auf der Ostsee. Im Interview mit Redakteurin Marle Liebelt erzählt Jörn Ross, welche Auswirkungen neue Fangquoten auf kleine Fischereibetriebe haben und was er von ihnen hält.

Fische wandern. Ist es fair, die Fangquoten auf die westliche Ostsee zu beschränken?

Das ist einer der Kritikpunkte, die wir haben. Der Hering kommt im Frühjahr hier vorbei, bevor er weiter Richtung Norden wandert. Hier darf er nicht gefangen werden, wenn er aber im Kattegat und Skagerrak ankommt, stehen die großen Kutter bereit. Und die dürfen dann. Welchen Nutzen das für den Fisch haben soll, erschließt sich mir nicht. Wenn es stimmt, was die Forscher sagen, und es handelt sich um einen Bestand, dann muss er auch gleichmäßig geschützt werden.

Der Dorsch soll ab kommendem Jahr nur noch als Beifang erlaubt sein. Was bedeutet das für Sie?

Das trifft uns zum einen, weil der Dorsch zu den beliebtesten Speisefischen gehört, aber vor allem bedeutet das für uns: Wenn wir irgendwo einen Dorsch sehen, sehen wir zu, dass wir da wegkommen, um ihn nicht im Netz zu haben. Das heißt aber auch, dass wir auch von anderen Fischen wegfahren, auf die wir aber angewiesen sind.

Welche zum Beispiel?

Vor allem Schollen und Platen, aber auch Flunder.

Und warum fahren Sie da weg? Dorsch als Beifang ist ja erlaubt.

Ja, aber nur eine bestimmte Menge für das Jahr. Sobald wir die erfüllt haben, können wir die Fischerei den Rest des Jahres komplett einstellen, weil danach ja weiterhin die die Möglichkeit besteht, dass wir mal einen Dorsch im Netz haben. Aber das dürfen wir dann nicht mehr.

Also versuchen Sie, diese erlaubte Quote möglichst nicht zu erfüllen?

Sollte man meinen, aber damit würden wir uns selbst keinen Gefallen tun. Wenn wir die erlaubte Quote – egal ob Dorsch, Hering oder andere Arten – nicht erfüllen, wird die uns für das kommende Jahr gestrichen.

Weil die Behörden dann annehmen, dass Sie gar nicht auf diesen Fisch angewiesen sind?

Sozusagen.

Betreffen die Fangquoten der EU auch die Schlei?

Nein. Die Schlei ist davon ausgenommen.

Okay, aber dann haben die Schlei-Fischer doch einen Vorteil, wenn die Quoten hier nicht gelten.

Ja und nein. Dorsch haben wir in der Schlei sowieso sehr wenig. Hering kommt hier rein, und den fischen wir auch. Aber was wir Fischer hier in der Schlei rausholen, das macht für den Bestand und Artenschutz keinen Unterschied.

Aber dass Arten bedroht sind und geschützt werden müssen, sehen Sie auch so?

Ja, natürlich. Hier in der Schlei hat sich im 18. Jahrhundert die Zunft gegründet, die sich auch selbst Fangverbote auf zu schützende Arten erteilt. Sowas ist notwendig. Teilweise sind sie sogar strenger als die Quoten von der EU. Aber ich glaube gar nicht, dass die hiesigen Fischereibetriebe das große Problem sind. Wir fangen ja sowieso nicht mehr viel. Das viel größere Problem hat zwei Beine und einen krummen Schnabel.

Wann auch immer man mit Fischern spricht, früher oder später kommt der Kormoran zur Sprache...

Ja, weil er eine echte Bedrohung für uns Fischer ist. Und auch für andere Fischarten. Der hier beheimatete Kormoran ist dabei nicht das Problem. Aber die, die im Winter und Frühjahr herkommen, das sind einfach zu viele. Sie lassen kaum Fisch übrig. Inzwischen leidet der Kormoran selbst unter seiner Population. Er hat so viel eigene Konkurrenz – dieses Jahr konnten wir beobachten, dass er den Laich der Heringe frisst, so hungrig ist er.

Apropos Hering. Der soll weiterhin gefangen werden dürfen, wenn die Fischerboote unter zwölf Meter lang sind. Damit schränkt Sie das ja nicht weiter ein, oder?

Das Problem ist, dass kleine Fischerbetriebe sich das nicht leisten können. Eine Fangquote auf Hering gibt es ja nicht seit gestern. Die Quote hat aber gerade für kleine Betriebe zur Folge, dass sie gar nicht mehr auf Hering gehen, weil sich das bei der erlaubten Menge nicht lohnt. Die Kosten würden die Einnahmen – und die sind nicht hoch bei Hering – bei Weitem überschreiten. Also lässt man es ganz sein, und das Spiel mit den nicht ausgenutzten erlaubten Fangquoten wiederholt sich. Für das nächste Jahr wird dem Fischer die Quote dann ganz gestrichen, wenn man es bis September nicht angemeldet und zurückgegeben hat.

Und große Fischereibetriebe betrifft das nicht?

Sagen wir so, es trifft sie nicht so hart. Einige haben die Möglichkeit, in andere Gebiete auszuweichen, wenn sie dort auch Fangrechte besitzen. Aber das gilt nur für einige große Fischereibetriebe. Die kleinen hier vor Ort dürfen nur vor der eigenen Tür fischen.

Kommen wir mit der Existenzfrage mal an die Schlei. Hier gelten die EU-Quoten nicht. Stehen die Schleifischer dennoch vor dem Aus?

Ja, viele schon. Das liegt aber auch an der ganzen Infrastruktur, die hinter der Fischerei steht und mit schwindenden Betrieben auch schlechter wird. Wir wissen nicht, wie lange wir noch eine Genossenschaft haben, es gibt immer weniger Werften, wenn wir Netze brauchen, müssen wir sie irgendwo in Asien bestellen. Und das weit im Voraus, oft mehr als ein Jahr. Die sind teuer und werden geliefert, wenn wir den Fisch, für den die Netze sind, dann vielleicht gar nicht mehr fangen dürfen. Solche Manöver können sich die meisten gar nicht mehr leisten.

Machen Sie weiter?

Ja. Aber wie lange, ist die Frage. Wir wissen nicht, wie es uns nächstes oder übernächstes Jahr geht. Wenn meine Söhne übernehmen, weiß er nicht, wie lange sie die Kosten stemmen können.

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