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Jamaika – so hat es schon mal geklappt

Jamaika – so hat es schon mal geklappt

Jamaika – so hat es schon mal geklappt

SHZ
Kiel
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Unterzeichneten 2017 den ersten Jamaika-Koalitionsvertrag in Schleswig-Holstein: Heiner Garg (FDP), Monika Heinold (Grüne) und Daniel Günther (CDU, v. l.). Foto: Carsten Rehder/shz.de

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Wie Verhandlungen zum Erfolg führen, haben Politiker im Norden 2017 gezeigt – nun wollen sie das im Bund schaffen. Eine Analyse.

„Handys müssen draußen bleiben.“ Das ist für Hans-Jörn Arp eine der ersten Voraussetzungen für erfolgreiche Sondierungs- oder Koalitionsverhandlungen in Berlin. „Kleine Runden, aus denen nichts nach außen dringt“, verlangt der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion. Der 69-Jährige gilt als Oberpragmat – und als solcher macht er sich Gedanken, wie sich die Union an der Macht im Bund halten kann. „In Schleswig-Holstein haben wir vor vier Jahren eine Jamaika-Koalition hinbekommen – das kann auch in Berlin funktionieren“, glaubt Arp.

Erfolgskriterien für Verhandlungen

Nur wie? Wie können Gegensätze zwischen CDU, Grünen und FDP überbrückt werden, so dass die Verhandlungen in Berlin nicht wie 2017 scheitern? Was sind Erfolgsgeheimnisse aus Schleswig-Holstein und sind sie auf den Bund übertragbar?

„Es muss Verhandlungen auf Augenhöhe geben“ verlangt der FDP-Chef im Norden, Heiner Garg. Das sei ein Erfolgsgarant von 2017 in Kiel gewesen. Die FDP habe sich als kleinster der drei Partner ernst genommen gefühlt – gerade weil sie von den drei Parteien am meisten hinzugewonnen hat. Dazu kommt, dass CDU-Chef Daniel Günther die Verhandlungen damals gut führt. Er gibt den kleineren Parteien Raum – und profitiert davon, dass die sich schon im Vorwege auf einige Dinge verständigen. „Es ist immer gut, wenn sich zuerst die beiden kleineren Partner zusammensetzen“, sagt der stellvertretende FDP-Chef Bernd Buchholz. Das habe 2017 gut geklappt, jetzt sitzen mit Wolfgang Kubicki und Robert Habeck zwei Protagonisten in Berlin an entscheidenden Stellen. „Es wird wesentlich davon abhängen, wie gut Robert Habeck und Christian Lindner miteinander können“, meint Buchholz. Aus Parteikreisen heißt es, dass die beiden in den letzten Monaten immer mal wieder miteinander Kontakt hatten.

SPD ausmanövriert

Einer, den letztlich diese Kontakte in Kiel 2017 um die Macht bringen, ist Ralf Stegner. Der SPD-Fraktionschef will nach der Landtagswahl bei der die SPD zwar über drei Prozentpunkte verloren hat, dennoch mit FDP und Grünen eine Ampelkoalition bilden. Als Kandidatin für das Amt der Ministerpräsidentin hat Stegner die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten, Samiah El Samadoni, als Ersatz für Wahlverlierer Torsten Albig im Gepäck. „Doch da gab es schon nichts mehr zu verhandeln“, sagt Stegner heute. Die anderen seien sich längst einig gewesen, eine Jamaika-Koalition zu verhandeln. Stegner trägt Habeck diesen „Bruch der Küstenkoalition“ aus SPD, Grünen und SSW noch immer nach – dabei zeigt dieses Ereignis, wie wichtig gerade bei Dreierbündnissen eine vorausschauende Verhandlung sein kann.


„Die Chemie unter den Beteiligten hat immer gestimmt“, sagt CDU-Fraktionschef Tobias Koch mit Blick auf 2017. Ein Vorteil war, dass sich die Politiker alle gut kennen, weil die wichtigsten Leute schon mehr als eine Legislaturperiode zusammen im Landtag verbracht haben. Kiel ist im Vergleich zu Berlin ein Dorf. Es habe ein gegenseitiges Vertrauen gegeben, dafür habe vor allem der spätere Ministerpräsident Daniel Günther gesorgt. „Das kann er auch in Berlin schaffen“, meint Koch, der davon ausgeht, dass Günther dort in den nächsten Wochen eine wichtige Rolle spielen wird. „Und Armin Laschet ist auch ein Mann des Ausgleichs, der verschiedene Partner zusammenbringen kann“, sagt Koch. „Er hat in Nordrhein-Westfalen erfolgreich mit der FDP verhandelt“, sagt Arp, der vor allem Verhandlungen in kleinen Runden empfiehlt. „Denn das genau hat es 2017 im Bund nicht gegeben, deswegen hat Jamaika dort auch nicht funktioniert.“ Im Land hätte er sich nach der Landtagswahl zuerst mit den anderen Parlamentarischen Geschäftsführern der Fraktionen verständigt – das habe geholfen, erzählt Arp.


Allerdings spricht auch ein wichtiges Argument gegen eine Jamaika-Koalition. 2017 ist die CDU in Kiel der Wahlgewinner, obwohl sie nur 1,2 Prozentpunkte dazugewonnen hat. Im Bund hat die SPD jetzt deutlich gewonnen, die Union noch deutlicher verloren. Drei Parteien können sich als Wahlsieger fühlen – eine Ampel-Koalition scheint deswegen wahrscheinlicher, weil die Politiker spüren, dass das der Wählerwille sein könnte. „Im Bund erwarten die Menschen jetzt eine Regierung der Wahlgewinner“, sagt denn auch SPD-Chefin Serpil Midyatli.

Die Polit-Profis in Kiel gehen aber nicht von vornherein davon aus, dass die ersten Sondierungen am Ende die erfolgreichen sein werden. „Alle werden mit allen reden“, meint Arp.

Gute Formulierungen können helfen

Doch wie wollen FDP und CDU, die sich für Steuersenkungen ausgesprochen haben, das mit den Grünen vereinbaren, die für ein stärkeres Engagement des Staates beim Klimaschutz eintreten? Arp grinst bei dieser Frage. Das sei in einen Koalitionsvertrag durchaus hineinzuverhandeln. „Die deutsche Sprache bietet da doch einige Möglichkeiten.“

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