Schleswig-Holstein

Hohe Energiekosten: Wer soll die bezahlen?

Hohe Energiekosten: Wer soll die bezahlen?

Hohe Energiekosten: Wer soll die bezahlen?

Kay Müller/shz.de
Kiel
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Das Land wird vermutlich neue Schulden machen müssen, um die Herausforderungen der Krise bewältigen zu können. Foto: Michael Staudt

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Das Parlament in Kiel verabschiedet den dritten Nachtragshaushalt und streitet, wie den Schleswig-Holsteinern in der Krise am besten geholfen werden kann.

Thomas Losse-Müller hat genau mitgezählt. „Sie haben 23-mal den Bund erwähnt“, sagt der SPD-Fraktionschef in Richtung seines CDU-Kollegen Tobias Koch. Aber was das Land zur Entlastung der Bürger in der Energiekrise beitragen kann – das habe der Unions-Fraktionschef in seiner Rede ausgelassen.

Wer wann und wie den Bürgern Geld geben soll – darum dreht es sich in dieser lebhaften Debatte im Landtag, der am Ende mit den Stimmen der schwarz-grünen Koalition einen Nachtragshaushalt verabschieden wird. Die Redner jonglieren zuvor mit vielen Zahlen, so wie Koch, der aufrechnet, dass der Bund durch Steuermehreinnahmen 95 Milliarden Euro eingenommen, für die Entlastung der Bürger aber nur 96 Milliarden ausgegeben habe. „Der Staat gibt den Menschen nur das zurück, was er ihnen vorher abgeknöpft hat“, sagt Koch – und fährt munter fort in seiner Kritik an der Ampel-Regierung in Berlin. Die habe nach Beschluss des jüngsten 65 Milliarden Euro schweren Entlastungspakets vor vier Wochen wertvolle Zeit verstreichen lassen, denn noch immer gebe es keinen Energiepreisdeckel. „Ein solches Politikversagen habe ich noch nicht erlebt“, poltert der CDU-Fraktionschef.

Das sorgt bei Lasse Petersdotter dafür, „dass ich ganz spontan das Bedürfnis habe, das eine oder andere zur CDU-Politik im Bund zu sagen“. Sein Parteifreund Robert Habeck habe als Bundeswirtschaftsminister mehr Gesetzentwürfe vorgelegt als seine Vorgänger, sagt der Grünen-Fraktionschef, der aber durchaus Kritik an der eigenen Bundesregierung zulässt, wenn er zur Performance von Schwarz-Grün in Schleswig-Holstein sagt: „Die Koalition handelt geschlossen. Es wäre schön, wenn das im Bund genauso gehen könnte.“

Der so zählfreudige Thomas Losse-Müller möchte denn auch lieber über die Landes- als über die Bundespolitik reden. Die Landesregierung investiere lieber viele Millionen in die Sanierung der eigenen Gebäude, statt etwa den Härtefallfonds aufzustocken, um Menschen zu helfen, die ihre Energierechnung nicht bezahlen können. „Da könnte der Eindruck entstehen, dass die Landesregierung nur an sich denkt“, sagt der Oppositionsführer. Der Staat müsse stattdessen Menschen aktiv beraten, wo sie Hilfe bekommen könnten. Und in Richtung von Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) ergänzt Losse-Müller: „Immer wenn Sie sich zwischen Sozialem und Klima entscheiden müssen, entscheiden Sie sich fürs Klima.“ Doch das sei gefährlich: „So werden Sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht organisieren können.“

Keine Mehrheit für Aussetzung der Kita-Gebühren

Rückendeckung bekommt Losse-Müller von SSW-Fraktionschef Lars Harms. Mit den 170 Millionen Euro, die Heinold am Ende des Jahres aus Einsparungen und Mehreinnahmen zur Verfügung haben will, dürfe das Land keine „Lieblingsprojekte“ finanzieren, die nicht direkt im Zusammenhang zur aktuellen Krise stehen. Statt dessen müsste das Geld den Menschen direkt zu Gute kommen. Harms fordert eine Aussetzung von Kita-Gebühren für November und Dezember. Das würde Familien direkt entlasten – allerdings findet seine Forderung bei der schwarz-grünen Koalition keinen Anklang.

Für die hat die Finanzministerin zuvor ihre Investitionen verteidigt – aber auch zum ersten Mal deutlicher gesagt, dass sie damit nicht auskommen wird. „Der bisherige Rahmen des Ukraine-Notkredits, in Höhe von 400 Millionen Euro, wird nicht reichen, um das Landesmaßnahmenpaket, die kommunale Vereinbarung, das Bundesentlastungspaket, die Energiepauschale für die Versorgungsempfänger und weitere schon jetzt erkennbare krisenbedingte Ausgaben zu finanzieren.“ Ob sie einen weiteren Notkredit anpeilt, sagt Heinold allerdings nicht.

SPD und Grüne wollen neue Schulden machen

Christopher Vogt macht jedenfalls schon mal klar, dass das Land seinen Anteil an den Bundeshilfen übernehmen und auch selbst nachlegen müsse, „um Schaden von unserem Land abzuwenden“. Wo das Geld herkommen soll, verrät der FDP-Fraktionschef aber nicht. Nur, dass Steuererhöhungen „Gift“ seien.

Gesellschaft vor dem Auseinanderbrechen bewahren

Für Thomas Losse-Müller ist hingegen klar, dass der Staat neue Schulden machen muss – wegen einer einfachen Rechnung: „Wir dürfen uns nie zu sicher sein, dass Gesellschaft zusammenhält. Jedes Mal, wenn Menschen den Brief mit der Gasrechnung öffnen und sich Sorgen machen, wie sie diese bezahlen sollen, hat Putin ein klein bisschen gewonnen.“

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