Flensburg

Hochschule im Sinkflug: Immer weniger Studenten – und keine Trendwende in Sicht

Hochschule im Sinkflug: Immer weniger Studenten – und keine Trendwende in Sicht

Immer weniger Studenten – und keine Trendwende in Sicht

SHZ
Flensburg
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In der Krise: Die Hochschule Flensburg auf dem Sandberg. Foto: Michael Staudt/shz.de

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Während sich die Europa-Universität Flensburg über immer neue Rekorde bei den Studierendenzahlen freuen kann, rutscht nebenan die ehemalige FH immer weiter in die Krise.

Es scheint nur eine einzige Richtung zu geben: Es geht bergab. Von Jahr zu Jahr entscheiden sich weniger junge Menschen für ein Studium an der Hochschule Flensburg. Vor sieben Jahren waren hier noch fast 4200 Studierende immatrikuliert. Im vergangenen Jahr waren es noch gut 3500. Zahlen für das Wintersemester 2021/22 liegen noch nicht vor. Die Hochschule hat ihre Einschreibfristen verlängert – in der Hoffnung, dass sich doch noch ein paar Kurzentschlossene melden.

Die meisten anderen Universitäten und Fachhochschulen dürfen sich dagegen über steigende oder zumindest gleichbleibende Zahlen bei den Studienanfängern und Absolventen freuen.

Die Hochschule Flensburg befindet sich offensichtlich in einer Krise, und das schon lange. Zuletzt wäre um ein Haar der traditionsreiche Nautik-Studiengang geschlossen worden, weil es nicht genug Lehrende mit Kapitänspatent gab. Ende Juli scheiterte dann der Versuch einiger Professoren im Senat, Hochschul-Präsident Christoph Jansen abzuwählen, nur knapp.

Weiterlesen: Abwahl von Hochschul-Präsident Christoph Jansen gescheitert

Viele Negativ-Schlagzeilen der vergangenen Monate hängen ziemlich direkt mit dem Studentenschwund zusammen. Denn weniger Studierende bedeuten auch: Weniger Geld von Land und Bund, zum Beispiel aus dem Hochschulpakt. Und weniger Geld bedeutet: Weniger Möglichkeiten, neue attraktive Angebote zu schaffen.

Kritiker vermissen strategische Planung

Im Gegensatz zur Zahl der Studierenden ist die Zahl der Lehrenden in den vergangenen Jahren angestiegen. Kritiker sagen aber: Die neu geschaffenen Stellen seien ohne strategischen Plan geschaffen worden, nicht immer dort, wo sie am dringendsten gebraucht wurden.

Ein bisschen geht es der Hochschule wie einem traditionsreichen Bundesligisten, der von der Champions League träumte, viel investierte, sich nun aber plötzlich in der Zweiten Liga wiederfindet und auf viel zu hohen Fixkosten sitzt.

Pro Jahr fehlen rund 6 Millionen Euro. Diese Zahl steht seit einiger Zeit im Raum. Sie stammt aus einem Gutachten, das die Hochschule bei Rainer Ambrosy in Auftrag gegeben hatte, dem ehemaligen Kanzler (Verwaltungschef) der Universität Duisburg-Essen. Immerhin 2,9 Millionen Euro will das Land nun bereitstellen, um die größten Lücken zu schließen.

Präsidium hält Gutachten unter Verschluss

Wie sich die 6 Millionen, die die Hochschule nach eigenen Angaben benötigt, genau berechnen, ist unklar, denn die Hochschulleitung möchte das Gutachten nicht veröffentlichen. Nicht einmal die Professoren im Senat, dem obersten Selbstverwaltungsgremium der Hochschule, durften das Ambrosy-Gutachten bislang lesen. Dass Christoph Jansen es nicht herausrücken mag, soll einer der Gründe für den Versuch, ihn abzuwählen, gewesen sein.


Klar ist aber: Die Hochschule sieht sich schon seit Jahren nicht mehr in der Lage, frei werdende Stellen dauerhaft zu besetzen. Auch deshalb wäre der Nautik-Studiengang beinahe verloren gegangen. Das wäre auch symbolisch ein schwerer Schlag gewesen, gilt doch die 1877 gegründete Navigationsschule als Keimzelle der heutigen Hochschule.

Weiterlesen: Nautik-Studiengang vorerst gerettet

Warum aber kommen immer weniger Studierende? Aus der Chefetage der Hochschule hört man zuerst Erklärungsansätze, die sich ebenso auf die Europa-Universität Flensburg anwenden ließen: die Zahl der Schulabgänger, die Nähe zu Dänemark, wo Studierende Geld vom Staat bekommen – und zuletzt Corona.

Tatsächlich kennen die Studierendenzahlen an der Uni seit Jahren ebenfalls nur eine Richtung. Aber sie gehen nicht nach unten, wie an der Hochschule, sondern stetig nach oben.


Hochschulsprecher Torsten Haase hält die Zahlen indes nur bedingt für vergleichbar. „Die Universität lebt zu einem großen Teil von den Lehramts-Studiengängen, und da gibt es eine große Nachfrage.“

Zu starke Konkurrenz durch die Europa-Universität?

Liegt in diesem Vergleich möglicherweise auch eine Erklärung? Ist die Stärke der Uni zugleich die Schwäche der Hochschule? Leidet die Hochschule darunter, dass Schulabgänger, die gern in der Region bleiben wollen, sich immer häufiger für ein Studium an der Uni entscheiden – und damit gegen die Hochschule?

In Einzelfällen mag das eine Rolle spielen, meint Hochschulsprecher Haase. Dagegen spricht aber: Hochschul-Studiengänge, die ähnliche Zielgruppen ansprechen wie bestimmte Uni-Studiengänge, zum Beispiel im Bereich Wirtschaft, leiden am wenigsten unter dem Rückgang der Studierendenzahlen.


Marcel Großkopf, Student der Lebensmitteltechnologie und AStA-Vorstand, glaubt, dass das Problem der Hochschule vor allem die Außendarstellung ist. Das Studienangebot sei gut, nur würde dies viel zu wenig wahrgenommen.

Mit dieser Einschätzung steht der Student nicht alleine. Ein Professor ärgert sich zum Beispiel hinter vorgehaltener Hand über den Versuch, kurz vor Semesterbeginn und nach dem Ende der eigentliche Bewerbungsfrist noch die Werbetrommel für freie Studienplätze zu rühren: „Wir verkaufen uns als Resterampe. Das Signal ist: Wenn ihr woanders keinen Studienplatz bekommen habt, könnt ihr zu uns kommen.“

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