Nordfriesland

Ein Gastronomieberater zum Restaurant-Mangel auf Föhr

Ein Gastronomieberater zum Restaurant-Mangel auf Föhr

Ein Gastronomieberater zum Restaurant-Mangel auf Föhr

Anna Goldbach/shz.de
Föhr
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Das Urlauberpaar aus Niedersachen wollte eigentlich in ein Fischlokal gehen – gelandet sind sie beim Griechen.  Foto: Anna Goldbach/shz.de

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Die Insel Föhr hat zu wenig Restaurants. Zumindest in der Hauptsaison, wenn die Insel voll mit Urlaubern ist. Um sich besser aufstellen zu können, steht der Tourismusdirektor der Insel in Kontakt mit einem Gastronomieberater.

Geschlossen, geschlossen, geschlossen: Wer im Winter auf Föhr essen gehen möchte, hat schlechte Karten. Denn die Restaurants der Insel gehen nach der Saison üblicherweise mehrere Wochen in ihre verdiente Winterpause. Zur Biike öffnen sie dann wieder ihre Türen. Leben kommt auf die Insel. Spätestens im Mai, wenn die Saison so richtig beginnt, stehen die Chancen dann allerdings auch wieder nicht so richtig gut, spontan einen Tisch zu bekommen. Woran das liegt, hat Gregor Raimann erklärt.

Raimann ist gastronomischer Berater. Das bedeutet, dass er gastronomischen Betrieben bei der Umsetzung neuer Konzepte oder aber bei Neueröffnungen zur Seite steht – sie berät. Gregor Raimann, der selbst gelernter Koch und staatlich geprüfter Betriebswirt und Gastronomieleiter ist, machte sich 2010 mit seiner Firma „Raimann Concepts“ selbstständig. Zu seinen Dienstleistungen gehört auch die Vermittlung von Pächtern. Und da kommt die Insel Föhr ins Spiel.

Denn: So ganz einfach jemanden zu finden, der zu den Vorstellungen der Verpächter passt und bereit ist auf die Insel zu ziehen, ist es nicht. Durch die Festlegung gastronomisch zu nutzender Flächen in vorhabenbezogenen Bebauungspläne sichert die Stadt Wyk zwar den benötigten Raum, doch dieser muss auch betrieben werden. Verschieden Vermietende auf der Insel hatten Raimann daher unabhängig voneinander beauftragt, passende Betreiber für ihre Lokalitäten zu finden.

Ebenfalls auf den Berater aufmerksam geworden war Jochen Gemeinhardt, Geschäftsführer der Föhr Tourismus GmbH (FTG). Der Touristiker hatte dabei jedoch nicht eine Immobilie, sondern direkt die ganze Insel im Kopf, für die er sich eine Einschätzung des Experten wünschte. Denn der Aufschrei im zweiten Jahr der Pandemie war groß: Föhr habe zu wenig Restaurants, tönte es nicht von den Dächern, aber von sozialen Netzwerken und Leserzuschriften. Man bekomme ja kaum einen Platz! Zeit, das zu ändern. Ein erstes Treffen hatte im September 2022 stattgefunden.

Im April dieses Jahres war Gregor Raimann dann samt Familie wieder auf Föhr. Zu diesem Zeitpunkt hat er vier Lokalitäten vermitteln können, zwei weitere betreut er noch. Shz.de hat den Berater mit seiner Frau und den drei Kindern im Namine Deli in Süderende getroffen.

In der Nebensaison: Im Frühjahr ist Föhr gut aufgestellt, im Winter nicht

Dort stehen Teller mit Currywurst Pommes und Focaccia auf dem Tisch vor Gregor Raimann, fast alles ist aufgegessen. Raimann selbst lehnt sich zurück. Er sei in dieser Woche selbst häufig Essen gegangen, erzählt er dann. Zu dieser Zeit in der Nebensaison, also kurz nach Ostern Mitte April, sei Föhr mit ausreichend Gastronomie ausgestattet, lautet sein Urteil. In der Hauptsaison hingegen, könne es aufgrund der vielen Gäste, die im Urlaub gerne essen gehen wollen, wieder schwierig werden.

Das bestätigt auch ein Gästepaar aus Hannover. Die beiden machen im Mai Urlaub und wollten eigentlich Fisch essen gehen. Jetzt sitzen sie beim Griechen in der Wyker Fußgängerzone. „Das eine Restaurant war ausgebucht und ist es wohl auch noch bis Ende der Woche“, erzählt Sabine. Das zweite Fischrestaurant, auf das sie gestoßen seien, hätte sie von der Atmosphäre her nicht angesprochen.

„Wir sind zum ersten Mal auf Föhr“, erzählen die beiden dann. Ein abschließendes Urteil über die Gastronomie auf der Insel könne man daher nicht erlauben, glaubt das Paar, aber: „Wir sind froh, dass wir jetzt da sind, bevor es richtig voll wird“ – und man keinen Platz im Lokal mehr bekommt.

Wie viele Restaurants braucht Föhr?

Sucht man auf der Seite der FTG nach Restaurants, werden dort 65 Treffer geladen. Darunter aber auch Imbisse und Bäckereien, die dem Urlauber zum Essengehen wohl kaum genehm sein dürften. Bedenkt man, dass im Juli 2022, dem am stärksten gebuchten Monat, rund 204.000 Gäste die Insel besuchten, kann das, selbst bei doppelter Belegung, kaum aufgehen. Konkret: Im Sommer mangelt es der Insel an Restaurants.

Raimann sieht das Hauptproblem der Föhrer Gastronomie allerdings woanders: Versuche man sich online einen Überblick über das gastronomische Angebot der Insel zu verschaffen, sei keine gute Übersicht zu finden. Man müsse ewig googlen, jedes Restaurant einzeln anklicken. Eine Seite mit allen gastronomischen Betrieben, ihren Angeboten und freien Kapazitäten, könne schon eine gewisse Entzerrung bringen, glaubt er.

Neue Konzepte fehlen: Zu viel Pommes-Gastronomie

Grundsätzlich habe er festgestellt, dass es der Insel an neuen Konzepten fehle. Die Speisekarten würden sich ähneln, ein rein veganes oder vegetarisches Angebot sucht man hingegen vergeblich. Außerdem fehle es an „Alltagsküche zu einem guten Preis, wo man mit der Familie essen gehen kann ohne, dass man beim Zahlen einen Herzinfarkt bekommt“. Und mit Alltagsküche meint Raimann nicht die typische Strandversorgungs-Küche à la Currywurst und Backfisch mit Pommes, sondern regionale Produkte.

Das Angebot auf Föhr müsse demnach vielseitiger werden, sagt Raimann. Mit den Zugewinnen vom Festland – beispielsweise dem Frankfurter Koch Christian Senff, der nun ein Bistro und Restaurant in Nieblum betreibt oder dem Ehepaar Sondermann, das von Sylt nach Föhr gezogen ist und kürzlich eine Wyker Ladenlokal übernommen hat – habe Föhr einen Gewinn gemacht. Auch, weil es durch Senff neben dem Alt Wyk jetzt eine weitere Möglichkeit des fine dinings, also der gehobenen Küche, gebe. Und das sei entscheidend, weil Föhr unterschiedliche Klientel anziehe.

Das passende Angebot für die passende Klientel

Sprich: Die sogenannten Best Ager, so bezeichnet man die anspruchsvolle, konsumfreudige Kundengruppe ab 50 Jahren, wollen nicht unbedingt in ein Familienrestaurant oder Pizza für acht Euro. Umgekehrt genau so. Mit einem breiteren Angebot würde die Situation also ebenfalls entzerrt, weil sich nicht alle Zielgruppen auf die gleichen Restaurants stürzen.

Um auch die Nebensaison mitzunehmen, bräuchten Gastronomen Gerichte, die sich auch mit weniger Personal, also ohne die Saisonkräfte, gut zubereiten ließen. Damit könnten Restaurants auch in der wenig belebten Winterzeit ihre Türen öffnen.

Touristiker wünscht sich längere Öffnungszeiten

FTG-Chef Jochen Gemeinhardt begrüßt die aktuellen Entwicklungen. Gerade, weil die Insel ohne gastronomische Leerstände in die Saison starte. Und die Neueröffnungen „frischen Wind“ auf die Insel brächten. So wie Ole und Laura Sondermann, die das Restaurant Speisekammer in Wyk betreiben. Und zwar ganzjährig. Eine bewusste Entscheidung des Paares, das den Trubel in den vorangegangenen Jahren mitbekommen hat und nun Beständigkeit zeigen will, wie sie gegenüber shz.de berichten.

Was der Touristiker sich wünscht, wären längere Öffnungszeiten – sowohl in den Abend hinein als auch in die Nebensaison. Denn hätten die Lokale am Abend länger als die klassische 18- und 20-Uhr-Belegung geöffnet, könnten auch mehr Menschen essen gehen. „Schön wäre es außerdem, wenn es eine Absprache unter den Gastronomen gebe, damit nicht alle zeitgleich in die Winterpause gehen“, lautet sein Vorschlag, „aber das versucht man an anderen Destinationen ja auch schon seit Jahren“. Ohne Erfolg. 

Bedarfsanalyse soll Klarheit bringen: Was fehlt Föhr?

Aktuell stehen Überlegungen einer Bedarfsanalyse im Raum. Raimann sei dafür der richtige Mann, „ein echter Profi“, wie der Tourismus-Chef sagt. Dazu würden neben der Bestandsaufnahme an Lokalen und ihren Angeboten auch Gästezahlen herangezogen. Darauf basierend könnten dann entsprechende Konzepte entwickelt werden.

Was Gregor Raimann nach seinem einwöchigen Urlaub mit Kindern und Frau sonst noch aufgefallen ist: Ein richtiges Familienrestaurant, das könnte Föhr, das sich als Familieninsel vermarktet, gut gebrauchen. 

 

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