Historie

Das ganz große Grenz-Panorama

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SHZ
Schleswig/Kiel
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innerdeutsche Grenze am Strand bei Travemünde Foto: Sepp Spiegl via www.imago-images.de/shz.de

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Der Tag der Schleswig-Holsteinischen Geschichte beleuchtet am 21. August die Rolle und den Wandel von Grenzen zwischen Nord- und Ostsee. Dabei geht es nicht nur um Trennlinien, die Politik und Verwaltung gezogen haben.

Die Platzierung des Verlaufs der deutsch-dänischen Grenze in einer Volksabstimmung vor einem Jahrhundert findet im Programm zwar auch ihren Niederschlag, soll aus Sicht der Veranstalter aber nur der Anlass für eine breitere Perspektive sein: Wandel, Beschaffenheit und Folgen ganz verschiedener Grenzen im Lauf der mehr als 1000-jährigen Landesgeschichte sind das Thema des seit 2016 dritten Tags der Schleswig-Holsteinischen Geschichte am 21. August in Schleswig.

Die Super-Schule als Tagungsort

Die Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte (GSHG) als Organisator hat sich dafür die modernste und am besten ausgestattete Schule Schleswig-Holsteins gesichert: die vom Gründer der Kopenhagener Reederei Maersk finanzierte A.P. Møller-Skole, Gymnasium der dänischen Minderheit. Er hat den Standort nach eigenen Angaben auch nach dem Kriterium Grenze ausgewählt: gegenüber der einstigen Wikingersiedlung Haithabu, damals mit dem Danewerk verbunden, dem Festungswall zwischen zwischen Skandinavien und dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation.

Grenzen der Landschaftsräume mit sozialen Folgen

„Neu ist unsere Gesamtschau auf die Rolle von Grenzen“, sagt Thomas Steensen, Vorsitzender der GSHG. Immerhin vier verschiedene deutsch-dänische Grenzlinien hätten sich durch die Jahrhunderte hindurch abgewechselt und Schleswig-Holstein nachhaltig geprägt. Grenzlinien anderer Art in Nord-Süd-Richtung seien mindestens genauso folgenreich gewesen: die Landschaftsräume Marsch, Geest und Hügelland. Die sehr verschiedene Bodengüte hat ein Gefälle von Einkünften und Reichtum mit sich gebracht. „Das hat eine enorme soziale und kulturelle Bedeutung gehabt“, betont Steensen. Etwa in Form „wohlhabender Marschbauern, die auf die armen Kerle von der Geest herabgeblickt haben“. Abzulesen sogar in der Baukultur: Hallengroße Haubarge an Teilen der Westküste stehen Gehöften karger Gestalt und geringer Größe in der Mitte des Landes gegenüber. Von den Gütern und Herrenhäusern entlang der Ostseeküste erst gar nicht zu reden.

Lübeck, ein Neuzugang für Schleswig-Holstein

Die ganz verschiedene Intensität von Grenzen greift der Tag der Geschichte ebenfalls in seinem Reigen aus elf Vorträgen auf. Für die größtmögliche Brutalität steht die Erinnerung an die innerdeutsche Grenze zwischen Lübeck und Lauenburg. Am anderen Ende der Skala stehen für Steensen die kaum überschaubaren Grenzen, die die Herzogtümer Schleswig und Holstein einst wie einen Flickenteppich in unzählige königliche und herzogliche Anteile aufgeteilt haben. Das war wichtig für den dänischen König und den Gottorfer Herzog, weil sie so ihre jeweiligen Territorien für Macht und Einkünfte markierten. „Aber wer mit der Kutsche zwischen Nord- und Ostsee unterwegs war, dürfte davon nichts mitbekommen haben“, stellt sich Steensen vor. Wieder andere Grenzen konnte man nur hören: die Sprachgrenzen zwischen Plattdeutsch, Hochdeutsch, Dänisch und Friesisch. Wie sie sich verschoben haben, können Besucher in der A.P. Møller-Skole auch erfahren.

Ein weiterer Beitrag arbeitet heraus, dass ein südlicher Neuzuschnitt schleswig-holsteinischer Grenzabschnitte gar nicht so lange zurückliegt: durch das „Groß-Hamburg-Gesetz“, das 1937 Altona zu Gunsten Hamburgs aus der Provinz Schleswig-Holstein ausschied und dafür Lübeck in sie einverleibte. „Das erklärt, weshalb sich selbst heute mancher Lübecker noch nicht so richtig als Schleswig-Holsteiner fühlt“, so Steensen.

Verbinden können Grenzen auch, gerade an der Küste

Aber auch das Verbindende natürlicher Grenzen möchten die Veranstalter betonen. Und damit die aller-unwiderruflichsten Grenzen Schleswig-Holsteins: „Das Meer als natürliche Grenze wirkte lange Zeit keineswegs trennend, sondern verband Schleswig-Holstein mit anderen Ländern“, betont Steensen. „Es sorgte nicht für Abschottung, sondern für Austausch.“ Eine Kontaktfläche, die in dem Ausmaß von allen Bundesländern nur Schleswig-Holstein hatte und hat. Und damit eine weitere Relevanz für das große Grenz-Panorama eines Geschichtstags.


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