Hilfsaktion in Flut-Gebieten

Föhrerin hilft in ihrer Heimat in NRW: „Ich kam mir vor wie im Krieg“

Föhrerin hilft in ihrer Heimat in NRW: „Ich kam mir vor wie im Krieg“

FFöhrerin hilft in ihrer Heimat in NRW: „Ich kam mir vor wie

SHZ
Föhr/Eifel
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500 Euro spendete die Föhrerin Heike Zimmermann (2. v.r.) an den Pferdehof. Alle 40 Tiere hatten in der Nacht vor dem Hochwasser gerettet werden können. Foto: Privat / SHZ

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Zwei Tage war die Föhrerin Heike Zimmermann in den vom Hochwasser betroffenen Gebieten unterwegs, um Spenden zu verteilen. Sie erzählt von ihren Erlebnissen – von guten und schlechten, von Leid und von Dankbarkeit.

Berge von Schutt und Müll, Häuser, die aussehen als seien sie zerbombt worden und Straßen, die bis zur Unkenntlichkeit mit Schlamm bedeckt sind. Die Bilder und Geschichten, die Heike Zimmermann aus den Katastrophengebieten mitgebracht hat, sind kaum auszuhalten. Sie zeigen Zerstörung und Leid. „Es sah aus, als wenn eine Bombe eingeschlagen wäre“, so die Föhrerin. „Es waren nur noch Trümmer zu sehen.“ Ihre Stimme ist belegt. Doch berichtet Heike Zimmermann nicht nur von Schlechtem – dort, wo sie mit dem von der Föhrer DLRG zur Verfügung gestellten Sprinter ankam, empfing man sie mit Dankbarkeit.

Nach 13 Stunden Fahrt, mit Zwischenstopps in Niebüll und Dagebüll, erreichten Heike Zimmermann und Henning Möller, der den zweiten Wagen fuhr, am Freitagabend, 23. August, Zimmermanns Heimatort Grevenbroich-Wevelinghoven in Nordrhein-Westfalen. Möller, der eigentlich am Sonnabend bereits wieder fahren wollte, überlegte es sich schon beim Eintreffen sofort anders. „Heike, ich will bis Montag bleiben und helfen“, habe er gesagt. Mit einem Anruf bei seinem Chef war alles erledigt und dann ging es am Sonnabendmorgen mit zwei vollgepackten Wagen in Zweier-Teams auch schon los – „wir sind erstmal planlos in die Eifel gefahren, weil wir schauen wollten, wo was gebraucht wird.“


An der Buchholzbacher Mühle hielt die Truppe das erste Mal. Dort sahen sie Männer, die auf dem Gelände arbeiteten. „Braucht ihr Sachen?“, habe Heikes Begleiter Torsten ihnen zugerufen. Ob sie Gummistiefel hätten, kam die Frage zurück. „Die kamen dann zu uns ans Auto und haben einfach nur geweint“, erinnert die Föhrerin sich. In der benötigten Schuhgröße waren jedoch nur unterschiedliche Stiefel da – „ist scheißegal, wir laufen seit drei Tagen mit nassen Füßen durch die Gegend.“



„Es waren nur noch Trümmer zu sehen“

Die Mühle, in der einer der Männer mit seiner Frau und dem 75-jährigen Schwiegervater wohnte, hatte die Flut nicht unbeschadet überstanden. Dort hatten die Wassermassen die Hauswand eingerissen, ihren Weg ins Wohnzimmer gefunden, wo der 75-Jährige saß. Drei Personen mussten Kraft aufwenden, um die Tür, gegen die das Wasser von innen drückte, zu öffnen und den Senioren zu befreien. Gerade noch rechtzeitig, wie Heike Zimmermann erzählt. Als die Tür endlich geöffnet werden konnte, habe das Wasser schon fast bis zur Decke gestanden, gibt sie die Erzählungen wieder. Nun steht das Haus, das erst vor einem halben Jahr renoviert wurde, unter Einsturzgefahr. „Ich habe den beiden 500 Euro gespendet, auch wenn das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist.“

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„Braucht ihr noch irgendetwas, wir kommen morgen wieder“, verabschiedete sich die Föhrerin, fuhr weiter zu einer privaten Sammelstelle in Houverath. „Die konnten ganz viel gebrauchen“, erzählt sie. „Die haben sich wahnsinnig über Gummistiefel, Schaufeln, Eimer und Schubkarren gefreut.“ Noch am selben Abend ist Heike Zimmermann in den Baumarkt gefahren, um mehr Werkzeug und benötigtes Material für 1000 Euro zu kaufen, so wie man es ihr an der Sammelstelle gesagt hatte.


„Am nächsten Tag haben wir überlegter gepackt, wir wussten ja nun, was benötigt wird.“ Und benötigt wurde vor allem sauberes Wasser, haben die Menschen in den Katastrophengebieten doch bereits jetzt mit Durchfallerkrankungen durch das verunreinigte Wasser zu kämpfen. Herzlich seien sie am nächsten Tag wieder empfangen worden, teilweise auch überrascht. „Dass ihr wirklich wiederkommt, hätten wir nicht gedacht“, habe es geheißen.

Sachspenden und Seelsorge

„Die Leute mussten reden, um zu verarbeiten, was ihnen passiert ist“, erzählt die Föhrerin dann. Immer wieder steigen ihr Tränen in die Augen. Sie wird die Bilder, Menschen und Schicksale wohl so schnell nicht vergessen. Bei einigen Geschichten bricht ihre Stimme:


In den Orten habe Totenstille geherrscht. Städte, die sie als Ausflugsziele am Wochenende in Erinnerung hat, seien durch und durch zerstört, „zerbombt“, wie Heike Zimmermann sagt. Selbst Torsten, ehemaliger Berufssoldat, habe zwischenzeitlich mit den Tränen kämpfen müssen.

Auf dem Rückweg am Montag nach Föhr habe sie noch einen Zwischenstopp eingelegt. Ihr Mann hatte im Radio von der Aktion des Schleswig-Holsteiners Holger Marohn gehört, der für 43 Kinder aus den Flutgebieten ein Camp errichtet hatte. Hier sollen die Kinder runterkommen, während ihre Eltern in der Heimat mit Aufräumarbeiten beschäftigt sind. Ein Zufluchtsort, an dem die Kinder sicher sind, verarbeiten können, was sie in ihren jungen Jahren traumatisches erlebt haben. „Ich habe 200 Euro von dem gesammelten Geld an ihn gespendet“, so Heike Zimmermann, wieder klingt ihre Stimme brüchig. Sie schluckt.


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„Ich habe nie einen Krieg miterlebt, aber ich kam mir vor wie im Krieg“, sagt Heike Zimmermann. Abends, wenn sie nach Hause kam, habe sie geweint. Musste den Emotionen freien lauf lassen, die Eindrücke verarbeiten. „Ich rede viel mit meinem Mann über das Erlebte“, sagt sie. Ob die Entscheidung zu fahren die richtige gewesen sei? „Ja, definitiv.“ Die Solidarität der Menschen habe sie beeindruckt, sowohl auf Föhr als auch in den betroffenen Gebieten, kamen doch Helfer aus ganz Deutschland, um mit anzupacken. „Ich glaube nicht, dass es das letzte Mal gewesen ist, dass ich da unten war.“

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