Bundestagswahl 2021

„Er könnte mein Nachbar sein“ – das steckt hinter dem Habeck-Hype in Flensburg

Das steckt hinter dem Habeck-Hype in Flensburg

Das steckt hinter dem Habeck-Hype in Flensburg

SHZ
Flensburg
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Robert Habeck bei einer Wahlkampfveranstaltung in Flensburg. Foto: imago images/Political-Moments/shz.de

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Zum ersten Mal überhaupt hat ein Direktkandidat der Grünen den Wahlkreis 1 gewonnen. Die meisten Stimmen holte Habeck in Flensburg. Wähler und der Sozialpsychologe Harald Welzer erklären, was den Habeck-Hype ausmacht.

Es war gegen 22 Uhr am Sonntagabend, als feststand: Der Grünen-Direktkandidat Robert Habeck wird die CDU-Ära im Wahlkreis 1 (Flensburg-Schleswig) beenden. In der Stadt Flensburg lag Habeck mit mehr als doppelt so vielen Stimmen vorne und konnte so den Wahlkreis für sich entscheiden.

Weiterlesen: Robert Habeck gewinnt Direktmandat: Das Endergebnis im Wahlkreis 1

Nicht erst seit dieser Wahl gilt Habeck als Mann der Mitte, als Sympathieträger und als jemand, der den Grünen möglicherweise ein neues Image verleiht. Dass das offenbar auch bei der Bundestagswahl eine Rolle spielte, zeigt vor allem das starke Erststimmen-Ergebnis. In einigen Gemeinden erhielt Habeck doppelt so viele Erststimmen wie seine Partei Zweitstimmen.

Warum kommt der Grünenpolitiker aus Flensburg so gut an? Was macht den Habeck-Hype aus? Wir haben uns in seiner politischen Heimat umgehört; in der Norderstraße in Flensburg. Hier, in der Nähe des Grünen-Parteibüros, stimmten in den Wahllokalen Gesundheitshaus 1 und 2 jeweils 47,2 und 50,7 Prozent der Flensburger für Habeck.

Auftreten wie ein Kumpel

„Aus Sympathie natürlich“, ist sich Norbert Fehlhaber sicher und fügt hinzu: „Ich glaube, dass er ein Sympathieträger ist, weil er von hier kommt.“


Ein wichtiger Faktor, findet auch Adriana aus Flensburg. Zudem spricht sie auch sein Auftreten im Fernsehen an: „Er trägt kein weißes Hemd, keine Krawatte. Er könnte mein Nachbar sein“, sagt sie. „Ich finde schon, dass er eine Persönlichkeit ist. Er wirkt wie ein Kumpel, nicht wie ein Politiker.“


Außerdem wirke er authentisch, findet die 23-Jährige Verena: „Er hat nicht so ein missionarisches Auftreten, vertritt aber trotzdem seine Meinung und steht für seine Werte.“ Sie könne sich vorstellen, dass bei Wahlen die Persönlichkeit viel ausmache und Themen eher zweitrangig seien. Ihre Freund Stine ergänzt: „Ich finde, dass er ein frisches Auftreten hat, auf Augenhöhe.“


Parteiintern löst der Zuspruch für Habeck auch Erwartungen aus: „Natürlich haben wir die berechtigte Hoffnung, dass wir mit Robert Habeck in Berlin eine starke Stimme für die Interessen unseres Wahlkreises haben“, sagt Clemens Schmidt, Fraktionsvorsitzender der Grünen in Flensburg.

„Die Art ist es, die den Erfolg ausmacht“, meint er und beschreibt damit auch die Weise, mit der aus seiner Sicht der Wahlkampf geführt wurde. „Er verkörpert das, was Menschen in diesem Wahlkampf glaube ich gerne noch mehr gesehen hätten“, so Schmidt. Statt Negativ-Kampagnen zu führen habe man den Fokus auf mögliche Lösungen für Zukunftsaufgaben gesetzt. Das würden die Wähler honorieren.

Stärkere Personalisierung des Wahlkampfes

Die Strategie der Grünen im Wahlkampf sei ohnehin ein anderer kommunikativer Stil gewesen, erklärt Sozialpsychologe Harald Welzer: Statt „Wir wissen, wo es langgeht“ hätten Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und Habeck sich abwägend verhalten. „Das kommt gut an“, sagt Welzer und mit Blick auf den Flensburger Direktkandidaten: „Der kann auch witzig sein.“ Als Beispiel führt er die Koalitionsgespräche an, die Habeck in einer Fernsehsendung mit Beziehungsgesprächen verglichen hatte. „So etwas bringen andere nicht“, sagt Welzer. Sie seien durch die Medienlandschaft darauf bedacht, bloß nichts Falsches zu sagen.


Habeck hingegen sei jemand, mit dem man sich auch „an der Mülltonne treffen würde“, um sich zu unterhalten. Grundsätzlich würden starke Persönlichkeiten künftig in Wahlkämpfen immer wichtiger werden: „Wir haben seit Langem eine Tendenz zur Personalisierung“, erklärt der Soziologe. Das würde auch mit dem veränderten Medienverhalten zusammenhängen.

Kommunikation über soziale Medien

Politiker würden zunehmend nicht mehr die Umwege über redaktionelle Systeme oder Organisationen nehmen, sondern über die sozialen Medien direkt kommunizieren. Personen würden mehr in den Fokus rücken, als dass, was politisch vertreten wird. Habeck selbst kommuniziert verhältnismäßig zurückhaltend über die Netzwerke. 2019 löschte er seine Profile bei Twitter und Facebook. Auf seinem Instagram-Account ließ er seine Follower am Bundestagswahlkampf teilhaben.

Es gibt aber auch andere Beispiele, besonders in den USA bestimmen soziale Medien immer mehr den Wahlkampf. Welzer verweist auf kritische Aspekte dieser Entwicklung: Sie sei „die große Stunde der Populisten“ gewesen. „Da sieht man am deutlichsten, welchen Einfluss soziale Medien haben. Für die Demokratie ist das keine gute Entwicklung.“

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