Schleswig-Holstein

Einzigartig in Deutschland: Darum steht in SH die Frauenhausfinanzierung

Einzigartig in Deutschland: Darum steht in SH die Frauenhausfinanzierung

Darum steht in SH die Frauenhausfinanzierung

Inga Gercke
Schleswig-Holstein
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In Schleswig-Holstein werden die Frauenhäuser über den kommunalen Finanzausgleich (FAG) finanziert. Nun fordert das Land eine bundeseinheitliche Finanzierung. Foto: Steffi Loos/ddp

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Auch in Schleswig-Holstein sind die Frauenhäuser voll. Pläne für neue Häuser sind bereits in der Mache. Die Finanzierung läuft in SH anders als im Rest der Republik. Das Problem: Gewalt kennt keine Grenzen. Also macht der Norden dem Bund nun ...

Gewalt beginne nicht erst mit Schlägen. Bedrohungen, Beschimpfungen und Kontrolle gehörten genauso dazu. Und Gewalt finde überall statt: Zuhause, auf der Arbeit, im öffentlichen Raum und im Netz. Das sagt Beate Raudies (SPD) in dieser Landtagssitzung. Und: „Gewalt kann Menschen aller sozialen Schichten und jeden Alters treffen.”

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Jede dritte Frau ist betroffen

In Deutschland wird etwa jede dritte Frau im Erwachsenenalter mindestens einmal Opfer von sexueller oder körperlicher Gewalt. Knapp jede vierte Frau erfährt diese Formen von Gewalt innerhalb von Partnerschaften, heißt es in einer Studie der EU-Grundrechte-Agentur. Die kriminalstatistische Auswertung des Bundeskriminalamts zeigt: 2021 gab es insgesamt 115.342 Frauen, die Opfer von Gewalt in Partnerschaften wurden – 301 wurden von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. In Schleswig-Holstein sind demnach jährlich etwa 4000 Frauen und Kinder betroffen. 

16 Frauenhäuser in Schleswig-Holstein

Betroffene Frauen können in ein Frauenhaus flüchten. In Schleswig-Holstein gibt es davon derzeit 16 mit insgesamt 358 landesfinanzierten Plätzen, so Julia Bousboa, Sprecherin des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Hinzu kämen in einigen Regionen noch kommunal finanzierte Plätze, die jedoch nicht einheitlich erfasst werden.

Zu wenig Plätze in Schleswig-Holstein

Und trotzdem: „Unsere Frauenhäuser sind grundsätzlich immer stark ausgelastet und die freien Plätze rar. Immer wieder kommt die Rückmeldung, dass tagelang landesweit kein einziger Platz in ganz Schleswig-Holstein verfügbar ist”, sagt Dagmar Hildebrand (CDU) im Landtag.  Jette Waldinger-Thiering vom SSW ergänzt: „Es zeichnet sich ab, dass viele dieser Angebote nicht nur pandemiebedingt, sondern auch infolge der Ukrainekrise oder der Situation in Afghanistan und im Iran verstärkt in Anspruch genommen werden. Wir brauchen weitere Frauenhausplätze, und wir sollten auch darauf achten, dass diese regional verteilt sind.”

In diesem Punkt sind sich ausnahmsweise alle Fraktionen im Landtag einig: Plätze in Frauenhäusern sollen weiter ausgebaut und gesichert werden.

Frauenhausfinanzierung über den Finanzausgleich

In Schleswig-Holstein werden Frauenhäuser über den kommunalen Finanzausgleich (FAG) finanziert. Aktuell fließen 8,4 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt für diesen Zweck ab, eine jährliche Steigerung von 2,5 Prozent ist geplant. Dieses Modell ist deutschlandweit einzigartig – ein einheitlicher und verbindlicher Rechtsrahmen für die Finanzierung von Frauenhäusern existiert nicht. Rechtsvorschriften und Finanzierungsbeiträge für Frauenhäuser unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. 

Bundeseinheitliche Finanzierung gefordert

Deshalb sei es wichtig, dass Berlin eine bundeseinheitliche Finanzierung aufstelle und sich über eine Regelfinanzierung an den Kosten beteilige, sagt Jette Waldinger-Thiering.

So soll die öffentliche Hand alle Plätze in den Einrichtungen grundsätzlich finanziell absichern, unabhängig davon, ob sie belegt sind oder nicht. Dies sei im Lande bereits der Fall, so Beate Raudies (SPD): „Der Bund soll unser Modell als Vorbild nehmen.“

Studie nennt SH „vorbildlich“

In der oben genannten Bedarfsanalyse steht: „Im bundesweiten Vergleich hat Schleswig-Holstein mit dem FAG ein vorbildliches Finanzierungsmodell auf Landesebene geschaffen, welches eine sozialleistungs- bzw. einzelfallunabhängige Finanzierung der Frauenhäuser gewährleistet.“

In anderen Teilen in Deutschland sieht die Situation anders aus. Dazu Catharina Nies (Grüne): „Gewalt macht nicht an Grenzen halt, nicht an Bundesgrenzen, nicht an Landesgrenzen, und nicht an Kreisgrenzen.” Man müsse davon ausgehen, dass auch schleswig-holsteinische Frauen in Hamburg, Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern Schutz suchen, wenn sie vor einem gewaltbereiten Ehemann fliehen müssten. „Genauso wie auch andersherum“, sagt sie. Die Forderung ist also klar: Frauenministerin Aminata Touré (Grüne) soll sich auf Bundesebene für ein einheitliches Modell starkmachen. Das werde sie tun, so Touré.

Weitere Probleme könnten Problem vertsärken

Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband begrüßt den Vorschlag. Gleichzeitig macht er auf ein weiteres Problem aufmerksam: Häufig hänge die lange Verweildauer mit dem strukturellen Mangel an bezahlbarem Wohnraum zusammen, sagt Julia Bousboa. Auch Frauenberatungsstellen hätten lange Wartelisten, und es gebe landesweit zu wenig Therapieplätze.  

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