Ungeimpft auf Station

Corona-Impfpflicht: Itzehoer Krankenschwester fühlt sich ausgegrenzt und unter Druck gesetzt

Corona-Impfpflicht: Itzehoer Krankenschwester fühlt sich ausgegrenzt

Impfpflicht: Krankenschwester fühlt sich ausgegrenzt

SHZ
Itzehoe
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Intensivstation im Krankenhaus: Ab dem 15. März ist die Corona-Impfung für Mitarbeiter in deutschen Krankenhäusern Pflicht. Foto: Bodo Schackow/shz.de

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Eine Mitarbeiterin am Klinikum Itzehoe berichtet, warum sie die Impfpflicht für Krankenhauspersonal ab März ablehnt. Ihr Arbeitgeber widerspricht vehement. Sie wünscht sich eine breite gesellschaftliche Debatte.

Eigentlich liebe sie ihre Arbeit sehr, sagt Stefanie W.*. Deshalb sei sie überhaupt noch dabei. Doch im Moment fühle sie sich an ihrem Arbeitsplatz im Klinikum Itzehoe ausgegrenzt und von ihrem Arbeitgeber unter Druck gesetzt, sagt die Krankenschwester.

Ihren richtigen Namen möchte sie lieber nicht in der Presse lesen. W. ist eine von wenigen Pflegekräften im Itzehoer Krankenhaus, die bisher nicht gegen das Coronavirus geimpft wurden. Laut dem Klinikum sind etwa 75 der 2500 Beschäftigten noch ungeimpft. Zirka 60 davon haben in ihrer regulären Arbeit Kontakt zu Patienten. Ab Mitte März gilt für Beschäftigte in Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen eine Impfpflicht.

Was das dann für sie konkret bedeute, wisse sie noch gar nicht, sagt W. Aber sie wünscht sich einen breiten gesellschaftlichen Diskurs über diese berufsbezogene Impfpflicht. W. hält sie für einen Fehler. Ihr Arbeitgeber nicht: „Wir unterstützen inhaltlich die Forderung des Gesetzes voll“, sagt Georg Hillebrand, stellvertretender Ärztlicher Direktor des Klinikums.

Dass es das Coronavirus gibt, bestreitet die langjährige Krankenschwester W. nicht. Ebenso wenig, dass Menschen daran gestorben sind. „Ich befürchte, es werden auch noch mehr daran sterben“, sagt sie. Doch die Impfung müsse trotzdem die freie Entscheidung jedes einzelnen bleiben. W. lehnt sie derzeit für sich ab, schließt eine Impfung für die Zukunft aber nicht kategorisch aus.

Misstrauen gegenüber mRNA-Impfstoffen

Sie ist der Meinung, insbesondere die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna seien immer noch zu wenig erforscht. Diese hätten nach wie vor nur eine Notfallzulassung, sagt W. Den inzwischen auf Milliarden von Impfungen beruhenden Empfehlungen von Institutionen wie der Ständigen Impfkommission (Stiko) oder der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA traut sie nicht. Diese seien viel zu sehr von der Politik beeinflusst. Experten, die einen anderen Standpunkt vertreten, kämen dort nicht zu Wort. Dabei gebe es durchaus „gute Argumente“ für einen zurückhaltenderen Einsatz der Impfstoffe. Sie sei gesund und halte deshalb für sich persönlich mögliche Risiken der Impfung für größer als die einer Infektion mit dem Coronavirus, sagt W.

Den vielen Ärzten, die auch in ihrem Haus die Impfung dringend empfehlen, wirft sie einen naiven Umgang mit den Impfstoffen vor. Sie glaubt in ihrem Umfeld wahrgenommen zu haben, dass das Immunsystem von Kollegen und Bekannten durch die Impfung allgemein geschwächt worden sei. Dem stehe kein ausreichender Nutzen gegenüber Corona gegenüber. Geimpfte würden sich trotzdem infizieren. „Für mich ist die Impfung gescheitert.“

Überhaupt nicht verstehen kann W., warum sie sich für ihre Arbeit im Krankenhaus nun impfen lassen soll. „Ich muss mich als Ungeimpfte seit längerem jeden Tag testen und bin daher für die Patienten weniger ein Risiko als die geimpften Kollegen.“ Zudem nehme sie die Hygieneregeln sehr ernst. Gerade die geboosterten Kollegen, die sich seltener testen müssten, stellten ein größeres Risiko dar. „Wenn ich so eine große Gefahr wäre, warum darf ich dann jetzt noch arbeiten, aber ab dem 15. März darf ich es nicht mehr?“

Dem widerspricht Georg Hillebrand deutlich. „Es ist richtig, dass sich Ungeimpfte häufiger testen müssen, was gesetzlich auch so vorgegeben ist. Die Folgerung ist aber falsch. Zum einen weisen Geimpfte und insbesondere Geboosterte im Falle einer Infektion eine geringere Viruslast und damit auch eine geringere Übertragungswahrscheinlichkeit auf“, erklärt der Chefarzt. „Dazu gibt es unter anderem aktuelle israelische Studien. Eine Impfung verhindert leider nicht zu 100 Prozent eine Infektion oder Übertragung, aber das Risiko wird deutlich verringert.“

Tests bei Omikron nur „Krücke“

Zum anderen seien die Tests „eine Krücke“, weil sie vor allem bei der Omikron-Variante erst anschlagen, wenn die Viruslast sehr hoch ist. „Leider sind die Infizierten aber auch schon infektiös, bevor der Test anschlägt. Die Impfung hat einen besseren Effekt, insofern ist es aus unserer Sicht richtig, dass die Test-Regelung hin zur Impfpflicht geändert wird“, so Hillebrand.

Der Zeitpunkt für diese Änderung wurde nicht in Itzehoe festgelegt, sondern in Berlin. Bis dahin sorge das Klinikum mit umfangreichen Schutzmaßnahmen dafür, eine Gefährdung von Patienten zu minimieren. Aber: „Relativ gesehen ist die Gefährdung durch ungeimpfte Mitarbeiter etwas größer als durch geimpfte, deshalb befürworten wir auch, dass alle Mitarbeiter, die mit Patienten in Kontakt kommen, geimpft sein sollten“, sagt Hillebrand. Bisher gebe es dafür keine rechtliche Grundlage, ab 15. März sei dies nun gesetzlich geregelt.

Stefanie W. ist enttäuscht vom Umgang ihres Krankenhauses mit der Impfpflicht. An die Politik habe sie ohnehin keine großen Erwartungen, aber dass die Krankenhausleitungen nicht protestiert hätten, dass verdiente Mitarbeiter durch die Impfpflicht aus dem Beruf gedrängt werden, verstehe sie nicht. „Dafür gab es keinen Anlass“, sagt der stellvertretende Ärztliche Direktor. Das Klinikum stehe „inhaltlich hinter der Impfung“ und habe zudem bereits durch eine umfangreiche Aufklärungs- und Impfkampagne früh eine sehr hohe Impfquote erreicht. „Mit unserer Auffassung stehen wir nicht alleine da“, macht Hillebrand deutlich. „Es gab es auch seitens der übergeordneten Verbände wie zum Beispiel der Krankenhausgesellschaft keine Proteste gegen die Impfpflicht.“

Stefanie W. sagt, auch der persönliche Umgang mit ihr habe sie gekränkt. Das Verhalten des Klinikums sei „schäbig“ gegenüber Mitarbeitern, für die eine Fürsorgepflicht bestehe. „Niemand hat sich ernsthaft mit meinen Beweggründen beschäftigt“, sagt W. Gespräche gebe es nicht mehr, habe man ihr signalisiert, und mit dem Verlust des Arbeitsplatzes gedroht. Das Klinikum weist diese Kritik zurück und betont, es gebe seit mehr als einem Jahr eine „sehr intensive Aufklärungs- und Beratungskampagne“. Zudem seien der Ärztliche Direktor Michael Kappus wie auch sein Stellvertreter Georg Hillbrand „jederzeit“ zu Einzelgesprächen bereit – ebenso wie Vorgesetzte in den verschiedenen Bereichen. Dies gelte auch weiterhin. Das Klinikum nehme individuelle Sorgen durchaus ernst, bleibe aber bei seiner positiven Einschätzung der Corona-Schutzimpfung, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhe.

Mitarbeiter werden ohne Bezüge freigestellt

Krankenschwester W. bemängelt weiter, dass ihr bisher niemand gesagt habe, was die Impfpflicht nun konkret für sie bedeutet. Muss sie sich nach einer neuen Arbeit umsehen? Oder wird sie nur für eine bestimmte Zeit freigestellt? „Vielleicht bis man uns wieder braucht?“

Die Gesetzgebung sei da ganz eindeutig, erklärt Gunda Dittmer, Leiterin des Personalmanagements am Klinikum Itzehoe. Sie schreibe vor, dass ausnahmslos alle Mitarbeiter bis zum 15. März ihren vollständigen Impfnachweis erbracht haben müssen. „Sofern ein ungeimpfter Mitarbeiter keine medizinisch attestierte Contra-Indikation für eine Impfung vorweist oder einen Nachweis über die Genesung von einer Covid-Erkrankung vorlegen kann, darf er in diesen Einrichtungen nicht mehr tätig sein“, sagt Dittmer. Die betroffenen Mitarbeiter würden daher freigestellt. „Da sie ihre Arbeitsleistung nicht mehr erbringen, erhalten sie auch kein Gehalt. Sie sind formal jedoch weiterhin Mitarbeiter. Sofern sie einen entsprechenden Nachweis vorlegen, der eine Beschäftigung erlaubt, können sie also ihre Tätigkeit wieder aufnehmen.“

W. hat die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, dass sie vielleicht doch über den 15. März hinaus arbeiten darf. „Wenn, dann aber nur, weil mir der Beruf so am Herzen liegt. Es gibt Momente, da möchte ich der Pflege eigentlich für immer den Rücken kehren.“ Georg Hillebrand sagt, das Klinikum würde sich freuen, die betreffenden Mitarbeiter zu behalten. Der Klinikbetrieb werde dank der hohen Impfquote auch nach dem 15. März reibungslos weiterlaufen. Wenn sich die bisher ungeimpften Beschäftigten doch noch für eine Impfung entscheiden, seien sie aber willkommen.

* Richtiger Name der shz-Redaktion bekannt

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