Fahretoft

Besondere Einblicke in das Leben der alten Friesen in der Hans-Momsen-Schule

Besondere Einblicke in das Leben der alten Friesen in der Hans-Momsen-Schule

So war das Leben der alten Friesen in der Hans-Momsen-Schule

Lilly Nielitz-Hart/shz.de
Fahretoft
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Hans-Otto Meier im regionalen Volkskundemuseum Fahretoft - hier wird das Leben und der Berufsalltag der Halligbewohner dokumentiert. Foto: Lilly Nielitz-Hart/shz.de

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Wie wurde früher, als die Nordsee noch vor der Tür lag, gelebt, gekocht oder Landwirtschaft betrieben? Antworten gibt es in einer besonderen, ehrenamtlich organisierten Sammlung in Fahretoft.

Im Gebäude der Hans-Momsen-Schule in Fahretoft, dem heutigen Gemeindehaus, bietet das Regionale Volkskundemuseum Einblick in den Lebens- und Schulalltag längst vergangener Zeiten im Friesendorf. Bis zur Schließung der Schule im Jahr 2009, fand hier auch noch Friesisch-Unterricht statt.

Die Sammlung des Museums hat Hans-Otto Meier zusammengetragen, der von 1971 bis 1981 Schulleiter der Hans-Momsen-Schule war. Nach der Gründung des Heimatvereins Dagebüll im Jahr 1982 begann er mit der Dokumentierung des Lebensalltags und der Handwerksberufe in der Marsch, zunächst anhand von Gesprächen mit den Einwohnern.

Landwirtschaft war Kampf gegen die Elemente

Viele trugen ihre Fotos und alten Gerätschaften bei, die sie noch auf dem Dachboden hatten, wie zum Beispiel Werkzeuge zur Reetdachdeckerei, alte Bügeleisen oder Schuhmacherwerkzeug. Paralell dazu hat Meier eine mehrbändige Chronik über die Geschichte des Dagebüller Ortsteils verfasst, die er bis heute fortschreibt. 

Beim Rundgang durch das Museum wird deutlich, dass das Leben auf der Hallig kein Zuckerschlecken war. Die Landwirtschaft auf dem Marschboden war ein mühsames Unterfangen und ein ständiger Kampf gegen die Elemente. In den Großfamilien mussten alle Familienmitglieder mit anpacken, auch die Großeltern und die Kinder. Grundsätzlich wurde alles selbst gemacht, sogar die Brennstoffe für die Öfen.

Gas aus der Leitung gab es noch nicht, Kohle war zu teuer. Da es zudem kaum Holz gab, seien Kinder dazu verdonnert worden, Schafsköttel einzusammeln, die als Brennstoff genutzt werden konnten. Noch viel mühsamer war die Trocknung von Kuhfladen, sogenannte „Didden“.

Hierzu wurde mehrere Monate Kuhmist gesammelt, der dann auf dem Warfthang ausgebreitet wurde. Nur mit Socken bekleidet knetete dann die ganze Familie die Fladen mit ihren Füßen platt, sodass sie austrocknen konnten. „Der so gewonnene Brennstoff war so wertvoll, dass man ihn nur zum Kochen verwendete, nicht zum Heizen“, erklärt Meier.

Schulkinder sprachen ausschließlich Friesisch

Wie er in seiner Chronik berichtet, sprachen um 1920 die Schulkinder aus den Gemeinden Dagebüll-Fahretoft-Waygaard ausschließlich Friesisch. Erst in der Schule lernte man Hochdeutsch. Bis 1969 sprach hingegen nur noch rund ein Drittel der Kinder Friesisch. „Vor dieser Zeit hat es noch Wanderlehrer gegeben, die mit selbst geschriebenen Büchern von Schule zu Schule zogen,“ erklärt Meier. 

Im Schuljahr 1981/82 erhielt die Fahretofter Schule von Schulamt und Elternschaft die Genehmigung, für die 1. und 2. Klasse Friesisch-Unterricht einzuführen. Ein Jahr später wurde dies auf die 3. und 4. Klasse ausgeweitet. Den Unterricht leitete Greta Johannsen, die heute im Vorstand im Verein Hans-Momsen Gesellschaft ist. Da Friesisch eine Volkssprache war und keine Amtssprache, war dafür kein Unterricht vorgesehen und es gab kein Lehrmaterial.

„Für Friesisch gab es keine Lehrpläne“, sagt sie, „wir hatten alle Freiheiten.“ Zusammen mit den Lehrern von Föhr und Amrum habe man selbst die Unterrichtsmaterialien erstellt. Johannsen entwarf auch das Modell der sogenannten „Sprachpaten“, die den Kindern bei der Aussprache und dem Schreiben der Wörter behilflich waren. Ab 1988 wurde auf diese Weise jedem Kind beim Friesischunterricht einmal in der Woche ein friesischsprechender Erwachsener zur Seite gestellt.

35 Jahre Sprachpatin

Johannsen gewann hierfür etliche Fahretofter und Fahretofterinnen, wie zum Beispiel Catharine Feddersen, bekannt unter dem Spitznamen “Muschen“. Feddersen war mehr als 35 Jahre lang als Sprachpatin aktiv und war bei den Kindern besonders beliebt, wie Johannsen bestätigt. „Für die Kinder war es, als wären Oma und Opa mit in der Schule“, erklärt sie. 

Auf Kinder übt heute besonders das alte Schulzimmer magische Anziehungskraft aus. „Wenn Kinder uns besuchen, spielen wir hier Schule“, erklärt Hans-Otto Meier. Dann schaut man sich alte Lehrpläne an und staunt über die alten Schulhefte aus dem Jahr 1841 in Sütterlinschrift. Im Glaskabinett finden sich noch weitere seltene Objekte, wie ein „Frasch Leseböck“ (Friesisches Lesebuch), aber auch ein Rohrstock, mit dem Kinder bestraft wurden. 

„Heute kommt kein Kind mehr in die Schule und spricht Friesisch“, bedauert die Fahretofterin Greta Johannsen. 2009 wurde die Schule geschlossen und zum Museum umgewandelt, damit endete auch der regelmäßige Friesisch-Unterricht für Schulkinder.

Museum bietet Führungen an


Das Regionale Volkskundemuseum Fahretoft bietet Führungen ab fünf Teilnehmern nach Voranmeldung an. Kontakt: Heimatverein Dagebüll, Hans-Otto Meier, Tel. 04674 366, www.heimatverein-dagebuell.de.

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