EC-Karten-Ausfall

Bargeld ist das neue Klopapier, oder: Über Geld spricht man doch!

Bargeld ist das neue Klopapier, oder: Über Geld spricht man doch!

Bargeld ist das neue Klopapier

SHZ
Kiel
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Her mit der Kohle: Das Bargeld hat endlich wieder seinen verdienten Stellenwert erlangt. Foto: dpa/Holger Hollemann/shz.de

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Nur Bares ist Wahres: Warum die Menschen wegen der Probleme bei der Kartenzahlung jetzt vor den Bankautomaten Schlange stehen

Bezahlen Sie einfach mit Ihrem guten Namen. Mit diesem Slogan warb ein großer Finanzdienstleister einst für seine Kreditkarte, irgendwann Mitte der 1990er-Jahre. Damals gab es in Deutschland noch die D-Mark, der Kanzler hieß Kohl und der deutsche Fußballmeister nicht immer nur Bayern München. In diesen goldenen Endjahren des Jahrtausends war die Kartenzahlung noch was für ganz hippe Leute, die weiße Tennissocken in Lederslippern trugen und schuhkartongroße Mobiltelefone im Auto durch die Gegend fuhren.

Bargeld ist das nächste große Ding!

Heute zahlen die meisten Menschen mit Karte oder gleich mit dem Mobiltelefon, beides gehört längst zum Alltag. Bargeld? Ist was für Menschen, die auch noch um 20.15 Uhr Tagesschau gucken. Ha, von wegen! Bargeld ist derzeit DER neue Hype, megaangesagt, extrem begehrt und Definitely! The! Next! Big! Thing! Denn seit ein paar Tagen ist es nicht mehr möglich, mit dem guten Namen zu bezahlen, was natürlich nicht mit einem potentiellen Wertverlust des jeweiligen guten Namens zusammenhängt, sondern mit den vermaledeiten Kartenlesegeräten. Die streiken nämlich. Genauer gesagt: Die Software der Geräte streikt. Und plötzlich ist sie wieder da, die Stunde des Bargelds. Vor wenigen Monaten wurde noch ernsthaft darüber diskutiert, ob man dieses dreckige, altmodische und über die Maßen virenverseuchte Bargeld nicht einfach abschaffen sollte – so wie in Skandinavien, wo die glücklichsten Menschen des Universums jeden einzelnen Kaugummi mit Kreditkarte bezahlen. Wollen mal sehen, wie glücklich die noch sind, wenn dort erst einmal das gleiche Virus grassiert wie bei uns (nein, nicht Corona). Dann geht nämlich gar nichts mehr in der großen Black Box hinter den Kartenlesegeräten, weder an der Supermarktkasse, noch beim Tanken oder in Restaurants.

Der Run auf die Geldautomaten hat eingesetzt

So wie im Mangelstaat Deutschland, in dem die armen, armen Menschen sich gerade erst von der Verknappung des Klopapiers erholt hatten, nur um direkt auf einer versiegenden Speiseölspur ins nächste Nudel- und Mehldrama zu schlittern. Und nun auch noch: drohende Geldknappheit! Ein nie dagewesener Run auf die Geldautomaten hat eingesetzt, die Menschen decken sich mit großen Scheinen ein, solange es noch welche gibt. Sie schlachten unschuldige Sparschweine und suhlen sich im Kleingeld ihrer Kinder. Hat irgendjemand mal behauptet, über Geld spreche man nicht? Aber natürlich spricht man drüber: Geld, Geld, Geld!

Endlich ist der Finanzminister wirklich Herr über Münzen und Scheine

Plötzlich werden Menschen, die als Hinterwäldler galten, weil sie Geld in Socken oder unter Matratzen gehortet haben, zu Visionären und Krisengewinnern. Selbst Mark und Pfennig sind plötzlich wieder attraktiv, von beidem haben die Deutschen bekanntlich auch noch ein paar Milliarden in Schubläden und Gurkengläsern verwahrt. Und über diesen wachsenden monetären Irrsinn gewinnt natürlich auch der Job des deutschen Finanzministers wieder an Glanz und Einfluss. Nix mehr mit Krypto, PayperView, Kontaktlos-Karten und diesem ganzen Gedöns. Nur Bares ist Wahres und Christian Lindner wird wie weiland Onkel Dagobert zum Herren über alle Scheine und Münzen. Liberale Geldpolitik – endlich!

Oder um es in den Werbe-Worten für die Kreditkarte eines anderen großen Finanzdienstleisters zu sagen: Einkaufen – 60 Euro. Tanken – 100 Euro. Essen gehen – 150 Euro. Bargeld in der Tasche – unbezahlbar!

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