Außenpolitik

Baerbock: G7-Gipfel in Schleswig-Holstein beginnt

Baerbock: G7-Gipfel in Schleswig-Holstein beginnt

Baerbock: G7-Gipfel in Schleswig-Holstein beginnt

SHZ
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Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) gibt ein Pressestatement zu Beginn des Gipfeltreffens der Außenminister der G7-Gruppe der führenden demokratischen Wirtschaftsmächte. Foto: Kay Nietfeld/dpa Foto: Kay Nietfeld Foto: 90037

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Der russische Krieg gegen die Ukraine steht im Mittelpunkt einer Serie diplomatischer Beratungen in Deutschland, die bis kommenden Sonntag dauern. Doch es soll auch um andere Themen gehen.

Außenministerin Annalena Baerbock hat sich zurückhaltend zur ukrainischen Forderung nach der Lieferung westlicher Kampfjets geäußert.

Zu Beginn eines Treffens der Außenminister der G7-Gruppe der führenden demokratischen Industrienationen in Weißenhäuser Strand an der Ostsee verwies die Grünen-Politikerin am Donnerstag auf die bisherige Haltung zur Einrichtung von Flugverbotszonen. Auch zur Lieferung von „Flugmaterialien haben wir uns ja bereits deutlich positioniert“.

Bundesregierung und Nato sind strikt gegen die Einrichtung einer Flugverbotszone über der Ukraine, da befürchtet wird, dass es bei deren Durchsetzung zu einer direkten Konfrontation zwischen der Nato und Russland kommen könnte. Dann bestünde die Gefahr, dass sich der Krieg in der Ukraine dramatisch ausweitet.

Bei ihrem Besuch in Kiew an diesem Dienstag habe sie „darüber gesprochen, wie wir die Ukraine unterstützen können, vor allen Dingen bei ihrer Wehrhaftigkeit, bei ihrer Verteidigungsfähigkeit, ohne dazu beizutragen, dass die Nato Kriegsteilnehmer in diesem Krieg wird“, sagte Baerbock.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hatte zuvor bei seinem Deutschland-Besuch die Lieferung westlicher Kampfjets und Raketenabwehrsysteme für die Verteidigung seines Landes gegen Russland gefordert. An diesem Freitag soll Kuleba an dem Treffen der G7-Außenminister teilnehmen.

G7 will Blockade ukrainischer Getreideexporte brechen

Die G7-Gruppe der führenden demokratischen Industrienationen will außerdem sicherstellen, dass die Ukraine trotz des russischen Angriffskriegs ein bedeutender Getreideexporteur bleiben kann. Man berate gemeinsam darüber, wie man die derzeit von Russland ausgeübte Getreideblockade deblockieren und ukrainisches Getreide in die Welt bringen könne, sagte Baerbock. Derzeit seien wegen des Kriegs 25 Millionen Tonnen Getreide in ukrainischen Häfen blockiert, insbesondere in Odessa.

Das Getreide werde dringend in afrikanischen Ländern und im Nahen Osten gebraucht, sagte Baerbock. Am Himmel braue sich eine Ernährungskrise zusammen, die durch durch die globalen Klimaauswirkungen noch einmal verschärft werde. Die Ukraine zählt weltweit zu den wichtigsten Getreidelieferanten. So war sie 2021 nach Zahlen der Welternährungsorganisation der UN noch drittgrößter Exporteur von Gerste und fünftgrößter Exporteur von Weizen.

EU-Kommission warnt vor gefährlicher Situation

Kurz vor Baerbock hatte bereits die EU-Kommission vor einer gefährlichen Situation gewarnt. „20 Millionen Tonnen Getreide müssen die Ukraine in weniger als drei Monaten verlassen“, sagte die für Verkehr zuständige EU-Kommissarin Adina Valean in Brüssel. Das Getreide drohe die Lagerstätten zu blockieren, die für die nächsten Ernten benötigt würden. Die Ukraine kann wegen der durch Russland blockierten Häfen im Schwarzen Meer derzeit nicht wie früher exportieren. Die EU-Kommission will deswegen nun den Transport über den Landweg - also über Straße und Schiene - erleichtern.

Die Ukraine wirft Russland auch vor, ukrainische Getreidelager geplündert und Agrarprodukte ins eigene Land gebracht oder vernichtet zu haben. Russlands Präsident Wladimir Putin kündigte am Donnerstag an, dass er in diesem Jahr eine Rekordernte beim Weizen erwartet und die Exporte steigern will. Russland ist einer der größten Getreideproduzenten weltweit mit einer wichtigen Rolle für die Welternährung.

Baerbock sagte, es sei Putins Ziel, „diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg ebenso dafür zu nutzen, die Weltgemeinschaft zu spalten“. Dem stelle sich die G7-Gruppe entgegen. Solidarisch stehe man an der Seite der Ukraine und an der Seite aller Länder, „die unter den brutalen Folgen dieses Angriffskrieges leiden“. Baerbock ergänzte: „Deswegen setzen wir heute ein deutliches Signal: Wir sehen euch, wir hören euch und wir unterstützen euch.“

Energie- und Versorgungssicherheit

Baerbock berät ab heute mit ihren Amtskollegen aus der G7-Gruppe der führenden demokratischen Industrienationen über die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.

In diesem Zusammenhang soll es auch um Energie- und Ernährungssicherheit gehen. Die Entwicklungsorganisation One rief die G7-Gruppe dazu auf, insbesondere auf die ärmsten Länder Rücksicht zu nehmen. Die Runde müsse ihrer Verantwortung gerecht werden „und sich diesen multiplen Krisen ganzheitlich und allumfassend widmen. Dabei dürfen die G7 Afrika nicht vergessen“, sagte Stephan Exo-Kreischer, Direktor von One Deutschland, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

„Die G7 haben nicht nur die Chance, sondern die Verpflichtung, hier gegenzusteuern“, betonte Exo-Kreischer. Die Corona-Pandemie habe bisher mindestens 15 Millionen Menschen das Leben gekostet und mehr als 20 Länder an den Rand eines Staatsbankrotts gebracht. Die Klimakrise habe noch drastischere Auswirkungen gerade auf jene Menschen, die am stärksten von Armut betroffen seien.

Derzeit hätten über 850 Millionen Menschen nicht genug zu essen – das seien 55 Millionen mehr seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine. Um die Probleme der Ernährungssicherheit anzugehen, müssten die humanitären Appelle vollständig finanziert und die wirtschaftliche Unterstützung für gefährdete Länder rasch aufgestockt werden.

Kampf gegen die Klimakrise und Corona

Bei den Gesprächen der G7-Minister soll es der Sprecherin zufolge auch um die Rolle Chinas und die Lage im Indo-Pazifik gehen. Zudem würden die Situation in Afghanistan, Afrika und die Lage im Nahen Osten sowie der gemeinsame Kampf gegen die Klimakrise und die Corona-Pandemie und ihre Folgen Themen sein. Virtuell werde zu Teilen des Programms die indonesische Außenministerin Retno Marsudi zugeschaltet. Indonesien hat derzeit den Vorsitz der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20).

An diesem Samstag geht das Treffen in informelle Beratungen der Nato-Außenminister in Berlin über. Auch dort dürfte die Lage in der Ukraine im Mittelpunkt stehen.

Deutschland hat derzeit den Vorsitz der G7-Gruppe. Der Runde gehören neben der Bundesrepublik die Nato-Staaten USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien und Italien sowie Japan an. Der Außenminister von Moldau ist bei den Beratungen dabei, weil befürchtet wird, dass die kleine Nachbarrepublik der Ukraine eines der nächsten Angriffsziele von Russlands Präsident Wladimir Putin sein könnte.

US-Außenminister kommt zu Nato-Treffen nach Berlin

Beim Außenminister-Treffen der G7-Gruppe fehlt US-Außenminister Antony Blinken wegen einer Covid-Erkrankung. Er wird von der Spitzendiplomatin Victoria Nuland vertreten.

Blinken reist aber am Samstag zu einem Treffen der Nato-Außenminister nach Berlin. Dort wollten die Bündnispartner über das weitere Vorgehen angesichts des „brutalen Krieg Russlands gegen die Ukraine“ beraten, teilte das Außenministerium in Washington am Donnerstag mit. Weitere Themen sind die Vorbereitung des Nato-Gipfels Ende Juni in Madrid und die Arbeit an einem neuem strategischen Konzept. Zudem dürfte es um eine mögliche Aufnahme Finnlands und Schweden in die Militärallianz gehen.

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