Nordfriesland als Heimat

Alli Neumann im Interview: Die Sängerin über Politik, Transgender und polnische Puschen

Alli Neumann im Interview über Politik, Transgender und Puschen

Alli Neumann über Politik, Transgender und Puschen

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Nordfriesland
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Aus Nordfriesland auf die große Bühne: Alli Neumann muss ihre Deutschland-Tour Corona-bedingt pausieren. Foto: Clara Nebeling/shz.de

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Die Singer-Songwriterin Alli Neumann hat im September ihr erstes Studioalbum „Madonna Whore Komplex“ veröffentlicht. Mit uns spricht sie über Konzertabsagen, die neue Regierung und was sie an Nordfriesland so liebt.

Alli Neumann ist längst keine unbekannte Singer-Songwriterin mehr. Auf Instagram hat sie bereits über 56.000 Follower. Im September diesen Jahres erschien ihr erstes Studioalbum mit dem Titel „Madonna Whore Komplex“. Während der vergangenen zwei Jahre und dem Entstehungsprozesses des Albums hat sich viel geändert bei der Sängerin. Politische Meinungen haben sich gefestigt, Unsicherheiten über den Wohnort geklärt und die ersten Konzerte der geplanten Tour waren nach wenigen Wochen ausverkauft.

Deine erste Deutschland Tour ist gerade in vollem Gange, eigentlich… auch Du musstest einige Konzerte Corona bedingt absagen. Wie geht es dir damit?

Alli Neumann: Die Gesundheit geht da auf jeden Fall vor. Ich möchte das weder meinem Team, noch meinen Fans antun, sich anzustecken. Grundsätzlich möchte ich auch nicht dazu beitragen, jetzt auf Konzerte zu gehen wenn empfohlen wird die Kontakte einzuschränken. Natürlich sind da Konzerte meine Highlights im Leben, natürlich tut das weh, darauf zu verzichten. So ein Album wird für mich auch erst so richtig wahrhaftig, wenn das miteinander gesungen wird. Unter den Umständen ist es aber nicht möglich, ich freue mich, wenn wir es bald nachholen können und bis dahin alle gesund durch die Zeit kommen.

„Nordfriesland bietet viel Platz für Kreativität“

Am letzten Wochenende hättest du eigentlich in Dresden und Wien spielen sollen, was machst du stattdessen?

Unterschiedlich, das Leben geht ja trotzdem weiter. Gerade bin ich Zuhause in Nordfriesland aufm Land und war ein bisschen kreativ, heute geht’s aber schon wieder raus in die weite Welt für eine Aufzeichnung.

Seit wann lebst du hier?

Seitdem ich sechs Jahre alt bin. Seit ich zur Schule gehe, bin ich dauerhaft in Nordfriesland mit meiner Familie. Was meine Eltern dazu gebracht hat, hierher zu ziehen, weiß ich nicht, ich bin aber sehr glücklich darüber, in Nordfriesland aufgewachsen zu sein. Meine Eltern waren in dem Dunstkreis von den ”Ton Steine Scherben” und ich habe dadurch auch meine musikalische Prägung erlebt.

Was verbindest du mit Nordfriesland?

Ich verbinde Nordfriesland mit einem sehr kreativem Umfeld und vielen Freigeistern, aber auch ganz viel Ruhe. Wenn ich auf den Horizont blicke und nichts sehe, ist das für mich so viel Freiheit. Für mich ist das ein Ort, den ich mit Kreativität füllen kann. Das finde in an diesem Ort so besonders fürs Schreiben. Viel Platz für Kreativität.

Und Husum magst du auch sehr gerne hast du gesagt, wie ist deine Verbindung dazu?

Ich habe am Husumer Hafen den Titelsong zum Album “Madonna Whore Komplex” mit meinem Songwriting Partner und Freund Max Richard Leßmann geschrieben, der kommt aus Husum. Mit dem schreibe ich viele Texte, der hilft mir auch um zwei Uhr Nachts, wenn ich bei einer Strophe nicht weiterkomme. Ich hatte auch immer viele Bandverbindungen nach Husum. Ich bin immer nach Husum gefahren und wir haben am Hafen und an dem kleinen Club dort gesessen, diese alte Raucherbar, HusumPub war das, glaube ich. Aber man muss natürlich auch sagen: Was für eine schöne Promenade hat Husum denn bitte?

Das stimmt, bist du denn jetzt noch oft in Husum?

Ich bin emotional nie weit weg gereist von Nordfriesland, auch wenn ich ein paar Jahre in Hamburg gelebt habe und viel unterwegs bin. Es war immer ein riesen Traum von mir, irgendwann mal so leben zu können wie die “Ton Steine Scherben”, so aufm Land und dort seine Ruhe zu haben, seine Kreativität auftanken zu können und immer wieder Freunde zu Besuch zu haben, die immer mal wieder aus der Stadt raus möchten.

Nach einigen Jahren in der Großstadt zog es die Sängerin zurück

Lebst du denn lieber auf der Stadt oder auf dem Land?

Lange dachte ich, als Künstlerin muss ich in der Stadt leben, um immer erreichbar zu sein. Deswegen konnte ich mir lange nicht vorstellen, zurück aufs Land zu ziehen. Während der Pandemie konnte ich es dann aber nicht mehr aushalten. Ich brauchte einfach den nordfriesischen Horizont. Jetzt lebe ich seit zwei Jahren wieder in Nordfriesland und reise für die Arbeit oder die Konzerte durch Deutschland. Ich erlebe dabei trotzdem genug und bin dann richtig richtig froh, wieder in diese Ruhe und Idylle zu fahren.

Politik ist auch immer wieder ein großes Thema für dich, siehst du dich selbst als Vorbild?

Jeder Mensch hat eine Vorbildfunktion. Unabhängig davon, ob er oder sie in der Öffentlichkeit steht oder nicht, sollte man sich dieser Rolle und Verantwortung immer bewusst sein. Man unterschätzt auch meistens den eigenen Einfluss, zum Beispiel „was lebe ich meiner Familie vor? Was ist für mich selbstverständlich und was ist nicht okay?“ Dieser Verantwortung bin ich mir auf jeden Fall bewusst und will der auch gerecht werden.

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Du hast die Grünen im Wahlkampf unterstützt. Was sind deine Erwartungen an die neue Regierung?

Für mich ist es wichtig, dass das transsexuellen Gesetz geändert wird und die Gleichberechtigung der gleichgeschlechtlichen Ehe weiter durchgesetzt wird. Ich hoffe, dass der Koalitionsvertrag auch schnell umgesetzt wird, so dass wir schnell Veränderungen sehen.

Gibt es da einen persönlichen Bezug zu dem transsexuellen Gesetz?

Ja, Transrechte liegen mir besonders am Herzen, weil ich eine Person in meiner Familie hatte, die eine Transition beginnen wollte. Leider hat sie sehr unter Queerfeindlichkeit gelitten und sich nach einigen Angriffen mit 26 das Leben genommen. Es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft mehr darüber sprechen und aufklären. Wir müssen der Trans-Community zuhören, mit Stigmen aufräumen und mehr Toleranz schaffen. Alle sollten ein selbstbestimmtes Leben führen können. Ich freu mich sehr, dass seit der Bundestagswahl auch zwei Transfrauen im Bundestag vertreten sind.

Weihnachten bei der Familie Neumann

Wie groß ist denn deine Vorfreude auf Weihnachten?

Bei uns in der Familie ist Weihnachten eher so ein Spaghetti-Bolognese Fest, vegane Bolognese wohl bemerkt. Ich freue mich sehr auf die Zeit mit meiner ganzen Familie. Ich bin ein extremer Familienmensch, an Weihnachten haben wir immer alle gleichzeitig frei und machen draußen ein großes Lagerfeuer.

Und Geschenke?

Wir schenken uns kaum was. Wir unternehmen lieber was zusammen, dieses Jahr wollen wir gemeinsam ins Kino.

Hast du denn schon mal was verschenkt, was du lieber behalten hättest?

Ich habe Linda Zervakis gerade „Kapcie zakopianki“ geschenkt, das sind polnische Hauspuschen. Die sind sehr sehr gemütlich und warm. Ich habe meine leider schon durchgelatscht und jetzt hat Linda die schönen neuen aus Polen.

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