Handball

Eine Frau – zwei Jobs

Eine Frau – zwei Jobs

Eine Frau – zwei Jobs

Sven Sörensen Sportredaktion
Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:
Olivera Kecman vor ihrem zweiten Zuhause Foto: Sven Sörensen

SønderjyskE-Trainerin Olivera Kecman verkörpert den unbedingten Siegeswillen und das Menschliche. Olivera Kecman, kurz Oli genannt, ist eine Frau mit vielen Talenten. Sie bekleidet nicht nur den Trainerposten bei den SønderjyskE-Handballerinnen, sondern auch das Amt der Sportchefin.

In ihrem Büro befinden sich allerhand Dinge. Wie beispielsweise vier Glasrahmen mit den SønderjyskE-Werten. Ein Fernseher zur Spielanalyse, selbst gemalte Bilder ihrer Kinder und zwei Poster ihres großen Vorbildes: Tennisprofi Novak Djokovic. So wie sie stammt auch er aus Serbien.
Für Olivera Kecman verkörpert er alle Werte, für die auch sie einstehen kann. Werte wie Einstellung, Willen, Kampfgeist und Siegesmentalität.

Zwischen zwei Stühlen

Dinge, die sie als Trainerin auch von ihren Spielerinnen einfordert. Manchmal nicht ganz einfach, denn als Trainerin sucht sie den unbedingten Erfolg. Als Sportchefin geht ihr es eher darum, Verständnis für das Privatleben und die Arbeit ihrer Spielerinnen zu haben. Hier geht es nicht ums Gewinnen, sondern um den zwischenmenschlichen Erfolg.


Ihre Ambitionen an dieMannschaft sind hoch. Mit dem bisherigen Verlauf der Saison ist sie daher auch nicht zufrieden.„Ich hatte gehofft, dass wir die maximale Punkte-Ausbeute erreichen würden. Leider haben wir Punkte verloren, die wir nicht hätten verlieren dürfen.“

Feine Unterschiede

Fragt man sie nach ihrer Arbeit bei SønderjyskE, wird einem schnell bewusst, dass sie sehr viel Herzblut in ihre Tätigkeiten einbringt. Doch auch hier gilt es zu unterscheiden zwischen der Trainerin und der Sportchefin.
„Ich liebe es, mit Menschen zu arbeiten. Ich habe 16 Persönlichkeiten, mein Team und den Verein, mit denen ich arbeiten muss. Als Trainerin mag ich die taktischen Herausforderungen vor jeder Partie. Der Trainerposten ist sehr emotional.“
Die Trainerbank ist für Olivera Kecman ein Ort, wo ihre Gefühlswelt oftmals kopfsteht.
„Bei Spielen durchlebt man manchmal das beste und das schlimmste Gefühl. In einigen Situationen fühle ich mich dann auch machtlos.“

Die beiden Ämter bedeuten viel Büroarbeit für Olivera Kecman. Foto: Sven Sörensen

Soziale Fertigkeiten

Der Job als Sportchefin scheint da das perfekte Pendant zu sein. Siegen steht hier nicht auf der Tagesordnung. Hier baut sie auf ihre Sozialkompetenz.
„Als Sportchefin geht es auch in erster Linie darum, die SønderjyskE-Werte zu pflegen und zu kommunizieren. Meine Spieler sollen sich bei uns wohlfühlen. Wenn sie an meine Bürotür klopfen, ziehe ich mir gerne meinen zwischenmenschlichen Hut auf. Fühlen die Spielerinnen sich wohl, dann arbeiten sie auch hart und erfolgreich für den Verein.“


Olivera Kecman hat im Oktober ihre EHF-Master-Coach-Ausbildung erfolgreich beendet. Sie ist damit die eine von zwei Frauen, die die höchste Trainerausbildung in Europa erlangt hat. Die Ausbildung dauerte  zweieinhalb Jahre. „Ich bin bereit, wenn wir in der Champions League spielen“, sagt sie mit einem Lächeln.


Die Sympathie für den Trainerjob schlummerte schon frühzeitig in ihr. Als 24-Jährige war sie schon spielende Trainerin in Braunschweig. Bei SønderjyskE fing sie als Co-Trainerin an, bis sie vor drei Jahren das Chef-Trainer-Amt übernahm.
Als Trainerin sieht sie ihr Team als einen kontinuierlichen Prozess, der stetig optimiert werden muss.
„Wir wollen unsere Abwehr stabilisieren. Das Timing zwischen der Spielmacherin und der Kreisläuferin muss noch verbessert werden.“


Für Olivera Kecman sind harte Arbeit und der Kampf, um das, was man erreichen möchte, der Weg zum Ziel.
„Ich habe hohe Ansprüche an meine Spielerinnen und helfe ihnen dabei, diese zu erfüllen.“

Eigene Ansprüche

Mit ihrer Passion und der Liebe zum Handball-Sport und das Beste aus ihr Team herauszuholen, ist ihr dennoch eines bewusst: Egal, wie groß ihr Wunsch ist, ein bestimmtes Level zu spielen, so muss sie sich dem vorhandenen Team anpassen und Kompromisse eingehen.

Natürlich sucht sie als Sportchefin immer nach Verstärkungen oder routinierten Stützen für das Team. Deshalb holte sie auch Szabina Mayer.
„Sie gibt den jüngeren Spielerinnen gute Ratschläge, motiviert und unterstützt sie. Sie ist vielleicht nicht die Stärkste in der Abwehr, aber am Kreis eine Bereicherung.“
Wie jede andere Trainerin hat auch Olivera Kecman Spielvarianten, die ihrer Handball-Philosophie entsprechen. „Die 5:1-Abwehr gefällt mir. Noch lieber würde ich 4:2 spielen. Im Angriff mag ich, wenn wir von draußen werfen.“

Kurze Ruhepausen vom Handballgeschäft sind wichtig Foto: Sven Sörensen

Spielmacherin gesucht

Natürlich hat sie sich auch einige Spiele der dänischen Handball-Nationalmannschaft bei der EM in Frankreich angeschaut. Was ihr fehlte, war eine klar definierte Spielmacher-Rolle. Etwas, worüber sie in ihrer Abschluss-Arbeit der Master-Coach-Ausbildung geschrieben hat.
„Ich muss gestehen, dass mir die individuellen Spieler-Typen gefehlt haben. Es wurde zu viel Wert aufs Kollektive gelegt. Frankreich und Russland haben viele Weltklasse-Individualisten. Dänemark fehlten diese Spieler. Es fehlte auch eine Führungspersönlichkeit im Team.“


Diese Sichtweise projiziert sie auch gleich auf die heimische Liga. „Uns fehlt der Wettbewerb auf absolutem Top-Niveau, wie es im Ausland der Fall ist.“
Ihre beiden Kinder spielen auch Handball, und die Familie unterstützt Olivera Kecman und versteht, dass die Halle ihr zweites Zuhause ist.

Vorhersage

Wie das Jahr 2019 verlaufen wird, darauf hat Olivera Kecman keinen direkten Einfluss, aber eines weiß sie ganz genau: „Wir haben ein hartes Programm vor uns, und mein Ziel ist es, alle Spiele zu gewinnen. Wir versuchen, uns durch gezieltes Training weiterzuentwickeln. Wir werden uns, was den Aufstieg angeht, nicht künstlich unter Druck setzen, denn dann gelingt uns es nicht“, so Olivera Kecman und schließt mit einer Phrase ab. „Die Saison ist lang, und der Ball ist rund.“

Spaß beim Training

Die Stimmung im Team ist sehr familiär, und es herrscht ein guter Zusammenhalt. „Die meisten wohnen hier vor Ort, das ist sehr wichtig. Viele Spielerinnen sind verantwortlich für verschiedene Dinge im Team. Wenn sie Probleme haben, kommen sie zu Sportchefin. Beim Training versuche ich, viel zu variieren, damit es auch nicht nur ernst zugeht, sondern die Mädchen auch Spaß dabei haben.“


Vor dem nächsten Spiel am 8. Januar 2019 gegen DHG Odense stehen nicht nur Schlemmen und Entspannen zwischen Weihnachten und Silvester an.
„Die Spielerinnen haben ein hohes Maß an Selbstdisziplin und wissen, wie wichtig das Training ist. Wir wollen versuchen unser Kraft- und Konditionsniveau bis Januar und Februar auf ein höheres Level zu bringen.“


Mit den Schulferien wartet auf Trainerin und Sportchefin Olivera Kecmann erst einmal eine ganz andere Herausforderung: Sie hat ihren Kindern versprochen, die Apenrader Schlittschuhbahn zu besuchen.

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