Schleswig-Holstein & Hamburg

Zahnarzt rechnete falsch ab: Haftstrafe

Zahnarzt rechnete falsch ab: Haftstrafe

Zahnarzt rechnete falsch ab: Haftstrafe

dpa
Kiel (dpa/lno) -
Zuletzt aktualisiert um:
Die Aufschrift «Landgericht» an einem Briefkasten am Eingang des Landgerichts. Foto: Markus Scholz/dpa

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Er hatte eine gute Praxis, führte ein teures Leben. Dann geriet er in Schieflage und betrog in großem Stil. Ein Gericht sprach jetzt das Urteil.

Ein Zahnarzt aus Kaltenkirchen ist wegen Abrechnungsbetrugs in Höhe von knapp einer Million Euro zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Die 7. Große Strafkammer am Kieler Landgericht ordnete am Mittwoch zugleich die Einziehung von rund 340 000 Euro an. Für die Forderung der Staatsanwaltschaft nach einem dreijährigen Berufsverbot als selbstabrechnender Zahnarzt sah die Kammer nicht die erforderlichen Voraussetzungen.

Nach Feststellungen des Gerichts geriet der einst sehr erfolgreiche Zahnarzt mit gut gehender Praxis, gehobenem Lebensstil und teuren Autos nach 2005 in persönliche und finanzielle Schieflage. Nach einem tödlichen Autounfall sei er wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt worden, sagte der Vorsitzende Richter Stephan Worpenberg. Später sei eine seiner Töchter schwer erkrankt, es habe eine schwere Ehekrise gegeben. Der Zahnarzt habe schließlich wegen eines Burnouts nicht mehr arbeiten können. Seinen teuren Lebensstil habe er aber nicht den Umständen angepasst, sagte der Richter.

Stattdessen fingierte der Angeklagte dem Urteil zufolge von 2008 bis 2011 sehr teure Patientenbehandlungen und verkaufte die Forderungen an Dienstleistungsgesellschaften (Factoringgesellschaften). Diese zahlten ihm dafür den Rechnungsbetrag sofort aus - abzüglich einer Bearbeitungsgebühr. Er selbst zahlte dann die Beträge in Raten zurück - eine «Kreditierung auf Zeit», wie das Gericht feststellte.

Der 52-Jährige hatte weitgehend gestanden. Das Urteil geht auf eine Verständigung der Verfahrensbeteiligten zurück. Sechs Monate gelten wegen der überlangen Verfahrensdauer als bereits verbüßt. Den Gerichtsauflagen zufolge muss der Mann vorerst bei seiner Mutter einziehen und sich drei Mal die Woche bei der Polizei melden. Der Haftbefehl gegen den Arzt, der rund acht Monate in Untersuchungshaft saß, bleibe bestehen, sagte der Worpenberg. Der Angeklagte kommt aber gegen strenge wöchentliche Meldeauflagen bis zum Strafantritt vorerst wieder auf freien Fuß.

Der Zahnarzt flog auf, als gegen ihn verschiedene Strafanzeigen eingingen. Inzwischen hat er nach Angaben der Staatsanwaltschaft rund zwei Millionen Euro Schulden.

Laut Anklage hatte der Arzt rund 1,2 Millionen Euro falsch abgerechnet. Nach der Beweisaufnahme hielt die Staatsanwaltschaft aber nur noch 32 der ursprünglich 47 angeklagten Betrugsfälle für erwiesen. Sie beantragte drei Jahre und zehn Monate Haft, von denen sechs als bereits verbüßt gelten sollen.

Die Verteidigerin hatte drei Jahre und sechs Monate Gesamtstrafe beantragt. Der Angeklagte hatte einen Großteil des Schadens bereits beglichen. Der Kammervorsitzende rügte aber, dass er bei seinen Betrugstaten auch einen Schwerbehinderten um sein Erbe von 80 000 Euro gebracht habe.

Mehr lesen