Klausur

SPD-Fraktion wählt Losse-Müller zum Vorsitzenden

SPD-Fraktion wählt Losse-Müller zum Vorsitzenden

SPD-Fraktion wählt Losse-Müller zum Vorsitzenden

dpa
Hohwacht (dpa/lno) -
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Thomas Losse-Müller (r, SPD) sitzt neben Serpil Midyatli. Foto: Frank Molter/dpa

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Kein «Weiter so» bei der SPD in Schleswig-Holstein: Nach der schweren Wahlniederlage wollten die Sozialdemokraten schnell zur Tagesordnung übergehen. Daran gab es aber Kritik aus den eigenen Reihen. Nun hat die Landtagsfraktion einen neuen Chef.

Zehn Tage nach der historischen Wahlschlappe hat die SPD im Norden erste Konsequenzen gezogen: In Zukunft führt Thomas Losse-Müller die Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag. Der Spitzenkandidat zur Landtagswahl löst damit Landesparteichefin Serpil Midyatli ab, die ursprünglich weitermachen wollte, aber intern unter Druck geraten war. Die Entscheidung fiel auf einer Klausurtagung der SPD-Fraktion in Hohwacht. Losse-Müller erhielt alle Stimmen der von 21 auf 12 Parlamentarier geschrumpften Fraktion.

«Ich bin erstmal sehr dankbar für das wirklich sehr starke Votum der Fraktion. Das ist eine wirklich ganz bedeutende Aufgabe, die ich jetzt übernehme», sagte Losse-Müller am Mittwoch. Der Entschluss zu dem Wechsel an der Fraktionsspitze sei im Team gefallen. Man wolle eine starke Opposition sein. «Wir werden die Kraft sein, die immer wieder darauf hinweisen wird, wo es an Zukunftsfähigkeit mangelt», sagte der 49-Jährige.

An der Ostsee wählten die Abgeordneten der SPD außerdem Kai Dolgner einstimmig zum Parlamentarischen Geschäftsführer. Beate Raudies soll nach dem Wunsch der Fraktion Landtagsvizepräsidentin werden.

Midyatli gab sich nach der Entscheidung am Mittwoch gelassen. Ihr sei es «gar nicht» schwer gefallen, auf den Vorsitz zu verzichten, sagte sie. Sie habe Thomas Losse-Müller vorgeschlagen, Schmerz verspüre sie nicht. Nach dem schlechten Wahlergebnis der SPD gab es aus der Partei demnach viele Wünsche nach einer Neuaufstellung. Sie hätte sich zwar einen «smootheren» Übergang gewünscht, jetzt habe man sich aber dazu entschieden, das schneller zu machen. Ein Grund dafür seien auch die neuerlichen Jamaika-Pläne von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU).

Midyatli, die 2009 erstmals in den Landtag eingezogen war, galt als Hoffnungsträgerin der Nord-SPD. 2019 war sie zur Landesvorsitzenden gewählt worden und stieg in der Bundespartei zur stellvertretenden SPD-Chefin auf. Nachdem sie den Fraktionsvorsitz im Landesparlament 2021 von Ralf Stegner übernommen hatte und zur Oppositionsführerin wurde, hätte sie als Spitzenkandidatin zur Landtagswahl antreten können. Stattdessen präsentierte sie kurz vor der Bundestagswahl im vergangenen Jahr Losse-Müller als den Anwärter der Sozialdemokraten auf das Amt des Regierungschefs.

Das Kalkül, dass der kurz zuvor von den Grünen zur SPD gewechselte Kandidat schnell bekannt werden würde und Ministerpräsident Günther Paroli bieten könnte, ging indes nicht auf. Bei der Wahl am 8. Mai erhielt die SPD nur 16 Prozent der Wählerstimmen - ihr schlechtestes Ergebnis bei Bundes- und Landtagswahlen im Norden überhaupt. Midyatli verlor auch das als sicher geltende Direktmandat in ihrem Wahlkreis Kiel-Ost gegen die weithin unbekannte CDU-Politikerin Seyran Papo. Auch im Rest des Landes gewann die SPD kein einziges Direktmandat.

Trotz des verheerenden Ergebnisses hatte Midyatli bereits am Montag nach der Landtagswahl angekündigt, den SPD-Fraktionsvorsitz wieder übernehmen zu wollen. Öffentliche Unterstützung dafür kam von Losse-Müller. Er sagte, die Fraktion nicht anführen zu wollen, weil er das Gesicht der Wahlkampagne gewesen sei. Nach interner Kritik an dem schnellen Verfahren ruderten die beiden gemeinsam zurück und verschoben die Entscheidung auf die Klausurtagung in Hohwacht.

Mit seiner Wahl zum Fraktionsvorsitzenden könnte Losse-Müller auch Oppositionsführer im Landtag werden. Das hängt aber davon ab, mit wem Regierungschef Günther zusammenarbeiten wird. Der 48-Jährige hatte eine Neuauflage der Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP nach Sondierungsgesprächen am Dienstag als «aus unserer Sicht das beste Bündnis» bezeichnet. Sollte es dazu kommen, stünde einer übergroßen Regierungsmehrheit mit 53 Sitzen eine deutlich kleineren Opposition gegenüber. SPD und SSW kommen zusammen auf 16 Abgeordnete.

Rechnerisch ist ein dritter Partner in der Koalition aber gar nicht notwendig, da die Union bereits nur mit den Grünen oder der FDP eine Mehrheit im Landtag hätte. Die Spitzen der beiden Parteien hatten daher betont, dass eigene Zweierbündnisse mit der CDU ihre Präferenz blieben, sich aber für Jamaika-Gespräche offen gezeigt.

Scharfe Kritik an den Plänen kam bereits von Losse-Müller: «Ich kann es nicht nachvollziehen, warum Grüne, FDP und CDU es für möglich halten, dass Jamaika in der jetzigen Position eine demokratische Option wäre», sagte er. Der Ministerpräsident sei offensichtlich ideenlos und seine Partei inhaltlich leer.

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