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Jamaika strebt vorsichtige Lockerungen in Pandemie an

Jamaika strebt vorsichtige Lockerungen in Pandemie an

Jamaika strebt vorsichtige Lockerungen in Pandemie an

dpa
Kiel (dpa/lno) -
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Baumärkte, Außengastronomie, Zuschauer in Fußballstadien? Die Koalition in Kiel denkt über weitere Corona-Lockerungen nach. Sie will aber bei einem vorsichtigen Kurs bleiben - und stärker differenzieren. Der Oppositionsführer attackiert den Regierungschef.

Die Jamaika-Koalition an der Förde nimmt Lockerungen von Corona-Schutzmaßnahmen möglicherweise auch für den Fall ins Visier, dass sich Bund und Länder beim nächsten Krisengipfel nicht auf einheitliche Regeln einigen. Die Fraktionsspitzen von CDU, Grünen und FDP befürworteten am Dienstag vorsichtige Öffnungen in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen, während Nachbar Hamburg eine verschärfte Maskenpflicht verkündete. Schleswig-Holstein hatte mit 49,3 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen mit Stand Montagabend den zweitniedrigsten Wert aller Bundesländer; Hamburg lag im Ranking mit 65,5 in der Mitte.

Als Zielmarke für Lockerungen hatten Bund und Länder zuletzt eine Inzidenz von 35 vereinbart. Darunter rangieren im Norden derzeit 4 Kreise und kreisfreie Städte, 9 von 15 stehen unter 50, nur Flensburg sowie die Kreise Schleswig-Flensburg und Herzogtum Lauenburg deutlich darüber. Am Freitag soll Regierungschef Daniel Günther (CDU) dem Landtag seine Positionen für die Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am 3. März erläutern.

SPD-Fraktionschef Ralf Stegner forderte eine Abstimmung mindestens im norddeutschen Raum. Im Hinblick auf eine bundesweite Verständigung sei er eher skeptisch, dass bei der Konferenz sehr viel mehr als ein Formelkompromiss herauskommt. Bei weiteren Maßnahmen müssten Kinder und Jugendliche stärker berücksichtigt werden. Nach seinem Eindruck schwinde die Akzeptanz in der Bevölkerung. Ein Ministerpräsident dürfe nicht im Wind hin und her schwanken, sagte Stegner. Er kritisiert, dass sich Günther nach der jüngsten Konferenz von der 35-er Inzidenz als vereinbarte Zielmarke distanziert hatte. «Das ist Führungsschwäche und das untergräbt das Vertrauen in die Politik.»

Es sei richtig, weiter umsichtig voranzugehen, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Marret Bohn. «So schnell wie möglich, was verantwortbar ist», nannte sie als Richtschnur. «Wir haben eine gemeinsame Linie in Jamaika.» Die Grünen seien keine Bremser bei Lockerungen, betonte ihr Fraktionsvize Lasse Petersdotter.

Auf Öffnungsperspektiven für den Einzelhandel dringt die CDU. Diese Branche noch einmal um drei Wochen zu vertrösten, sei nicht möglich, sagte Fraktionschef Tobias Koch. Die Regeln könnten hier nicht so bleiben, wie sie im Augenblick sind. Eine Komplettöffnung nur im Land sei aber auch nicht möglich, sagte Koch unter Hinweis auf dann drohenden Einkaufstourismus aus Hamburg. Möglicherweise seien aber Zwischenschritte denkbar. Derzeit sind Supermärkte und andere Lebensmittelgeschäfte geöffnet, in der nächsten Woche folgen im Norden Gartencenter und Blumenläden. Andere Geschäfte dürfen nur telefonisch oder online bestellte Ware verkaufen.

Von der anstehenden Bund-Länder-Konferenz erhofft sich Koch einheitliche Regeln, aber auch Impulse für Länder mit niedrigen Infektionszahlen. Eine einfache Verlängerung des Lockdowns wäre für ihn schwierig. Die Lage sei zunehmend angespannt; es sei abzuwägen zwischen Infektionsschutz und Gefahr für wirtschaftliche Existenzen.

FDP-Fraktionschef Christopher Vogt forderte, in den nächsten Tagen realistische und behutsame Öffnungsperspektiven aufzuzeigen. Aus seiner Sicht sollten sich fünf Personen aus zwei Haushalten treffen dürfen, Kinder bis 14 nicht mitgezählt. Derzeit darf ein Haushalt nur eine weitere Person treffen. Wenn von der Bundesebene zu solchen Punkten nichts komme, müsse das Land eigene Wege gehen, sagte Vogt. Er plädierte für eine Öffnung der Baumärkte. Und warum sollte bei einer drei Wochen anhaltenden Inzidenz in Dithmarschen von unter 35 dort nicht die Außengastronomie öffnen können?, fragte Vogt. Im Blick auf den Tourismus seien besonders Verständigungen mit Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg wichtig.

Überhaupt spielt in den Betrachtungen eine stärkere Differenzierung von Maßnahmen zwischen drinnen und draußen eine zunehmende Rolle. So hält CDU-Fraktionschef Koch in begrenztem Rahmen auch die Zulassung von Zuschauern bei Fußballspielen für denkbar. 100 wären aus seiner Sicht unproblematisch und 1000 bei entsprechenden Abständen auch darstellbar, sagte Koch unter Hinweis auf eine Wahlkreisversammlung der SPD am Wochenende im Stadion des Zweitligisten Holstein Kiel.

Zum Auftakt seiner dreitägigen Sitzung wird der Landtag am Mittwoch über den Haushalt 2021 debattieren und ihn danach beschließen. Weitere Themen bis Freitag sind das jüdische Leben im Land, Corona-Tests und Schutzimpfungen sowie eine Polizeireform.

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