Nah.SH analysiert Kundenwünsche

Erstmals Umfrage-Daten zum 9 Euro-Ticket aus SH: Darum gibt es nur die Note 3,12

Erstmals Umfrage-Daten zum 9 Euro-Ticket aus SH

Erstmals Umfrage-Daten zum 9 Euro-Ticket aus SH

Frank Jung
Kiel
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Viele Anregungen für ein Nachfolge-Ticket enthalten die jetzt aufbereiteten Erfahrungen der Schleswig-Holsteiner mit dem 9 Euro-Ticket. Foto: Thomas Müller

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Frauen und jüngere Menschen aus Schleswig-Holstein bewerten das 9 Euro-Ticket besser als der Durchschnitt der Bevölkerung. Die Einfachheit war fast so beliebt wie der niedrige Preis. Benutzt wurde es selten über Hamburg hinaus.

Trotz des Tiefstpreises – die Nutzer bewerten den ÖPNV in Schleswig-Holstein während der Geltungsdauer des 9 Euro-Tickets nur mit einer Durchschnittsnote von 3,12. Das zeigen Marktforschungsdaten des Verkehrsverbunds Nah.SH, die unserer Redaktion exklusiv vorliegen. Damit „muss das derzeitige Image des ÖPNV als alles andere als zufriedenstellend betrachtet werden“, lautet das Fazit in der Auswertung von Nah.SH.

Das zieht die Bewertung nach unten

Nach unten rutscht die Beurteilung durch die Passagiere vor allem durch Verspätungen, Zugausfälle, defekte und überfüllte Züge. Auch wird häufig kritisiert, dass die Verkehrsunternehmen nicht flexibel genug auf die starke Nachfrage reagiert hätten. Die schlechte Anbindung und Taktung auf dem Land spielt bei den Befragten ebenfalls eine große Rolle für eine maue Bewertung.

Immerhin gut jeder vierte der 536 Befragten beurteilte Busse und Bahnen indes als gut oder sogar sehr gut. Auffällig: Im Juli, dem zweiten Monat mit dem 9 Euro-Ticket, wichen die Bewertungen im Vergleich zum Juni stärker sowohl nach oben als auch nach unten ab. „Nach zwei Monaten Nutzung des Tickets polarisiert der ÖPNV stärker“, halten die Auswerter fest.

Unter denjenigen, die ein Mangelhaft oder Ungenügend vergaben, sind die Landbewohner mit 21,9 Prozent doppelt so stark vertreten wie Stadtbewohner mit 11,8 Prozent.

57,2 Prozent loben die Einfachheit

Die Umfragen von Nah.SH untermauern, dass der Erfolg eines Nachfolgers des 9 Euro-Tickets nicht allein vom Preis abhängen dürfte. Zwar wird das Thema Preis bei den Vorteilen des Tickets mit 66,9 Prozent am häufigsten genannt. Im Ranking der Vorteile folgen aber relativ dicht zwei andere Aspekte zum Thema Einfachheit. 57,2 Prozent lobten: „Ich kann einfach überall hinfahren, ohne dass ich mir Gedanken machen muss“; 51,8 Prozent würdigten: „Ich muss nicht jedes Mal ein neues Ticket ziehen.“ Weiblichen und jüngeren Passagieren ist eine einfache Handhabung überdurchschnittlich wichtig.

Nur 20 Prozent nutzten das Ticket innerhalb ganz Deutschlands

In Frage stellen die Ergebnisse der Marktforschung, dass ein Nachfolgeticket bundesweit gelten muss. Eine regionale Gültigkeit genügt offenbar den Allermeisten. Selbst im Hauptferienmonat Juli verwendeten nur 20 Prozent der Befragten das 9 Euro-Ticket für Fahrten zu Zielen in ganz Deutschland.

Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (parteilos) sagt: „Wir haben viel aus dem Experiment 9-Euro-Ticket gelernt. Für mich sind zwei Dinge wichtig: Die Menschen wollen es nicht nur billig, sondern vor allem einfach. Und das System ist an seiner Grenze, was Angebot und Qualität betrifft. Genau das sind ja auch die Ansatzpunkte meiner Verkehrspolitik.“

So groß ist die Skepsis an nachhaltigem Effekt

Weit verbreitet ist die Skepsis, ob die drei Monate mit dem 9 Euro-Ticket dem ÖPNV langfristig mehr Anhänger bescheren. Knapp die Hälfte der vom Verkehrsverbund Nah.SH befragten Einwohner ist der Meinung, dass die Rabatt-Aktion keine nachhaltige Wirkung auf das Mobilitätsverhalten haben wird.

Die Zweifel richten sich vor allem darauf, ob sich durch das verkehrspolitische Experiment in der breiten Gesellschaft etwas verändert hat. Und konkret für sich selbst erklärten 37,5 Prozent der Befragten: Wenn die Preise steigen, werden sie Busse und Bahnen wieder weniger nutzen.

Das ist der Kreis der Befragten

Bezogen auf die Gesamtbevölkerung dürfte der Wert noch wesentlich höher sein. Die Befragten stammen aus dem so genannten Nah.SH-Panel. Das sind 536 vom Verkehrsverbund regelmäßig – und im Sommer nun extra zum 9 Euro-Ticket – befragte Personen. Unter ihnen ist der Anteil von ÖPNV-Passagieren überdurchschnittlich hoch: Rund 80 Prozent fahren regelmäßig Bus und Bahn. Die Teilnehmer haben sich auf Aufrufe hin freiwillig zum Panel gemeldet; es ist nicht repräsentativ.

Aber auch in dieser Gruppe hat das grenzenlos einsetzbare 9 Euro-Ticket noch einmal eine zusätzliche Mobilität ausgelöst – jedenfalls gaben 36 Prozent aller Befragten an, durch das besondere Ticket häufiger zu fahren.

Bisher seltene Nutzer fanden das Ticket am besten

Insgesamt fanden knapp zwei Drittel der Befragten die 9-Euro-Fahrkarte „super“. Bei den bisherigen Weniger- & Nicht-Nutzern von Bus und Bahn liegt die Zustimmung noch leicht darüber: 70,2 Prozent von ihnen zeigen sich von der Aktion begeistert. Sie haben auch nicht den Vorher-Nachher-Vergleich erlebt, wieviel überfüllter ein Teil der Züge durch das 9 Euro-Ticket geworden ist. Frauen bewerten das Ticket öfter positiv als Männer, die jungen Teilnehmer des Panels öfter positiv als die Gesamtheit.

32 Prozent wurden sich über den Klimaschutz bewusster

Trotz der ohnehin schon ÖPNV-affinen Zusammensetzung des Nah.SH-Panels: 34,1 Prozent aller Befragten denken durch die Einführung des 9 Euro-Tickets öfter an den ÖPNV als früher. 17 Prozent erklärten, Busse und Bahnen erschienen ihnen seitdem als echte Alternative zum Auto. 32,1 Prozent ist bewusst geworden, wie sehr eine flächendeckende ÖPNV-Nutzung zur Klimawende beitragen kann.

Nur zehn von über 500 Meinungen komplett negativ

Unterm Strich erweisen sich 40 Prozent der zum 9 Euro-Ticket geäußerten Meinungen als klar positiv. Knapp die Hälfte der Kommentare erwähnen negative Erfahrungen, davon drei Viertel überfüllte Busse und Bahnen. Von den Kommentaren waren laut Nah.SH aber nur zehn ausschließlich negativ, die meisten erwähnen auch positive Aspekte.

So viele bisherige Wenig-Nutzer wollen weitermachen

Trotz mancher Skepsis über nachhaltige Effekte der 9 Euro-Aktion: Die Marktforschungsdaten enthalten auch einen ermutigenden Aspekt. Immerhin 20 Prozent der bisherigen Wenig- und Nicht-Nutzer wollen auch ohne 9 Euro-Ticket weiter in den ÖPNV aus Überzeugung einsteigen. Die Bereitschaft dazu ist von Juni auf Juli sogar um drei Prozent gestiegen.

Alle hier verwendeten Daten stammen aus dem Juni und Juli. Die Ergebnisse der Befragungen aus dem August sind noch nicht ausgewertet.

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