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Wie die Ampel den Sozialstaat reformieren will

Wie die Ampel den Sozialstaat reformieren will

Wie die Ampel den Sozialstaat reformieren will

dpa
Berlin
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Der Mindestlohn soll auf 12 Euro steigen: Christian Lindner (l-r), Olaf Scholz, Annalena Baerbock, Robert Habeck, Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken stellen den Koalitionsvertrag vor. Foto: Michael Kappeler/dpa

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Hartz IV abschaffen, die Renten sichern und den Mindestlohn erhöhen - mit Sozialreformen will die Ampel den Menschen Sicherheit geben. Doch große Entscheidungen stehen der künftigen Koalition noch bevor.

Mindestlohn von 12 Euro, stabile Renten und kein Hartz IV mehr - beim Sozialen setzen die Ampel-Partner auf ein Stück mehr Wohlfühlstaat im technologischen Wandel.

Schon seit Jahren arbeitet man in der SPD an einer schrittweisen Überwindung von Hartz IV - nun soll das sogenannte Bürgergeld kommen. Bei genauerem Hinsehen gibt es aber auch deutliche Duftmarken der Liberalen und der Grünen - und viele offene Zukunftsfragen bei Rente und Sozialem.

Mindestlohn soll auf 12 Euro steigen

«Im Wahlkampf habe ich viel über Respekt gesprochen», ruft SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags in Erinnerung. Nun stellt die Ampel fest: «Jede Arbeit verdient Respekt und Anerkennung.» Mit dem Anstieg des Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde - heute 9,60 Euro - will die Koalition ein schnelles Zeichen setzen. «Das bedeutet eine Gehaltserhöhung für zehn Millionen Bürgerinnen und Bürger», sagt Scholz.

Seit der Einführung der Lohnuntergrenze 2015 hat der Staat die Anpassungen weitgehend der Mindestlohnkommission überlassen - das soll einmalig durchbrochen werden. Künftig soll die Kommission von Arbeitgebern und Gewerkschaften sich wieder darum kümmern.

Hartz IV - die Sozialreformen unter dem früheren Kanzler Gerhard Schröder sind ein Trauma der SPD. Bereits 2019 hatte sie auf einem Parteitag die Abkehr von Hartz IV beschlossen. Offiziell hieß zwar Hartz IV bisher schon Grundsicherung oder Arbeitslosengeld II. Doch nun kommen ein neuer Name und neue Regeln. Der alte und wohl auch neue Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte schon Anfang des Jahres einen entsprechenden Entwurf vorgelegt - damals war Heil in der großen Koalition damit chancenlos.

Jetzt kommt das Bürgergeld

Jetzt soll das Bürgergeld in den ersten zwei Bezugsjahren ohne Prüfung des Vermögens oder der Wohnung ausgezahlt werden. Bereits in der Corona-Krise wurde nicht geprüft, wie groß die Wohnung der Betroffenen ist und ob diese Ersparnisse über 60.000 Euro haben. Künftig soll generell gelten: Wer durch das Bürgergeld aufgefangen wird, soll sich vorerst nicht um das Ersparte und die Wohnsituation sorgen müssen.

Mitwirkungspflichten der Langzeitarbeitslosen und auch Sanktionen sollen zwar bleiben - aber spätestens Ende 2022 neu geordnet werden. Insgesamt soll der Sozialstaat «bürgerfreundlicher, transparenter und unbürokratischer» werden - alles soll einfacher und möglichst digital erledigt werden können.

Thema Rentenfinanzierung

Rente - das gesetzliche Rentenniveau von 48 Prozent soll garantiert werden. Mehr Selbstständige sollen in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Aufhorchen ließ schon bei der Vorlage der Ampel-Sondierungsergebnisse der geplante Einstieg der Rentenversicherung in Anlagen auf dem Kapitalmarkt. Denn heute wird die Rentenversicherung vor allem aus Beiträgen und Steuermitteln finanziert.

In einem ersten Schritt im kommenden Jahr geplant: ein Kapitalstock von 10 Milliarden Euro. Hier hieß es bereits aus dem Vorstand der Rentenversicherung: Ein Kapitalstock müsste mit «sehr, sehr erheblichen Summen» gefüllt werden, wenn damit Rentenniveau und Beitragssatz dauerhaft gesichert werden sollten. Doch woher sollte die Ampel so viel Geld nehmen? Schon heute fließen mehr als 100 Milliarden Euro vom Bund in die Rentenkasse. Wie die Rente langfristig gesichert werden soll, ist somit nicht entschieden.

Allerdings könnte ein anderes Vorhaben der Ampelpartner dazu beitragen, dass es künftig mehr Einzahler in die Rentenkasse gibt als heute vorhergesagt. Denn die Einwanderung von Fachkräften soll erleichtert werden, auch für nicht-akademische Berufe. Dazu will die Ampel das Fachkräfteeinwanderungsgesetz praktikabler ausgestalten und ein Punktesystem einführen. Hier etwa dürften SPD, Liberale und Grüne kräftig an einem Strang ziehen.

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