Wanderung

Stadtwanderung in Apenrade mit vielen Informationen zur Landesgeschichte

Stadtwanderung in Apenrade

Stadtwanderung in Apenrade

Apenrade/Aabenraa
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Die Posthalterei mit ihrem beeindruckenden Garten zählt zu den architektonischen Schätzen Apenrades. Foto: Volker Heesch

Die Exkursion der Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft für Nordschleswig (HAG) unter Leitung von Gerrit Schlaber lieferte Einblick ins Leben vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Auch wurden Schauplätze, zu den in HAG-Heften veröffentlichten Erinnerungen Hans Friedrich Hansens (1860-1942) besichtigt.

Gleich an der ersten Station seiner Stadtführung durch Apenrade hat der Historiker Gerret Schlaber am vergangenen Sonnabend die rund 35 Mitglieder der Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft für Nordschleswig (HAG) mit der langen Geschichte der Fördestadt als Teil des einstigen Herzogtums Schleswig bekannt gemacht.

Am Schloss Brundlund/Brundlund berichtete Schlaber, der als Lektor am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig (DGN) tätig ist, über die Gründung des einst durch Burggräben, Sümpfe und die Mühlenau geschützten befestigten Ortes, der einen Vorgänger „Opnørhus“ aus der Zeit König Waldemars I. (1131-1182) hatte. 

Das während der Herrschaft von Königin Margrethe I. entstandene Schloss Brundlund diente verschiedenen Herrschern als Nebensitz und Residenz des Amtmanns. Im Rahmen der Landesteilungen ab 1544 kam es zunächst in den Besitz von Herzog Hans dem Älteren und nach dessen Tod fiel es mit dem Amt Apenrade an die Herzöge von Gottorf.

Die historische Apenrader Schlossmühle stellte Schlaber als ein Zeugnis des einst landesherrlichen  Wirkens vor, denn im Rahmen des bis ins 19. Jahrhundert geltenden Mühlenzwangs waren alle Bauern in der Umgebung verpflichtet, dort ihr Korn mahlen zu lassen.

Nach dem Verlust der Territorien Gottorfs in Schleswig 1721 war das kleine Schloss verfallen. Vor dem Abriss wurde es gerettet, denn der Landesbaumeister C. F. Hansen führte eine Renovierung durch, sodass eine Nutzung als Amtmannssitz, bis zur Auflösung des Amtes Nordschleswig 2007, möglich war.

Am Schloss Brunlund erläuterte Gerret Schlaber die ältere Geschichte Apenrade. Foto: Volker Heesch

Beim sich anschließenden Gang durch die Schlossstraße machte Gerrit Schlaber die HAG-Gruppe auf eine Erinnerungstafel an einem alten Gebäude aufmerksam, die an den Aufenthalt des damaligen preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm im Jahre 1864 erinnert.

Dieser leitete von Apenrade aus die preußischen Militäroperationen im Zweiten Schleswigschen Krieg, die mit der Erstürmung der Düppeler Schanzen und der Eroberung Alsens zur dänischen Niederlage und dem Verlust Schleswig-Holsteins führten.

Friedrich Wilhelm war in seinem Todesjahr 1888 nur 99 Tage deutscher Kaiser, ihm folgte sein Sohn Wilhelm II. Eine Verbindung Apenrades zur europäischen Politik zog Gerrit Schlaber, der in der Studienabteilung der dänischen Zentralbibliothek in Flensburg und im Reichsarchiv Apenrade an landesgeschichtlichen Forschungsvorhaben beteiligt war, am Geburtshaus des Diplomaten Caspar von Saldern (1711-1786).

Der Amtmannssohn fädelte 1773 in russischen Diensten den Tausch der restlichen Besitzungen Gottorfs in Holstein ein, die Zar und Herzog Peter III. geerbt hatte. Dänemark kam in den Besitz ganz Holsteins, im Gegenzug fielen die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst an Russland.

Mit dem Gebäude, der bis zum Ersten Weltkrieg existierenden Eisengießerei A. Stallknecht, wurde ein Stück Industriegeschichte Apenrades präsentiert. Am einstigen Schulgebäude an der Schlossstraße wurde erläutert, dass Brunlund und Schlossstraße bis 1861 einen eigenen Gemeindebezirk darstellten, weshalb die Kinder dieses Bereiches nicht die städtischen Schulen besuchten.

Im Dibbernhaus war die Führung der deutschen Minderheit während der Zeit des Nationalsozialismus und der Besetzung Dänemarks durch deutsche Truppen 1940 bis 1945 untergebracht. Foto: Volker Heesch

Es wurden beim weiteren Gang in Richtung Südermarkt/Søndertorv zahlreiche deutsche Inschriften inspiziert, die daran erinnern, dass es seit Jahrhunderten einen deutschen Einfluss in der Stadt Apenrade gibt, die erst im 19. Jahrhundert eine Blütezeit als Seehandelsstadt, als Sitz von bedeutenden Reedereien und Standort von Werften erlebte. 

Schlaber wies auf einige repräsentative Gebäude hin, die nach 1850 im Rahmen der Bemühungen der dänischen Regierung entstanden, nach der Niederschlagung der nach Unabhängigkeit strebenden Schleswig-Holsteiner die Verbindung Schleswigs mit Dänemark zu stärken und das deutsche Element zurückzudrängen. „Interessant ist, dass damals der heutige deutsche Name der Stadt, Apenrade, auch für den dänischen Sprachgebrauch vorgesehen war“, so der Historiker. „Aabenraa“ habe sich erst später als dänische Bezeichnung durchgesetzt.

Es wurde ein Blick in den Garten, der vorbildlich restaurierten Posthalterei geworfen, bevor an der Fischerstraße/Fiskergade haltgemacht wurde.

Der HAG-Vorsitzende Lorenz P. Wree stellte dort das Gebäude des zuletzt von den St.-Hedwig-Schwestern betreuten Hospitals vor, das ursprünglich das Hotel Stadt Hamburg beherbergte und 1869 von der Stadt erworben wurde, um die Rektorschule aufzunehmen. Der Hotelbetrieb an der einstigen Einfallsstraße war in Richtung des 1868 eröffneten Bahnhofs gewandert. Das spätere Hotel Royal war in dessen Nähe als Bahnhofshotel neu eröffnet worden.

An der Fischerstraße stellte Lorenz P. Wree einen Wohnsitz des Lehrers Hans Freidrich Hansen vor, in dessen Lebenserinnerungen Apenrade im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts illustriert wird. Foto: Volker Heesch

An der Fischerstraße liegt das Gebäude der früheren Segelmacherei, in dem Hans Friedrich Hansens (1860-1942) gewohnt hat, nachdem er 1884 als Lehrer an die Rektorschule gewechselt war. In den Jahrgängen 2018 und 2019 der Hefte der HAG waren die Lebenserinnerungen des bei Klautoft/Klovtoft geborenen und aufgewachsenen Hansen abgedruckt, der in diesen lebendige Eindrücke aus Nordschleswig im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts lieferte.

Nach dem Besuch der Dorfschule hatte Hansen sich in der Apenrader Präparandenanstalt auf seine Ausbildung zum Lehrer am Lehrerseminar Tondern vorbereitet. Nach Schuldienst in Uphusum in Südtondern war Hansen nach Apenrade in den Schuldienst gewechselt. Nach Weiterbildung zum Mittelschullehrer war er 1893 nach Kiel gezogen, wo er viele Jahre seinen Beruf ausübte.

In den Erinnerungen Hansens tauchen viele Besonderheiten Apenrades auf, wie das während seiner Zeit in der Stadt noch rege Treiben auf den Schiffwerften der Stadt. „Die Werften schafften es aber nicht, sich auf den Bau von Stahlschiffen umzustellen“, so Schlaber, weshalb deren Existenz bald endete.

Als Zeugnisse der Glanzzeiten der Stadt im 19. Jahrhundert stellte der Historiker den „Rehdergaard“ am Großen Markt/Storetorv vor. Auch das stattliche Rathaus, entworfen von C. F. Hansen und erbaut 1828-1830, stammt aus den goldenen Jahren, als in Apenrade beheimatete Schiffe bis nach Ostasien segelten.

Der Töchterplatz, eine der Perlen Apenrades, die bei der HAG-Tour besucht wurden. Foto: Volker Heesch

Nächster Halt war der Kirchplatz, wo einst die Lateinschule Apenrade und die Rektorschule vor der Verlegung an die Fischerstraße zu finden waren. Erläuterungen gab es zuvor auch an der Skibbrogade, am einstigen Dibbbernhaus, in dem die Leitung der deutschen Minderheit während der Zeit der Naziherrschaft und Besatzungszeit 1940-1945 residierte. „Ein Teil, der dort 1945 sichergestellten Dokumente, wird heute im Reichsarchiv verwahrt“, so der Historiker.

An der Kirche wurde auf das Denkmal an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs hingewiesen, bevor es zum Wächtersplatz/Vægterpladsen und zur Persillegade ging. Es gab Informationen zur frühzeitigen zentralen Wasserversorgung in Apenrade und dem Armenwesen der Stadt. Gerret Schlaber erwähnte dabei auch die Schrebergärten in Apenrade, die die Ältesten im Land sind. Sie wurden auf Initiative des Statthalters der Herzogtümer Schleswig und Holstein, Carl von Hessen (1744-1836), um 1820 als soziale Einrichtung geschaffen.  

Im Armenviertel Apenrades lebte einst auch „Jomfru Fanny“, deren angebliche Weissagung vom Ritt eines Königs auf einem weißen Pferd sich im Jahre 1920, im Rahmen der dänischen Inszenierungen anlässlich der Wiedervereinigung Nordschleswigs mit Dänemark, niederschlug.

Halt gemacht wurde abschließend auch am Wohnhaus des „Architekten“ der Grenzziehung 1920 im Rahmen von Volksabstimmungen, H. P. Hanssen, der  als Abgeordneter im deutschen Reichstag die dänischen Nordschleswiger vertrat und maßgeblich dazu beitrug, dass Dänemark nicht die Möglichkeit nutzte, sich nach dem Ersten Weltkrieg größere Bereiche Schleswigs einzuverleiben.

Der HAG-Vorsitzende Lorenz P. Wree dankte Gerret Schlaber beim Kaffee im Schützenhof für die interessante Führung durch Apenrade. Foto: Volker Heesch

Nach dem interessanten Stadtrundgang genossen die Exkursionsteilnehmer Kaffee und Kuchen im „Skyttegården“. Der HAG-Vorsitzende Lorenz P. Wree dankte Gerret Schlaber unter dem Beifall der Teilnehmerschaft für seinen Einsatz.

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