Thema des Monats: Zurück in die Schule

„Schreiben kann doch nicht so schwer sein“

„Schreiben kann doch nicht so schwer sein“

„Schreiben kann doch nicht so schwer sein“

Apenrade/Aabenraa
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Catarina Bartling wurde an ihrem siebten Geburtstag eingeschult. Mit ihrem Freund Jörg (r.), einem Nachbarjungen, durfte sie im Unterricht zusammensitzen. Foto: privat

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Das Thema Einschulung steht bei vielen gerade dick im Kalender. Doch wie haben Leiterinnen der deutschen Schulen in Nordschleswig ihren eigenen ersten Tag erlebt?

Von Die-Schulzeit-nicht-abwarten-können bis zu einem Gefühl von Verlorenheit reichen die Erinnerungen von Catarina Bartling, Heike Henn-Winkels, Johanne Knutz und Ute Eigenmann.

Catarina Bartling, Deutsche Privatschule Apenrade

Catarina Bartling erinnert sich nicht nur an das Jahr ihrer Einschulung, sondern auch an den genauen Tag. Der Grund: „Es war gleichzeitig mein siebter Geburtstag.“ Die Einschulung am 19. April 1966 in Wilhelmshaven, ihrem Geburtsort in Niedersachsen, sei an dem Tag eindeutig das aufregendere Ereignis gewesen. „Ich wollte unbedingt endlich in die Schule gehen, damit ich ganz schnell Lehrerin werden kann“, erzählt die heutige Leiterin der Deutschen Privatschule Apenrade.

„Meine Oma war Schneiderin und hatte mir ein blau-weiß-kariertes Kostüm genäht. Sie hat sich viel Mühe gegeben, und es sah auch chic aus“, so Catarina Bartling weiter, „aber es kratzte, und ich habe es danach nie wieder angezogen.“ Zum damaligen Outfit für den besonderen Tag gehörten außerdem schwarze Lackschuhe und eine weiße Strumpfhose, das Haar war frisch geschnitten.

Leider kein Kaugummi in der Schultüte

Unvergessen ist für die heutige Schulleiterin die gekaufte, bunte und äußerst gewichtige Schultüte. „Ich hatte mir gewünscht, sie wäre voller Kaugummi, denn das habe ich damals geliebt ohne Ende. Und ich bin sicher, dass ich meinen Eltern das gesagt hatte, aber es war nicht ein einziges drin. Manchmal erzähle ich das bei einer Einschulung an der DPA. Einmal kam anschließend ein kleiner Junge zu mir – und schenkte mir ein Kaugummi. Das war sehr rührend.“

Unsere Klassenlehrerin war eine sogenannte Hausfrauenlehrerin.

Catarina Bartling, Schulleiterin der DPA

 

Auch wenn das mit dem Kaugummi für die siebenjährige Catarina nicht geklappt hat, war eine andere Sache sehr erfreulich: „Ich durfte mit meinem Freund Jörg, einem Nachbarjungen, zusammensitzen.“ Eine Besonderheit hat die heutige Schulleiterin auch nicht vergessen: „Unsere Klassenlehrerin Frau Stümpel war eine sogenannte Hausfrauenlehrerin. Wegen des Lehrermangels damals konnten sich Hausfrauen in einem Schnellkurs zur Lehrerin ausbilden lassen. Frau Stümpel unterrichtete uns in Deutsch, Mathe und Heimatkunde.“

Bei den Erstklässlern Feuer gefangen

Bis Catarina Bartling allerdings selbst unterrichtete, hat sie zuvor vieles andere gemacht, bevor sie tatsächlich nach dem Studium Deutsch und Geschichte Studienrätin wurde zum Beispiel beim Schleswig-Holsteinischen Heimatbund als Regionalhistorikerin und als Kulturreferentin bei der IG Metall.

Als sie dann als Studienrätin in der Deutschen Privatschule Apenrade begann, eine 1. Klasse zu unterrichten, hat ihr das „total viel Spaß gemacht. Da habe ich dann Feuer gefangen“, erzählt sie. Mittlerweile arbeitet sie seit mehr als 20 Jahren an der DPA, seit 2007 als Leiterin.

 

 

Heike Henn-Winkels, Deutsche Schule Hadersleben

„Ich hatte immer große Lust auf Schule und konnte gar nicht abwarten, dass es endlich losging“, erzählt Heike Henn-Winkels, die 1966 in Rossbach/Westerwald in Rheinland-Pfalz eingeschult wurde. Heute leitet die 61-Jährige die Deutsche Schule Hadersleben (DSH). „Ich konnte auch schon ziemlich gut lesen und habe mich sehr, sehr auf den Unterricht gefreut.“

Im Winter eingeschult

Dass es bei ihrer Einschulung sehr kalt war, hat einen speziellen Grund: „Damals gab es ja die Besonderheit der Kurzschuljahre, deshalb wurde ich am 1. Dezember eingeschult. Ich erinnere mich daran, dass ich sehr gefroren habe. Und ich hatte eine Aversion gegen die kratzenden Strumpfhosen, die die Mädchen ja damals trugen.“

In einigen deutschen Bundesländern gab es 1966/67 zwei Kurzschuljahre, um einen bundesweit einheitlichen Schuljahresbeginn zu schaffen. Deshalb wechselte Heike Henn-Winkels bereits im Sommer darauf schon in die 2. Klasse.

Mädchen und Jungen wurden in der Aula getrennt aufgestellt

„Bei der Einschulung wurden wir in der Aula aufgestellt – Mädchen und Jungen getrennt, wie es damals üblich war. Dann bekamen wir alle eine riesengroße Hefebrezel. So groß, dass wir die Hände hindurchstecken konnten. Die der Mädchen waren mit einer roten Kreppschleife geschmückt, die der Jungen mit einer blauen“, sagt die heute 61-Jährige. Auch das hatte Tradition.

Ein Vogelspiel für die Neulinge

Nachdem die neuen Schulanfänger an einer verkratzten Schulbank mit Stuhl – „in einem Stück gefertigt und unbequem für etwas größere und fülligere Kinder“ – Platz genommen hatten, begrüßten die Erst- und Zweitklässler die Neulinge mit einem Vogelspiel. „Dafür waren sie mit Pappflügeln und -schnäbeln ausgestattet“, so Heike Henn-Winkels, „und es war sehr bunt. Ein Lehrer aus dem Dorf untermalte die Vorstellung musikalisch.“

Nach dem offiziellen Teil gab es eine Schultüte von den Eltern, erzählt die heutige Schulleiterin weiter. „In meiner waren viele Süßigkeiten, Buntstifte und ein Schulmäppchen, auf das ich viele Jahre gut aufgepasst habe.“

Väter hatten überhaupt nichts damit zu tun.

Heike Henn-Winkels, Schulleiterin der DSH

 

Väter hätten an der Einschulung nicht teilgenommen. „Die hatten damals noch überhaupt nichts damit zu tun. Mein Vater, ein Landwirt, hat mich auf unserem Hof verabschiedet und dort später auch wieder begrüßt.“

Sechsjährige hatte Angst vor dem einbeinigen Stabsarzt

Die Freude auf die Einschulung konnte selbst die Schuluntersuchung nicht trüben, die bereits vorher stattgefunden hatte und die Heike Henn-Winkels als sehr unangenehm in Erinnerung geblieben ist. „Wir mussten uns in einem kalten Raum ausziehen und uns vor einem einbeinigen alten Stabsarzt alle aufstellen.“ Vor dem hatte die damals Sechsjährige schlichtweg Angst. „Es sollte ja untersucht werden, ob alle Kinder schulfähig sind. Viele kamen aus zerbombten Städten, und vor allem die Flüchtlingsfamilien aus Pommern waren in einem sehr schlechten Zustand.“ Bei diesem Termin waren zwar die Mütter dabei, aber mulmig war dem Mädchen dennoch zumute.

 

Johanne Knutz, Deutsche Schule Tingleff

„Schreiben kann doch nicht so schwer sein. Die paar Schleifen rauf und runter …“ Das war ihre Einstellung, bevor Johanne Knutz 1965 in die Schule kam. „Als zweitjüngstes von sieben Kindern habe ich vor meiner eigenen Einschulung das nachgeschrieben, was bei meinen großen Geschwistern in den Heften stand; lesen und verstehen, was ich dann gekritzelt habe, konnte ich es aber noch nicht“, erzählt Johanne Knutz, die seit 2017 die Deutsche Schule Tingleff (DST) leitet. Davor war sie seit 2011 Konrektorin der Schule, an der sie unter anderem Physik, Chemie und Mathematik unterrichtete.

Nicht eingeschüchtert von deutschen und dänischen Vokabeln

Die kleine Johanne ließ sich damals auch nicht vom Unterschied zwischen der dänischen und der deutschen Sprache beunruhigen, wie sie sich erinnert. „Schließlich waren sich beispielsweise ,en lampe’ und ,eine Lampe’ ja sehr ähnlich“, sagt sie heute lachend, „das hat mich nicht eingeschüchtert. Wir sprachen ausschließlich Sønderjysk. Außerdem habe ich mich ganz doll auf die Schule gefreut.“

Als sie mit ihrer Mutter und einer neuen, großen Tasche dann auf dem Schulhof stand, meldeten sich dann unerwartet doch Bauchschmerzen. Aber die Mutter wusste, ihre Tochter zu trösten. „Sie sagte: ,Weißt du was, das haben alle. Das muss sein.’“

Johanne Knutz hatte ihre Schultüte viele Jahre aufbewahrt – rechts ihre jüngere Schwester. Foto: privat

 

Von der Einschulung selbst in die ehemalige Deutsche Privatschule Gravenstein (heute Förde-Schule) weiß Johanne Knutz nicht mehr alles – auch nicht, was die Schultüte enthielt. Aber: „Ich habe sie viele Jahre lang aufbewahrt.“

Ich war stolz auf meinen Wackelzahn und meine Zahnlücken.

Johanne Knutz, Leiterin der DST

 

Sehr gut erinnert sie sich allerdings an den Test vor der Einschulung, mit dem Jürgen Klahn, Mitarbeiter des Deutschen Schul- und Sprachvereins für Nordschleswig, im Hause der Kinder die Schulreife überprüfte. „Ich sollte die deutschen Begriffe von den gezeigten Bildern nennen, die ich mir vorher angesehen hatte. Auch durfte ich die dänischen Wörter sagen, wenn ich auf Deutsch nicht weiterkam.“ Das sei ganz im Sinne des Sprachenkonzeptes gewesen, erzählt Johanne Knutz. „Und ich musste zeigen, dass ich auf einem Bein stehen und hüpfen kann. Ich erinnere mich auch noch, dass ich sehr stolz auf meinen Wackelzahn und meine Zahnlücken war.“

 

 

Ute Eigenmann, Deutsche Schule Buhrkall

„Ich habe das Gebäude als viel zu groß empfunden“, erinnert sich Ute Eigenmann an ihre Einschulung am 1. September 1979 an der Hans-Beimler-Schule in Senftenberg (Brandenburg), damals noch Deutsche Demokratische Republik (DDR).

Ich bin prompt im verkehrten Raum gelandet.

Ute Eigenmann, Leiterin der Deutschen Schule Buhrkall

 

Das Winkelgebäude im Bauhausstil beherbergte außer der Schule ein Theater, in dem dann auch, in Begleitung der Eltern, die Festveranstaltung zur Einschulung stattfand. „Anschließend mussten wir alle raus und vom Eingang des Theaters aus unsere Klasse finden“, erzählt Ute Eigenmann, die seit Mai 2018 die Deutsche Schule Buhrkall leitet. „Es gab zwei erste Klassen, und ich bin prompt im verkehrten ,Kinderhaufen’ gelandet. Als die Lehrerin alle durchgezählt hatte, stellte sie fest: ,Hier ist jemand zu viel.’ Das war dann ich. Danach sind wir dann als Klassen in unseren jeweiligen Raum gegangen.“

Märchenbilder an den Klassentüren

Sie erinnert sich, dass an den Klassentüren Märchenbilder in A4-Format klebten – an der Tür zu ihrem (richtigen) Raum war es eine Szene aus Rotkäppchen. Nach dem Einschulungsprozedere gab es draußen von den Eltern eine Schultüte. „Was drin war, weiß ich nicht mehr, aber es war eine gelbe Tüte mit einem Schneewittchen-Motiv.“

In der Klasse nicht warm geworden

Nicht gerade märchenhaft war allerdings Ute Eigenmanns erste Zeit in der Schule. „Ich habe mich dort total verloren gefühlt und kannte nur ein Mädchen aus der Kinderbetreuung, die ich zuvor besucht hatte“, erzählt sie. „In der DDR war ja alles sehr, sehr, sehr geregelt. Etwa, dass man sich beim Klingeln nach der Pause zu zweit aufstellen musste, um reinzugehen. Das gab wiederum eine gewisse Form von Sicherheit. Aber in der Klasse bin ich nicht warm geworden.“

Dafür hatte sie allerdings auch nur gut zwei Monate Zeit. Denn die Familie zog dann in eine andere Stadt.

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Jens Kragh Iversen Sportredakteur
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