Minderheiten-Forschungsinstitut

Dauerbrenner mit aktuellem Bezug

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Flensburg
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Professor Nils Langer von der Europa-Universität Flensburg führte mit seiner Kollegin Professor Elin Fredsted in das Thema ein. Foto: Helge Möller

Runder Tisch des Minderheiten-Forschungsinstituts ECMI. Es gab unterschiedliche Ansichten beim Thema Sprache und Identität.

„Sie ändern ihre Identität nicht nur im Laufe ihres Lebens sondern im Laufe des Tages.“

Jørgen Kühl ECMI Vorsitzender

Runder Tisch des Minderheiten-Forschungsinstituts ECMI. Es gab unterschiedliche Ansichten beim Thema Sprache und Identität.

Die Frage, ob Sprache und nationale Identität zusammengehören, ist wohl ein Dauerbrenner. Eine Frage, bei der es durchaus verschiedene Ansichten gibt und die in der heutigen Situation eines erstarkten Nationalempfindens aktueller denn je ist. Dies wurde am gut besuchten  Runden Tisch des  European Centre for Minority Issues (ECMI) in Flensburg deutlich, das sich als  Forschungsinstitut mit Minderheitenfragen beschäftigt.

Professor Nils Langer von der Europa-Universität Flensburg, der mit seiner Kollegin, Professorin Elin Fredsted, in das Thema einführte, machte deutlich, dass die kurze Formel „eine Sprache – eine nationale Identität“ aus seiner Sicht zu kurz greift. Er verdeutlichte dies an einem Textbeispiel vom Anfang des 19. Jahrhunderts, in dem der Autor seinen Stolz, Däne zu sein, in deutscher Sprache ausdrückt. Mitte des 19. Jahrhunderts setzte sich, so Langer und Fredsted in ihren Kurzvorträgen, dann aber die Ansicht durch, dass in einem Staat eine Sprache gesprochen werden sollte, um eine gemeinsame Identität zu schaffen. Eine Sichtweise, die in Dänemarks politischem Raum viel Gehör finde, wie  Prof. Dr. Tove Hansen Malloy, Leiterin des ECMI,  in ihrer Einführung feststellte. Professorin Elin Fredsted plädierte dafür, beim Thema Sprache und Identität nicht auf das Anderssein zu schauen, sondern auf die Ähnlichkeiten.

In der anschließenden Diskussion machte der Generalsekretär des Sydslesvig Forening, kurz SSF, Jens A. Christiansen, deutlich, dass der dänischen Sprache in der dänischen Minderheit eine wesentliche Bedeutung zukomme. Nach seinen Worten ist sie identitätsbildend; sie ist das Werkzeug, dänische Werte und Kultur zu vermitteln. Diese Sicht sei weder altmodisch noch inkorrekt. Sollten sich die Minderheiten (ohne einheitliche Sprache) von einer Minderheit zu einer Gruppe entwickeln, wäre dann noch der heute bestehende besondere Schutz notwendig?, fragte er. Auch sieht der Generalsekretär es nicht als die Aufgabe der dänischen Minderheit an, Doppelidentitäten zu schaffen, die stellten sich automatisch ein; Aufgabe seiner  Minderheit ist es nach seiner Überzeugung, eine dänische  Identität durch Sprache und Kultur zu bilden.

Moderator Jørgen Kühl berichtete vom Lebensgefühl der Minderheitler:  „Sie ändern ihre Identität nicht nur im Laufe ihres  Lebens, sondern im Laufe des Tages.“ Deutscher oder Däne? „Es kommt auf den Kontext an“, sagte Kühl, der Zahlen unter anderem aus Schleswigs A. P. Møller-Skolen mitgebracht hatte. Etwa zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler kamen 2015  aus Haushalten, in denen beide Elternteile nicht aus dem dänischen System stammten. Es sei eine Herausforderung, diesen Neumitgliedern  Minderheit zu vermitteln, da waren sich Kühl und Christiansen einig, Letzterer hob  neben dem Fördern auch das Fordern hervor.

Gösta Toft, Vizepräsident der europäischen Minderheitenvereinigung FUEN und Hinrich Jürgensen, Hauptvorsitzender des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN) betonten hingegen, wie wichtig für sie persönlich die sprachliche Vielfalt sei. Zu Hause spreche er Deutsch, Dänisch und vor allem Sønderjysk, und es könne vorkommen, dass alle drei Sprachen in einem Satz auftauchten, berichtete Hinrich Jürgensen. Er sitze gern zwischen den Stühlen  und betätige sich gern als Brückenbauer zwischen Deutschland und Dänemark. „Es muss Spaß machen, Brückenbauer zu sein“, so der Hauptvorsitzende. Dies sei heute  ein bisschen einfacher als in der Vergangenheit. Was auf die wichtige Voraussetzung hinführt, die am Runden Tisch ebenfalls Erwähnung fand: Es muss eine Akzeptanz für eine bikulturelle Identität bei der Mehrheitsbevölkerung vorhanden sein. Umgekehrt mahnte ein Vertreter des Grenzvereins aber auch Toleranz bei den Minderheiten an, denn man habe  im Grenzland eine besondere Verantwortung für Europa.

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