Faustball-Frauen

Als Gemeinschaft ins EM-Abenteuer

Als Gemeinschaft ins EM-Abenteuer

Als Gemeinschaft ins EM-Abenteuer

Apenrade/Aabenraa
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Ina Dinsen Kruse macht sich warm. Foto: Privat

Nach sieben Monaten Training fahren die Faustball-Frauen des Team Nordschleswig – Æ Mannschaft als dänische Nationalmannschaft nach Tschechien. Auch wenn es sportlich schwer wird, die Moral stimmt.

Das Team Nordschleswig – Æ Mannschaft/Team Denmark Faustball und das Jahr 2019 sind bisher noch nicht die besten Freunde. Für die Verantwortlichen gab es viel Grund, sich zu ärgern. Da sind zum einen die Faustball-Männer, die ohne drei Leistungsträger zur Weltmeisterschaft fahren müssen und bei denen ein Großteil der Mannschaft eine Trainingsmoral hat, dass die Trainer nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen können. Und da sind die Fußballer, die in diesem Jahr nicht nur durch Abwesenheit an den Trainingstagen geglänzt haben, sondern auch durch grobe Unzuverlässigkeit, als wenige Tage vor dem Trainingslager im Erzgebirge Anfang Juni mehr als die Hälfte der Spieler kurzfristig die Teilnahme absagte.

Und dann sind da noch die Faustball-Frauen – die genau das Gegenteil sind. Die all das sind, was die Männer vermissen lassen: ehrgeizig, lernwillig, pflichtbewusst, engagiert und zuverlässig.

EM Trainingslager in Saxburg – mit dem Sparringspartner vom TSV Gnutz. Foto: Privat

In der kommenden Woche geht es für sie ins tschechische Lázně Bohdaneč rund 100 Kilometer östlich von Prag, wo sie als dänische Nationalmannschaft vom 19. bis 21. Juli an der Europameisterschaft teilnehmen werden.

Anfang bei Null

Sieben Monate haben sie dafür trainiert. Im November startete das Projekt. Zu diesem Zeitpunkt hatte keine der Spielerinnen jemals zuvor einen Faustball in der Hand gehabt. Seitdem überbieten sich die Verantwortlichen mit Superlativen über den sportlichen Fortschritt der Damen.

„Was die Mädels in den vergangenen sieben Monaten gelernt und geleistet haben, ist phänomenal. Das hätte ich mir vorher so nie träumen lassen.“, sagt Trainer Sören Nissen.

Schlagfrau Camma Nissen bei der Angabe. Foto: Privat

 

Die Technik der Frauen sei trotz der kurzen Zeit bereits super, lediglich an der Durchschlagskraft müsse man noch arbeiten, erzählt er. Und das wollen die Spielerinnen so oft wie möglich. „Die würden am liebsten jeden Tag trainieren, ich muss sie schon immer etwas zügeln. Aber es macht unglaublich Spaß zu sehen, wie ehrgeizig sie sind. Zu jedem Training kommen immer 12 bis 15 Spielerinnen“, so Nissen.

Auch Uffe Iwersen, der die Mannschaft als Delegationsleiter nach Tschechien begleitet, ist voll des Lobes. „Der Sprung, den sie gemacht haben, ist enorm. Das sieht mittlerweile richtig nach Faustball aus, obwohl keine von ihnen diesen Sport vorher betrieben haben“, so Iwersen.

Harte Brocken warten

Sprünge und Verbesserungen hin oder her, sportlich rechnet sich für die EM niemand der Beteiligten etwas aus. „Die anderen Nationen spielen seit Jahrzehnten aktiv Faustball, da wird nichts zu holen sein“, so der Trainer.

Volle Konzentration: Verteidigerin Marianne Sørensen erwartet die Angabe der gegnerischen Mannschaft. Foto: Privat

Nicht nur, dass die Faustballerinnen aus Nordschleswig als Neulinge antreten, sie haben auch direkt Lospech gehabt. „Schwerer hätte es uns nicht treffen können“ sagt Iwersen. In der Vorrunde warten Faustballgrößen wie Titelverteidiger Deutschland, Österreich, Italien sowie Gastgeber Tschechien. „Die Mädels wissen, dass es ordentlich einen auf den Arsch geben wird. Aber das ist kein Problem, ich glaube alle freuen sich einfach auf die Erfahrungen, die es zu sammeln gibt. Ich bin mir sicher, dass auch nach der EM alle wieder zum Training kommen werden“, sagt Sören Nissen.

Doch woher kommt die Motivation? Die Motivation für eine Sportart, die sie noch nie vorher betrieben haben? Die Motivation für eine Europameisterschaft, bei der sportlich nichts zu holen sein wird?

Familiäre Atmosphäre

„Es macht einfach sauviel Spaß. Wir haben eine richtig hyggelige, familiäre Atmosphäre im Team. Wir sind eine tolle Gemeinschaft. Und natürlich kommen wir zum Training, denn wir wissen, wenn wir nicht trainieren, werden wir auch nicht besser. So einfach ist das. Wir wollen uns ja so gut präsentieren, wie es geht“, erzählt Carina Loba, eine von acht Spielerinnen, die mit nach Tschechien fahren. „Ich freue mich total auf das Turnier und bin gespannt auf das ganze Drumherum und die anderen Mannschaften.“

Wenn etwas bei den Faustballerinnen stimmt, dann ist es der Teamgeist. Foto: Privat

 

Neben ihr werden noch Anne-Didde Holt, Camma Nissen, Ina Dinsen Kruse, Louise Andresen, Alexandra Schröder, Susanne Thomsen und Marianne Sørensen auf dem Platz stehen.

Die Delegation

„Wir mussten leider sehr früh den EM-Kader bestimmen. Die Leistungsdichte innerhalb des Teams ist so dicht, dass auch Mädels hätten mitfahren können, die jetzt nicht dabei sind“, sagt Trainer Nissen. Seine Lebensgefährtin Melanie Goos, selbst aktive Faustballerin, wird die Mannschaft als Co-Trainerin begleiten. Den medizinischen Bereich übernimmt Lene Krogh, Physiotherapeutin der Handballer von TM Tønder, während des Turniers. Als Ausrüstungs- und Trikotsponsor konnte „GF Forsikring“ gewonnen werden.

Mit dieser Delegation geht zur Faustball-Europameisterschaft nach Tschechien. Foto: Privat

Wie das Turnier auch ausgeht, alle Verantwortlichen sind sich sicher, dass die Faustball-Frauen mit ihrem Ehrgeiz, ihrem Pflichtbewusstsein, ihrer Zuverlässigkeit und anderen Tugenden, die die Männer derzeit vermissen lassen, auch in Zukunft viel Freude machen werden.  „Ich bin einfach nur stolz, diese Mannschaft als Delegationsleiter begleiten zu dürfen“, sagt Uffe Iwersen.

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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