Deutsch-dänisches Verhältnis

Vor dem Krieg spielte jeder mit jedem in Hostrup

Vor dem Krieg spielte jeder mit jedem in Hostrup

Vor dem Krieg spielte jeder mit jedem in Hostrup

Tondern/Tønder
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Vor einigen Wochen wurde Ingolf Haase mit dem Kulturpreis der Kommune Tondern ausgezeichnet. Er ist Mitbegründer des Lokalhistorischen Vereins in Tondern, war 40 Jahre Vorstandsmitglied, davon die letzten 5 Vorsitzender (Archivfoto). Foto: Brigitta Lassen

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Ingolf Haases Familie wurde nach 1945 in einen deutschen und einen dänischen Teil gespalten. Vor dem Weltkrieg spielte die Zugehörigkeit keine Rolle. Dem Nordschleswiger erzählt er, wie sich das Zusammenleben änderte.

Eine unbeschwerte Kindheit, in der alle Kinder des Orts egal welcher Zugehörigkeit zur deutschen oder dänischen Seite, erlebte der heute 71-jährige Ingolf Haase in seinem Heimatdorf Hostrup. Jeder spielte mit jedem. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs änderte sich das friedliche Zusammenleben. In seinen Kindheitserinnerungen, die er in der neuen Ausgabe der lokalhistorischen Schrift „Tønder Erindringer XXII.“ beschreibt, geht er nicht besonders auf dieses Thema ein, sondern eher auf die friedliche Koexistenz von deutschen und dänischen Kindern und ihre unbeschwerte Kindheit.

Du kommst eigentlich aus einem deutschen Zuhause, bist aber in die dänische Schule gekommen und bist heute „überzeugter Däne“. Wie kam es dazu?

Das ist richtig. Meine Urgroßeltern stammten aus Ostpreußen, kamen aber nach Hostrup. Mein Großvater und Vater besuchten beide die deutsche Schule in Jeising und waren Soldaten im Ersten beziehungsweise Zweiten Weltkrieg. Mein Vater war ein Jahr in Kriegsgefangenschaft in England und bezeichnete dies als glücklichste Zeit seines Lebens. Die Engländer waren gut zu ihren Gefangenen. Es gab genug zu essen, es gab Unterhaltung und man arbeitete auf den Feldern der Landwirte. Meine Mutter stammte von Djursland und ihr wurde das viele Deutsche in Hostrup zu bunt und wollte zurück. Mein Vater zog mit ihr und fand als gelernter Gärtner keinen Job. Er arbeitete beim Bau des Tirstruper Flugplatzes und wurde so deutsch-dänischer Dolmetscher für die deutsche Besatzungsmacht. 

 

Ingolf Haase steht früh auf, um an den Schreibtisch zu kommen. Er hat unzählige Bücher und lokalhistorische Schriften verfasst. Er war lange Vorsitansmitglied des Lokalhistorischen Vereins für die frühere Kommune Tondern. Foto: Brigitta Lassen

Hast du die Spannungen zwischen Minderheitendeutschen und Dänen verspürt?

Als Kind war es früher egal, aus welchen Familien die Spielkameraden kamen. Es wurde den ganzen Tag gespielt, Lausbubenstreiche gemacht, wir waren im Wald und liefen Schlittschuh. Jede Familie tolerierte die andere. Wir Kinder waren eine große Gruppe. Das änderte sich nach dem Krieg. Für meine und die späteren Generationen kam es mit dem Schulbeginn zum Bruch der deutsch-dänischen Freundschaften. Wir lernten neue Freunde kennen und der Kontakt zu den früheren Spielkameraden, die in die deutschen Schulen kamen, brach ab. In meinem Jahrgang 1950 gab es nur drei Jungs. Der eine zog mit seiner Familie nach Henne, der andere kam in die deutsche Schule. Mit meinem Freund in Henne war der Kontakt intensiver als mit dem anderen, zu dem ich vollkommen die Verbindung verlor.

Was änderte sich in deiner Familie?

Nach Rückkehr aus der englischen Kriegsgefangenschaft sympathisierte mein Vater eher mit der dänischen Seite. Die deutsche wurde wieder geweckt, als er auf dem Hof der größten deutschen Bauernfamilie eine Beschäftigung fand. Mein Vater war aber nicht aktiv in der Minderheit. Der Krieg teilte unsere Familie aber in zwei Lager. Mein Vater hatte drei Brüder, zwei wurden dänisch, zwei wurden deutsch. Die Familien besuchten einander nicht mehr nach dem Krieg. Meine Eltern entschieden sich, uns in der dänischen Schule einschulen zu lassen. Zwischen den Kindern der deutschen und dänischen Schule entstand eine Art Wettstreitstimmung im Dorf und man hat sich gegenseitig beschimpft.  

Gab es arme Familien und die bessere Gesellschaft in deinem Heimatort?

Die Familien waren alle nicht reich, aber auch nicht bettelarm. Alle hatten ein gutes Auskommen, genug zu essen und ein Dach über dem Kopf. Die Väter waren alle Handwerker und hatten ihre Werkstätten im Ort. Das war ein großer Vorteil für uns Kinder, denn es war spannend, ihnen bei der Arbeit zuzusehen. Unsere Eltern waren so immer in unserer Nähe, und sie gaben uns die Freiheit, zu spielen, was wir wollten. Wir waren uns  viel selbst überlassen. Wir benötigten keine Uhr, um zu wissen, wann Essenszeit war. Plötzlich war das Dorf wie leergefegt. Alle Familien setzten sich gleichzeitig an den Mittagstisch. Wir kamen alle aus einfachen Verhältnissen. Es gab nur die Bauernfamilie Rasch, die sich als etwas Feineres fühlte als wir. Und gerade dort arbeitete mein Vater nach dem Krieg. Doch auch ich machte eine Lehre bei einem Deutschen. Von Eduard Thomsen, der aus seiner deutschen Gesinnung keinen Hehl machte, wurde ich zum Automechaniker ausgebildet.

 

 

 

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