Lokalgeschichte

Später Glückwunsch aus München für den Bürgermeister

Später Glückwunsch aus München für den Bürgermeister

Später Glückwunsch aus München für den Bürgermeister

Tondern/Tønder
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Jørgen Popp Petersen zeigt die Glückwunschkarte. Auf der Vorderseite sieht man einen Teekessel aus der Goldschmiede Bödewadt. Foto: Volker Heesch

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Vor genau 300 Jahren siedelte sich die Familie Bödewadt in Tondern an. Sie sollte sich als bekanntes Gold- und Silberschmiedegeschlecht in der Wiedaustadt einen Namen machen. Nun haben Nachfahren aus der bayerischen Landeshauptstadt überraschend Jørgen Popp Petersen zur Wahl gratuliert. Absender wurden von der „Süddeutschen Zeitung“ informiert.

Jørgen Popp Petersen von der Schleswigschen Partei erhielt kürzlich einen verspäteten Glückwunsch zu seiner Bürgermeisterwahl. Absender waren Nachfahren der bekannten Tonderner Familie Bödewadt. Sie leben heute unter anderem in München und in Sonderburg (Sønderborg).

Es freue sie, dass mit Jørgen Popp Petersen wieder ein deutscher Vertreter als Bürgermeister das Sagen habe. Sie wünschten ihm eine friedvolle Amtszeit. In der „Süddeutschen Zeitung“ hatten die Münchener Bödewadt-Angehörigen von der Wahl von Jørgen Popp Petersen gelesen, die die Familie mit großer Freude zur Kenntnis genommen habe, zumal sie sich eng mit der Stadt Tondern verbunden fühle. Schließlich waren ihre Vorfahren in sechs Generationen  als Gold- und Silberschmiede in Tondern tätig und machten sich einen Ruf, der weit über die Grenze der Stadt hinaus ging.

Die Vorderseite der Glückwunschkarte ziert ein silberner Teekessel, der in der Bödtwadtschen Gold- und Silberschmiede in Tondern gefertigt worden war.

Sonderausstellung 1998 im Museum

Eine Sonderausstellung über das Geschlecht wurde 1998 im Tonderner Stadtmuseum gezeigt. Es war die erste von Elsemarie Dam-Jensen, die im Vorjahr die Funktion als Museumsleiterin übernommen hatte.

Ausstellungsobjekte fand sie unter anderem bei den Bödewadt-Nachfahren in München. Sie stellten diese dem Museum als Leihgabe zur Verfügung. Bei der Sonderschau im Jahr 1998 im Tonderner Museum, das eine Reihe von Bödewadt-Schmuck und Besteck in seiner Silberkammer besitzt, wurden vor 24 Jahren auch unter anderem Familienfotos und Inventar der Werkstätten präsentiert. Die Ausstellung fand stürmischen Andrang.

Auch zum Fotografen ließ sich Jacob A. Bödewadt ausbilden (Reproduktion alter Familienbilder). Foto: Elise Rahbek

Haus und Nachnamen übernommen

Tondern war bekannt für seine profilierten Gold- und Silberschmiedewerkstätten. Die Geschichte der Bödewadts ist lang und beginnt damit, dass der Emmerleffer Jacob Andresen 1722 nach Tondern zog. Also vor genau 300 Jahren. Er kaufte ein Haus vom Wirtshausbesitzer Peter Petersen Bödewadt. Jacob Andresen übernahm wenig später auch den Nachnamen Bödewadt, der eine Übersetzung des nordöstlich von Tondern gelegenen Ortes Bödewatt (dänisch Bøgvad) ins Deutsche war.

Auch Andresens Söhne Andreas Christian und Bendix Ewald führten den Namen fort, der damals noch Boetewadt geschrieben wurde. Beide wurden nach dem Tod des Vaters von Goldschmied Peter Hansen Bödewatt und seiner Frau Gyde als Pflegekinder aufgenommen und gingen später auch bei ihrem Ziehvater in die Lehre.

Ein Bödewadt wandert aus, der andere bleibt

Bendix Ewald wanderte nach Sankt Petersburg aus, sein Bruder Andreas Christian blieb in Tondern. Er übernahm später das Goldschmiedegeschäft seines verstorbenen Pflegevaters und heiratete sogar seine frühere Pflegemutter. Ihr Hochzeitstag am 12. Dezember 1761 wurde auch das Gründungsdatum der Firma Bödewadt an der Süderstraße 18.

Die Ehe verblieb kinderlos. Andreas Christian Bödewadt, der sich mit seinen Stiefsöhnen nicht verstand, nahm seinen Neffen Jacob Andreas Bödewadt (1773-1844), Sohn seines ausgewanderten Bruders, in seinem Geschäft auf und bildete ihn zum Meistergesellen aus. Dieser übernahm das Geschäft nach dem Tod des Onkels.

Ein Bild aus der Werkstatt (Reproduktion eines Bildes im Besitz der Familie Bödewadt) Foto: Elise Rahbek

Die Firma florierte, und die Familie kam zu Reichtum. Jacob A. Bödewadt kaufte viel Grund und Boden in Tondern und Umgebung.

Sein gleichnamiger Sohn (1814-1886) erlernte in Flensburg das Fach des Gold- und Silberschmieds. Er kehrte nach Jahren der Wanderschaft im ZUge der deutsch-dänischen Kriegs in seine Geburtsstadt zurück. Für die Firma bedeuteten die Kriegshandlungen, dass der Werkstattsbetrieb von 1848 bis 1850 ruhte.

Schmuck wurde vergraben

Aus dem Tagebuch seines Sohns mit gleichem Namen geht hervor, dass die Silberarbeiten während dieser unruhigen Zeit versteckt und vergraben wurden. Erst nach 1850 ging es mit dem Geschäft wieder bergauf. Die Geschäftsadresse wurde von der Süderstraße an die Osterstraße 7 verlegt. Dort sollten Bödewadts mehr als 100 Jahre ihrer Handwerkskunst nachgehen.

Dieses Trinkhorn entstand in der Werkstatt von Paul Andreas Bödewatt und wurde für die Deicheinweihung 1861 vom Deichverband in Auftrag gegeben (Archivfoto). Foto: Elise Rahbek

Ein deutliches Zeugnis des handwerklichen Könnens ist in der Ausstellung in der Hoyer Mühle zu bewundern. Dort steht das von Jacob A. Bödewadt für die Deicheinweihung 1861 gefertigte Trinkhorn aus Silber. Für diesen Anlass bestellte der Deichverband auch eine silberne Maurerkelle, die König Frederik VII. bei der Einweihung benutzen sollte. Die Majestät musste aber absagen. Die Kelle kam nicht in Gebrauch.

Urururenkelin mit der Kelle

Dies geschah erst, als Frederiks Urururenkelin, Königin Margrethe II., 1982 den neuen vorgeschobenen Deich bei Hoyer (Højer) einweihte. Die Kelle ist im Tonderner Museum zu sehen.

Jacob Andreas Bödewadt (1847-1924) war zwar Goldschmied, interessierte sich aber auch für das Fotografieren und ließ sich für die Arbeit hinter der Kamera ausbilden. Dies sollte sein zweites Standbein in den folgenden politisch unruhigen Zeiten werden. Erst beim Tod des Vaters 1886 übernahm er den Familienbetrieb und begann, serienmäßig hergestelltes Besteck zu bearbeiten.

Haus und Werkstatt brennen

1914 brannte der Firmen- und Familienbesitz an der Osterstraße völlig aus, wurde aber wieder aufgebaut. Auch fast 60.000 Porträtnegative wurden ein Raub der Flammen. Das Schicksal schlug ein zweites Mal zu, als die Tochter Dora bei einem tragischen Unfall ertrank.

Der Neubau des Firmensitzes an der Osterstraße 7 (Reproduktion eines Fotos im Familienbesitz) Foto: Elise Rahbek

Im Gegensatz zu seinen Vorfahren wollte der Sohn Jacob (1883-1946) nicht Goldschmied werden, sondern studierte an mehreren Universitäten Germanistik und arbeitete als Journalist und Schriftsteller in Essen, Hamburg, Berlin und Bremen.

Einführung der Filigrantechnik

Dessen Sohn Paul Theodor, der aus der Ehe mit der in Nordschleswig und Nordfriesland bekannten Schriftstellerin Ingeborg Andresen hervorging, studierte Chemie an der Kieler Universität. Er unterbrach sein Studium und trat in die Bödewadtsche Firma ein. Sein handwerkliches Geschick zeigte sich bei der Bearbeitung von Silber und führte die alte nordfriesische Filigrantechnik ein.

 

Seine Werke gelangten zu großer Bekanntheit und wurden auch in Museen ausgestellt. Paul T. Bödewatt eröffnete zwei weitere Schmuckgeschäfte auf Röm.

 

Doch das Schicksal schlug ein weiteres Mal zu. Paul Theodor Bödewadt war Asthmatiker und verstarb 1923 nur 36-jährig auf der Reise zu einem Kuraufenthalt.

Seine Frau Frida führte das Geschäft nach sechs Generationen noch bis 1966 weiter, bevor es geschlossen und verkauft wurde. Damit endete die Goldschmiedeära nach 205 Jahren und nach sechs Bödewadt-Generationen.

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