Kostenexplosion

Schulaffäre: Einigkeit, dass man sich uneinig ist

Schulaffäre: Einigkeit, dass man sich uneinig ist

Schulaffäre: Einigkeit, dass man sich uneinig ist

Tondern/Tønder
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Beim 1. Spatenstich war die Welt noch in Ordnung. Foto: Archiv: Elise Rahbek

Der Fertigstellungstermin musste mehrmals verschoben werden, die Kosten schnellten fast von einem Tag zum anderen in die Höhe. Die erwarteten 90 Millionen Kronen reichten nicht. Nun soll die Kommune weitere 7,7 Millionen Kronen ausgeben. Sicher ist man sich aber, dass die neue Schule am 15. Dezember fertig ist.

Die bewilligten erwarteten Gesamtkosten in Höhe von 90 Millionen Kronen reichten 2017 nichts aus, als das Projekt Bau neuer Schule in Scherrebek ausgeschrieben wurde: Die Handwerkerpreise fielen um 15 Millionen Kronen höher aus als kalkuliert. Nach weiteren bösen Überraschungen wird sich das Projekt um 17,5 Millionen Kronen verteuern und hätte sogar noch kostspieliger werden sollen, hätte nicht der politische Lenkungsausschuss im Mai die Handbremse gezogen, der Projektabstriche in Höhe von 1,4 Millionen Kronen vornahm.

Einsparungen auf dem Außengelände

„Bei den Einsparungen handelt es sich um kleinere Änderungen auf dem Außengelände, mit denen die Schulleitung aber auch wir Politiker leben können. Es wird nichts an der Funktionalität der neuen Schule ändern“, unterstrich der Vorsitzende des Lenkungsausschusses, Kim Printz Ringbæk (Soz), als am Dienstag der Untersuchungsbericht im Rathaus präsentiert wurde.

Nach wiederholter Kritik anderer Stadtratsmitglieder hatte Bürgermeister Henrik Frandsen (V) diesen im Mai in Auftrag gegeben. Den Verlauf des bisher größten Bauvorhabens in der Geschichte der Kommune und alle vorliegenden Dokumente hat die Chefin der Technischen Verwaltung, Ditte Lundgaard Jacobsen, unter die Lupe genommen. Sie ist Juristin und gehört nicht zur Rathaus-Direktion.

„Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis“, unterstrich Frandsen bei der Vorlage des Berichts, der auch in seinem vollen Umfang auf der Homepage der Kommune zu finden ist. Kim Printz Ringbæk bestätigt diese Einschätzung.

Vorwürfe wird es immer geben

„Uns wird immer vorgeworfen, dass wir als Auftragsgeber diktieren, was in einen solchen Bericht zu stehen hat. Das wäre auch der Fall gewesen, hätten wir Hilfe von auswärts angefordert“, erklärte der Bürgermeister. „Ich übernehme aber die Verantwortung, meine aber trotzdem, dass meine Initiativen ein Beweis für ein verantwortungsbewusstes Handeln eines Bürgermeisters sind“, kam Frandsen möglicher Kritik zuvor.

Er war von Stadtratsmitgliedern angegriffen worden, seinen Kollegen Informationen vorzuenthalten und sie zu spät über die Kostenexplosion in Kenntnis gesetzt zu haben.

Wegen der Corona-Hektik fiel die geplante März-Sitzung des Ökonomieausschusses aus. Dort hätte ich sonst mündlich über die Verteuerung informiert. Einen schriftlichen Bescheid gab ich nicht. Das hätte ich vielleicht tun müssen.

Henrik Frandsen, Bürgermeister

„Das einzige, was ich mir vorwerfen kann, ist, dass ich den Stadtrat im März nicht schriftlich informierte, als es damals nur um eine Kostenüberschreitung in Höhe von 300.000 Kronen ging. Bei einem Millionenprojekt Peanuts, aber ich hätte es tun müssen. Wegen der Corona-Hektik fiel die geplante März-Sitzung des Ökonomieausschusses aus. Dort hätte ich sonst mündlich über die Verteuerung informiert. Einen schriftlichen Bescheid gab ich nicht. Das hätte ich vielleicht tun müssen.“

Auf der Baustelle herrschte zwischen den Handwerkern und dem Chefberater schlechte Stimmung. Foto: Archiv: Monika Thomsen

Erst nach der Absage dieser Sitzung eskalierte die Situation. Im April hatten die Mehrausgaben plötzlich und ohne Vorwarnung seitens des Beraters einen Stand von 8,6 Millionen Kronen erreicht, und stiegen im Mai sogar auf 9,1 Millionen Kronen. Nach den vom politischen Lenkungsausschuss vorgenommenen Einsparungen muss die Kommune jetzt „nur“ noch weitere 7,7 Millionen Kronen auf den Tisch blättern. Am Donnerstag, 18. Juni, berät der Ökonomieausschuss darüber.

Teure Fassadenänderung

„Damit müsste die letzte zusätzliche Rechnung bezahlt sein, denn wir haben einen Sicherheitsplan erstellt und das Konto für unerwartete Ausgaben um zwei Millionen Kronen erhöht. Auch mit dem 15. Dezember als Datum für den Abschluss der Bauarbeiten rechnen wir. Wir werden die 7,7 Millionen Kronen vielleicht nicht alle ausgeben müssen. Es gibt zwischen der Kommune sowohl mit dem Chefberater als auch einem Handwerksunternehmen Unstimmigkeiten über Nachtragszahlungen, die juristisch überprüft werden müssen und die – so unsere Hoffnung – zu unseren Gunsten ausfallen werden“.

 So ging es beispielsweise um eine Änderung einer Fassade, die nach Informationen des Chefberaters angeblich 300.000 Kronen billiger werden sollte. Letztendlich landete der Preis bei fast zwei Millionen Kronen. Die Versicherung will den Anspruch der Kommune für die Mehrkosten nicht abdecken. „Zumindest dieser Teil muss juristisch geklärt werden",  meint Ditte L. Jacobsen.

Alles in allem kann man der Kommune nicht vorwerfen, in den primären Bereichen der Projektverteuerung Fehler begangen zu haben. Einziger Kritikpunkt ist, dass man gegenüber dem Chefberater beharrlicher hätte auftreten müssen. Auch habe ich keine eklatanten Fehler der Verwaltung gefunden.

Ditte L. Jacobsen, Chefin der Technischen Verwaltung

„Es gibt beim Lesen der Dokumente keinen Zweifel: Man ist sich einig, dass man sich nicht einig ist“, so die Zusammenfassung von Ditte Lundgaard Jacobsen. Als großen Sünder der Kostenexplosion werden das schlechte Wetter im Herbst/Winter 2019/2020 mit übermäßig viel Regen und die Verlängerung der Zeitfrist mit Folgekosten ausgemacht. 

Man hätte beharrlicher auftreten müssen

„Dies kostet Geld, obwohl der Chefberater bei der ersten Verschiebung behauptet hätte, dass sie für die Kommune kostenneutral sei“, so die Juristin. „Zudem fielen beim Projekt viel zu viele Extraarbeiten an wegen Mängel im Ausschreibungsmaterial. Außerdem wurden auf Wunsch der Kommune leichte Änderungen im Vergleich zu den Vorschlägen des Chefberaters vorgenommen. Dazu kommen die unterschiedlichen Auffassungen und die in Aussicht gestellten, aber unerfüllten Sparpotenziale. Alles in allem kann man der Kommune nicht vorwerfen, in den primären Bereichen der Projektverteuerung Fehler begangen zu haben. Einziger Kritikpunkt ist, dass man gegenüber dem Chefberater beharrlicher hätte auftreten müssen. Auch habe ich keine eklatanten Fehler der Verwaltung gefunden“, so Jacobsens Urteil.

Der viele Regen stand den Handwerkern fast bis zum Hals. Foto: Archiv: Elise Rahbek

Bürgermeister und Kommunaldirektor verhandeln

Zunächst verhandelte die administrative Lenkungsgruppe, die die Verantwortung für die Einhaltung des Kostenvoranschlags hat, mit dem Chefberater. Als sich die Lage zuspitzte, übernahmen der Bürgermeister und der Kommunaldirektor Klaus Liestmann die Verhandlungen.

Das Ausschreibungsmaterial sei mangelhaft gewesen. Die Anzahl der Beanstandungen, die nur mit versehentlich begangenen Fehlern erklärt werden könne, sei außergewöhnlich hoch. So war nicht ausreichend Geld für unter anderem Fußböden und Decken (Kostenpunkt 1,6 Millionen Kronen) vorgesehen. „Es hat zu viele Versäumnisse unseres Chefberaters gegeben. Er hat zu keinem Zeitpunkt vor einer Kostenexplosion gewarnt. Erst im Januar meinte er, dass wenig Geld für unvorhersehbare Kosten zur Verfügung stehe“, erläutere die Juristin weiter. Von einer Kündigung des Chefberaters rate sie aber ab, da auch dieses Geld koste.

Es nützt nichts, dass wir in einen Schützengraben kriechen und uns bekriegen. Das Bauprojekt muss weitergehen.

„Es nützt nichts, dass wir in einen Schützengraben kriechen und uns bekriegen. Das Bauprojekt muss weitergehen“, unterstreicht dazu Kim Printz Ringbæk. „Wir haben einen engen Dialog auch mit der Schule geführt. Wir sind uns im ganzen Prozess einig gewesen. Erst im April steigen die Mehrausgaben von zwei auf 8,5 Millionen Kronen“.

 

  • Im März 2017 bewilligt der Stadtrat 90 Millionen Kronen für den Bau einer neuen Schule in Scherrebek, die ursprünglich im Sommer 2020 fertig sein sollte.
  • Die Ausschreibung ergibt Mehrausgaben in Höhe von 15 Millionen Kronen für Handwerker. Es wird unter anderem gekürzt (3,1 Millionen Kronen), beim Honorar für den Berater werden 500.000 Kronen gestrichen, 1,5 Millionen gibt es weniger für unvorhersehbare Ausgaben.
  • Im Februar 2019 werden zusätzliche 9,9 Millionen Kronen bewilligt.
  • Wegen des vielen Regens im Herbst und Winter 2019/2020 wird die Fertigstellung bis zum Herbst und zuletzt bis zum 15. Dezember verlängert.
  • Im Februar 2020 kommen weitere Mehrausgaben in Höhe von 300.000 Kronen
  • Im März steigen diese auf 2,5 Millionen Kronen
  • Im April wird ein Stand von 8,5 Millionen Kronen erreicht, weitere 600.000 Kronen kommen im Mai dazu, bis auf die Bremse getreten wird.
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